Entfestigung

Altes und Neues Kantonsspital, Rämistrasse 100 / Gloriastrasse 19

Submitted by ottavio.clavuot on Sun, 01/02/2022 - 08:04

Nach dem liberalen Umsturz 1830 baute der Kanton nicht nur eine moderne Infrastruktur für Bildung und Verkehr auf, sondern auch für das Gesundheitswesen, mit der Einrichtung einer medizinischen Fakultät an der 1833 gegründeten Universität und eines Kantonsspitals. 1836 beschloss der Kantonsrat den Bau einer kantonalen Krankenanstalt für 150 Patienten, auf dem auch vom Land her gut erreichbaren ehemaligen Schanzenvorgelände der ersten Hangterrasse des Zürichbergs oberhalb der späteren Rämistrasse. Im Gegensatz zum bisherigen Spital in den Gebäuden des einstigen Predigerklosters sollte das neue Spital weniger der Versorgung und Verwahrung Kranker und Armer dienen als vielmehr der Behandlung heilbarer Patienten mit den Mitteln der universitären Medizin. Die 1837-42 nach Plänen von Gustav Albert Wegmann und Leonhard Zeugheer errichtete Spitalanlage gewann internationale Anerkennung. Der 178 Meter lange, symmetrisch aus einem dreigeschossigen, H-förmigen Mitteltrakt und zwei zweigeschossigen, L-förmigen Seitenflügeln bestehende Hauptbau beherbergte die Klinik für Innere Medizin und die Chirurgie.

Altes Kantonsspital
Im Vordergrund die Wässerwiese (heute Sportanlagen Rämistrasse 80) dahinter die lange Front des Kantonsspitals und das Anatomiegebäude. Foto um 1910.

Die Anatomie mit Hörsaal, Sammlungs- und Nebenräumen sowie die Abteilung für Infektionskrankheiten wurden aus hygienischen Gründen etwas abseits in eigenen Gebäuden untergebracht. Seit Mitte der 1870-er Jahre führten die zunehmende Spezialisierung der medizinischen Wissenschaften und die Ausweitung der Bettenzahl zur schrittweisen Überbauung der Hangzone hinter dem Hauptgebäude mit neuen Spezialkliniken.

Anatomiegebäude
Das Erscheinungsbild des Anatomiegebäudes entspricht dem ursprünglichen Zustand nur noch aussen.    

Nach längeren Diskussionen über eine grundlegende Modernisierung des Spitals wurde 1933/34 ein Ideenwettbewerb für einen Spitalneubau mit 1200 Betten beim Burghölzli ausgeschrieben. Durch die Verkürzung der Plattenstrasse und die Verlängerung der Gloriastrasse an die Rämistrasse schuf der Regierungsrat 1937 Raum für einen Spitalneubau am alten Standort in unmittelbarer Nähe zur Universität. Mit der Planung wurden die Preisträger des Ideenwettbewerbs beauftragt, die sich 1939 zur „Architektengemeinschaft für das Kantonsspital Zürich“ (AKZ) zusammenschlossen. Federführend waren Haefeli Moser Steiger (HMS: Max Ernst Haefeli, Werner M. Moser, Rudolf Steiger) und Hermann Fietz (1898-1977). Zur Organisation und architektonischen Bewältigung der vielfältigen Funktionen der Krankenversorgung, Lehre und Forschung eines modernen, effizienten Universitätsspitals gab es verschiedene, damals international diskutierte Konzepte (lineare oder kammartige Gebäudeanordnung, Block- oder Pavillonbau) und Vorbilder, darunter das von Alvar Aalto 1929-33 errichtete Sanatorium in Paimio, das Sanatorium Zonnestraal in Hilversum (1926-28) oder das Söderspital in Stockholm (1937-44).

Paimio Sanatorium
Abgewinkelte Front des der Sonne zugewandten, schmalen Betten- und Balkontrakts von Alvar Aaltos Sanatorium in Paimio. Foto um 1930.

Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Funktionsabläufen des Kantonsspitals, Konzepten und Vorbildern entschied sich die AKZ für die Anordnung der Spezialkliniken und Funktionsbereiche als verbundene Block- und Pavillonbauten, die vertikale Stapelung gleicher Funktionen innerhalb der Bauten, die Minimierung stark frequentierter Wege von Personal und Patienten sowie die Schaffung einer den Heilungsprozess fördernden hellen, ruhigen und wohnlichen Atmosphäre durch Gliederung, Materialwahl und Orientierung der Krankenzimmer auf den Park hin. Zudem musste das neue Spital am bisherigen Standort sorgfältig in den städtebaulichen Kontext integriert werden und etappenweise so um die Altbauten herum entstehen, dass der Betrieb jederzeit gewährleistet werden konnte. Aus diesen Erfordernissen wurde eine strahlenförmig aufgebaute Anlage entwickelt, mit der Polyklinik parallel zur Rämistrasse, im rechten Winkel daran anschliessenden L-förmig um das alte Spital herumgeführten Bettentrakten und einer weiteren vom Gelenkpunkt hangwärts führenden Achse mit Einlieferungs-, Operations-, Pathologie-, Küchen- und Hörsaaltrakt. Auf diese Weise blieb auch der Spitalpark mit seinem alten Baumbestand erhalten.

Funktionsschema Kantonsspital
Hermann Fietz, Funktionsschema eines Spitals (oben) und dessen Anwendung auf die Situation in Zürich (unten). Die Adaption basiert auf der von Moser und Fietz während der Rückreise von Stockholm im März 1939 entwickelten Idee.

1942-51 wurde das damals grösste, auch der Arbeitsbeschaffung dienende Bauprojekt der Schweiz, trotz der in den ersten Jahren kriegsbedingten Materialknappheit für fast 100 Mio. Franken realisiert. Das alte Kantonsspital wurde 1951 mit Ausnahme des Anatomiegebäudes (Gloriastrasse 19) abgerissen. Die individuell gestalteten Bauten der Anlage werden durch die durchgängige Sichtbarmachung der Skelettkonstruktion und die Verwendung gleicher Materialien für die gleichen Funktionen als Einheit erfahrbar. Die Traufkante der direkt der ETH gegenüberliegenden, in den Formen der gemässigten Moderne gestalteten Polyklinik nimmt die Höhe der Strassenfront der Hochschule auf und schirmt vermittelnd den hochhausartigen Bettentrakt gegen die Rämistrasse ab. Über dem weiten, auch an der Fassade ablesbaren Stützenraster der Eingangshalle erhebt sich der kleinteilige Fensterraster der drei oberen Geschosse, während das zurückversetzte Dachgeschoss hinter der Kante der Dachterrasse verschwindet. Die Mittelachse der unprätentiös wirkenden Fassade wird durch das grosse Vordach des Haupteingangs und die Balkone darüber akzentuiert. Wiederholt werden das Balkonmotiv und die Fassadengliederung der Obergeschosse an der Front der niedrigeren, durch ein vorspringendes Treppenhaus abgetrennten Kantonsapotheke.

Kantonsspital Polykliniktrakt
Polyklinik und Kantonsapotheke, dahinter das hochhausartige Bettenhaus. Foto 1951.

Den grosszügigen, von Gustav Ammann (1885-1955) gestalteten Spitalpark rahmen die bis zu neun Geschosse hohen Bettenhäuser mit teilweise gedeckter Dachterrasse. Mittelgänge erschliessen die zum Park gelegenen Krankenzimmer und die rückwärtigen Diensträume des Personals. Die langen, durch den Fensterraster bestimmten Fassaden werden auf der Parkseite durch niedrigere Vorbauten mit Aufenthaltsbereichen für stationäre Patienten (Loggien, Balkone, Dachterrasse mit Pilzdach) aufgelockert, auf der Rückseite durch die vorspringenden, die Traufkante überragenden, Treppenhäuser.

Neues Kantonsspital
Das neue Kantonsspital: Dominant das Bettenhochhaus und der Bettentrakt als Rahmung des Spitalparks. Foto 1952.

Aussen wie innen werden die grossen Volumen und Flächen aufgebrochen und durch die variantenreiche Verwendung moderner und traditioneller Materialien, wie Beton, Kunststein, Marmor, Verputz, Terracotta, Holz und Glas in ornamental wirkender Weise strukturiert. Die technische Ausstattung sowie das ganze Mobiliar wurde von der AKZ in enger Zusammenarbeit mit dem medizinischen Personal entwickelt und die Anbringung von Skulpturen und Malereien gegen Sparforderungen durchgesetzt.

 

Neues Kantonsspital Polyklinik Eingangshalle
Foyer der Polyklinik mit dem eigens für das Kantonsspital entworfenen Mobiliar. Foto 1946.

Für das Personal plante die AKZ 1951 ein Hochhaus auf der Platte, das allerdings nicht mehr von ihr ausgeführt wurde. Die seit den 1960-er Jahren im Zuge der Erweiterung des Spitals vorgenommenen Neubauten, Verdichtungen und Aufstockungen haben die Struktur der Anlage und die sorgfältige Gliederung der verschiedenen Baukörper zunehmend verwischt und ein amorphes Konglomerat von Bauten entstehen lassen. O.C.

Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Rämistrasse 101

Submitted by ottavio.clavuot on Sun, 01/02/2022 - 07:40

Im Bestreben, das für eine erfolgreiche Industrialisierung der Schweiz erforderliche technische Personal und Wissen unabhängig vom Ausland auszubilden und zu entwickeln, beschlossen die eidgenössischen Räte 1854 die Gründung des Eidgenössischen Polytechnikums (seit 1905 ETH) in Zürich nach dem Vorbild der Pariser Ecole Polytechnique (1794/1804). Da nach der Niederschlagung der Revolution von 1848 zahlreiche namhafte Gelehrte und Wissenschaftler Deutschland verlassen mussten und bereit waren, in der liberalen Schweiz am Aufbau der neuen Hochschule mitzuwirken, gewann diese rasch einen guten Ruf und war ihrer Aufgabe, eine konkurrenzfähige technische Elite auszubilden, gewachsen. So nahm auch Gottfried Semper, der sich als Architekt in Dresden bereits einen Namen gemacht hatte, die ihm angebotene Professur 1854 an. Kurz darauf erhielt er den Auftrag, ein Projekt für das Schulgebäude von Polytechnikum und Universität auf dem ehemaligen Schanzengelände gegenüber dem neuen Kantonsspital auszuarbeiten. 1859-64 wurde der funktional gegliederte, über der Stadt thronende Neurenaissance-Bau mit vorgelagerter Terrasse und selbständigem Chemiegebäude an der Rämistrasse nach Sempers Plänen von Staatsbaumeister Johann Caspar Wolff (1818-91) realisiert.

ETH
Erhöhte Lage und zur Stadt orientierte Hauptfassade manifestieren die Bedeutung der ETH für Zürich und den Bundesstaat. Foto um 1905.

Die Fassaden der geschlossenen, viergeschossigen Vierflügelanlage mit zentralem Hof werden durch Mittelrisalite mit Eingängen und Treppenhäusern sowie Eckrisalite an den Längsseiten gegliedert. Die beiden unteren Geschosse sind durch die Rustikaquaderung zu einem mächtigen Sockel zusammengebunden. Darüber reihen sich die je nach Funktion des Gebäudeteils die unterschiedlich ausgebildeten Fensterachsen der beiden oberen Stockwerke. Im Westtrakt befanden sich die Lehrräume des Polytechnikums und hinter der Repräsentationsfassade des Mittelrisalits gegen die Stadt die Halle des Haupteingangs sowie die Räume der Schulleitung und die Aula.

ETH Semper-Bau
Die plastische Neurenaissance-Blendarchitektur des Mittelrisalits verleiht der Hauptfassade repräsentativen Charakter.

Der nördliche Flügel beherbergte die Zeichen- und Übungsräume – die von Semper entworfene Sgraffito-Dekoration der Fassade nimmt darauf Bezug – , der östliche die Sammlungen und der südliche die Universität. Im Zentrum der Anlage unterteilte eine eingeschossige Halle für die Antikensammlung den Hof und machte damit die humanistische Verwurzelung der technischen Ausbildung deutlich. Die von Semper geplante Ausmalung der repräsentativen Durchgangsräume ist nie ausgeführt worden. Einzig die Wand- und Deckengestaltung der Aula wurde vollständig nach seinen Vorgaben realisiert.

ETH Aula
Entwurf Sempers von 1865 für die Gestaltung der Aula: An der Wand hinter Rednertribüne und korinthischer Kolonnade Triumphbogenmotiv und mythologische Malereien.

Das starke Wachstum der Hochschule, technische Mängel am Bau und der Auszug der Universität in Karl Mosers 1914 eingeweihten Neubau, führten 1915-24 zur umfassenden Erneuerung und Erweiterung der Schulanlage nach Plänen von Gustav Gull: Das Chemiegebäude wurde abgebrochen, der Semper-Bau durch die L-förmige Verlängerung des südlichen und des nördlichen Flügels bis an die Rämistrasse erweitert und der alte Osttrakt durch einen wesentlich breiteren Gebäudeflügel mit diesen um ein Geschoss überragender, Kuppel bekrönter Mittelrotunde ersetzt. In deren über die Fassade vorspringendem Halbrund befindet sich hinter ionischen Kolossalsäulen das Auditorium Maximum, darüber die Bibliothek, darunter die Halle mit dem auf den neu entstandenen Vorhof zwischen Nord- und Südflügel gehenden Haupteingang. Die beiden Gebäudeflügel nehmen in den Risaliten gegen die Rämistrasse die ionischen Kolossalsäulen der Rotunde auf und rahmen mit vorspringenden, die Fassadenflucht der Risalite verlängernden Arkaden den Strassenraum und den Vorhof. Durch die axialsymmetrische, monumental wirkende, barocken Schlossanlagen ähnliche Komposition hat Gull das ETH-Gebäude von der Stadt zur Rämistrasse umorientiert.

ETH Rämistrasse
Die neue Hauptfront der ETH gegen die Rämistrasse. Foto vor 1938.

Anstelle der Antikenhalle setzte Gull eine über die ganze Gebäudehöhe reichende Halle zwischen die neu in die Höfe eingebauten Auditorien. Das komplexe Raumgefüge geschickt gestaffelter und verschränkter Arkaden und Kolonnaden öffnet die grosse Halle zu anderen Räumen, schafft Zonen unterschiedlichen Lichts und nimmt dadurch der Architektur die Schwere.

ETH Halle
Gulls Halle mit den Erschliessungsalerien und-emporen. Foto um 1943.

Unter den dem Semper-Bau angeglichenen Oberflächen aus Kunststein und Neurenaissance-Formen verbarg Gull das moderne Baumaterial, den Eisenbeton, der auch für die ursprünglich betonsichtig geplante Kuppel benützt wurde.

ETH Kuppelkonstruktion
Die sichtbare Betonaussenschale der Betonrippenkuppel mit kassettierten Füllungen wurde auf öffentlichen und politischen Druck mit Ziegeln verkleidet. Foto um 1971.

1964-77 wurde das ETH-Gebäude nach Plänen der Professoren Charles-Edouard Geisendorf (1913-85) und Alfred Roth (1903-98) nochmals erweitert, unter anderem durch die Hörsaaleinbauten in den beiden Innenhöfen und die Grossmensa unter der neuen Polyterrasse. O.C.   

Universität Zürich, Rämistrasse 71

Submitted by ottavio.clavuot on Sun, 01/02/2022 - 05:27

Nach dem Umsturz 1830 leiteten die Liberalen zur langfristigen Sicherung von Wohlstand und Demokratie eine umfassende Bildungsreform ein, zu der neben dem Ausbau der Volksschule auch die Gründung von Kantonsschule (Gymnasium) und Universität gehörten. 1833 nahm die Universität ihren Betrieb in Gebäuden der Fraumünsterabtei, dann im Hinteramt an der Augustinergasse auf. Erst 1864 erhielt sie im Südflügel der von Gottfried Semper für das Eidgenössische Polytechnikum (seit 1905 ETH) erbauten Anlage ein eigenes Schulgebäude. Das starke Wachstum der Universität führte seit 1897 zu Diskussionen über einen Neubau, doch erst nach der Standortwahl im Künstlergüetli auf dem ehemaligen Schanzengelände südlich der ETH und der Definition des Bauprogramms 1907, wurde in einem Architekturwettbewerb das Projekt von Curjel & Moser 1908 zur Ausführung bestimmt.

Künstlergüetli
Für den Bau der Universität abgebrochenen (von rechts): Gustav Wegmanns Ausstellungsbau der Künstlergesellschaft, das Restaurant „Künstlergüetli“ und die Blinden- und Taubstummenanstalt. Foto 1900.

Der 1911-14 realisierte Entwurf sah eine geschickt ins abfallende Gelände eingepasste, asymmetrische Anlage aus den zwei seitlich verschobenen Baukörpern des viergeschossigen Kollegiengebäudes und des dreigeschossigen Biologischen Instituts vor, deren Schnittstelle der stadtseitig 65 Meter hohe, in der Höhe gestaffelte, die Stadtsilhouette prägende Turm markiert.

Universität
Der sich von der symmetrischen Anlage der ETH abhebende, vor der Augenklinik frei ins Gelände eingepasste Gebäudekomplex der Universität. Jenseits der Rämistrasse das alte Kantonsspital. Foto um 1937.

Technisch bestimmen moderne Materialien – Eisenbeton, Stahl, Glas und Leimbinder – den Bau, optisch dominieren Verblendungen aus Verputz, Natur- und Kunststein sowie eine ausserordentlich reiche, mittelalterliche und barocke Elemente aufnehmende Jugendstil-Ornamentik. anz im Sinn des Jugendstils hat Karl Moser – wie im Fall des Kunsthauses – Aussenraum, Architektur, Bauschmuck (Skulptur und Malerei), Beleuchtungskörper und Mobiliar zu einem Gesamtkunstwerk gestaltet.

Universität Eingangshalle Künstergasse
Modifiziert umgesetzte Studie Karl Mosers für die Ausgestaltung der Eingangshalle zum Turm, um 1912.

Gartenterrasse, Bassins und Baumreihen, dazwischen die mit Treppen und Skulpturen dramatisch inszenierten Zugänge zu den plastisch kräftig gegliederten Haupteingängen, rahmen den Gebäudekomplex, dessen stark durchfensterte, über der Sockelzone von pilasterartig ausgebildeten Pfeilern gegliederte Fassaden mit darüberliegenden Mansardenwalmdächern der barocken Schlossarchitektur verpflichtet sind.

Universität Kollegiengebäude
Schlossartig wirkende Fassade gegen die Rämistrasse mit dem mit Treppen, Balustraden, Skulpturen und Kandelabern möblierten Vorplatz.

Das Kollegiengebäude umschliesst einen grossen Lichthof mit Glasbedachung, den sogenannten „Göttergarten“, auf den sich die umlaufenden, mit Kreuzgewölbe und romanisierenden Säulen an klösterliche Kreuzgänge erinnernden Wandelhallen in Arkaden öffnen. Gegen die Rämistrasse öffnet sich der Eingang im halbrund vorspringenden Vorbau, der hinter Kolossalarkaden die Aula, in der Winston Churchill am 19. September 1946 für ein vereintes Europa eintrat, und darunter den Grossen Hörsaal beherbergt. Gegenstück sind die im Halbkreis in den Lichthof ragenden Arkaden des zweiarmig-dreiläufigen Treppenaufgangs zur Aula.

Universität Lichthof
Der Lichthof des Kollegiengebäudes als Ausstellungsraum für die ursprünglich in Sempers Halle in der ETH aufgestellten Gipsabgüsse antiker Statuen. Foto 1914.

Gegen die Künstlergasse wird der Eingang zum Turm durch einen viergeschossigen, von der Tudor-Gotik inspirierten Scheinerker und einen vorgelagerten Säulenportikus markiert. Auch das ehemalige Biologische Institut umschliesst einen Lichthof mit Glasbedachung, in dem die zoologische Sammlung ausgestellt ist und über dem seit 1991 der von Ernst Gisel entworfene, auf vier Pfeiler abgestützte Hörsaal schwebt. Der von monumentalen, durch ein vorspringendes Bogendach verbundenen Doppelsäulen flankierte Eingang ist als Gegenstück des Treppenaufgangs zum Südportal der ETH gestaltet.

Universität Eingang Biologiegebäude
Floreale Formen schmücken den Eingang zum Biologischen Institut.

Obwohl bereits Karl Moser gleich nach Abschluss der Bauarbeiten mehrere Erweiterungsideen entwickelte, so z.B. 1917 das Projekt einer achsensymmetrischen Verdoppelung der Anlage Richtung „Schanzenberg“, ist das Universitätsgebäude mit Ausnahme der von Moser entworfenen Möblierung bis heute weitgehend unverändert erhalten geblieben.

Karl Moser Erweiterungsprojekt Universität
Erweiterungsprojekt für die Universität. Tagebuchnotiz Karl Mosers, 1916.

Neben Ernst Gisels Hörsaaleinbau, stellt der der Neubau der seit 1914 vom Zürcher Frauenverein betriebenen Mensa unterhalb des Kollegiengebäudes 1968/69 nach Plänen von Werner Frei den grössten Eingriff dar. 2001/02 wurde sie im Zusammenhang mit dem Einbau eines unterirdischen Hörsaals durch Gigon/Guyer grundlegend erneuert, ihr Dach begrünt und die Liegewiese vor dem Kollegiengebäude durch ein rosafarbenes Wasserbecken ersetzt. O.C. 

Ehemalige Kattundruckerei, Wolfbachstrasse 9, 11

Submitted by ottavio.clavuot on Thu, 12/16/2021 - 04:12

Nach der Niederlegung der Schanzen wurden die Bauernhöfe entlang des Wolfbachs allmählich durch Gewerbebetriebe und Wohnbauten verdrängt. Dieser Prozess wird im Haus Nr. 11 deutlich, das vor 1812 als zweigeschossiges, ländliches Wohnhaus mit Satteldach errichtet worden war. Bauten dieser Art prägten den Weiler am Wolfbach noch bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Wohnhaus befand sich 1812 im Besitz der Familie Notz, die das Wiesland bachaufwärts bewirtschaftete. 1830 richtete David Roth im Erdgeschoss des Gebäudes eine Kattundruckerei ein, in der hochwertige Stoffe bedruckt wurden.

Wolfbachstrasse 11
Das zeitweilig als Manufaktur genutzte ländliche Wohnhaus.

Nach dem Erwerb der Liegenschaft durch den Architekten Heinrich Ernst (1846-1916) erhielt das Haus durch die Hinzufügung eines Quergiebels 1877 sein heutiges Aussehen. Anstelle des Waschhauses errichtete Ernst das mehrgeschossige Mietshaus Nr. 9 in deutlich urbaneren Formen. O.C.

Wolfbachstrasse 9
Das urban wirkende Mehrfamilienhaus.

Ehem. Brauerei und Wohnhaus „Schanzenberg“, Schönberggasse 1-7

Submitted by ottavio.clavuot on Wed, 11/10/2021 - 06:16

1842 erwarb der aus dem württembergischen Flunau bei Tettnang stammende, in Wangen, Ulm und Ravensburg zu Vermögen gekommene Bierbrauer und Immobilienhändler Joseph Anton Kern (1793-1862) das ehemalige Schanzengelände oberhalb des Rämibollwerks, um eine Bierbrauerei einzurichten. Die nach 1798 eingeführte Wirtschaftsfreiheit und das 1840 beschlossene kantonale Biergesetz bildeten wichtige Voraussetzungen für die Gründung von Brauereien und den Aufschwung der Bierproduktion im Kanton Zürich. In Kerns Auftrag errichtete Wilhelm Waser (1811-66) bis 1844 das Brauereigebäude auf einem künstlich aufgeschütteten Plateau, das die ausgedehnten Keller aufnahm. Zwischen zwei dreigeschossigen Eckbauten – der östliche als Wohnhaus, der westliche als Ökonomiegebäude mit Stallungen und Malzmühle konzipiert – war die eigentliche Brauerei mit Malzdarre, Sudhaus und Kühlschiff im zweistöckigen Mittelteil untergebracht. In den folgenden Jahren entstanden die Fabrikantenvilla mit Garten und Ökonomiegebäude (1844/45, 1956 abgebrochen) sowie ein weiteres Nebengebäude (1851), die spätere Villa „Belmont“.

Panorama Schönberggasse
Rechts der Rämistrasse erhebt sich der "Schanzenberg" hinter der Fabrikantenvilla, links das "Obere Sonnenbühl". Ausschnitt aus dem Panorama der Stadt Zürich, von der Schönberggasse aufgenommen von David Alois Schmid, um 1844.

Als Kern die Brauerei 1852 aufgab, nahm er Wohnung im „Schanzenberg“ und verkaufte die Villa und die Ökonomiegebäude an den „Spinnerkönig“ Heinrich Kunz (1793-1859) aus Oberuster, den damals grössten Schweizer Textilunternehmer, der beabsichtigte, seinen Geschäftssitz nach Zürich zu verlegen. 1862, kurz vor seinem Tod, veräusserte Kern den „Schanzenberg“ an den Seidenhändler Karl Johann Burkhard (1816-83) aus Oberrieden und dessen Schwager, den württembergischen Leinen- und Baumwollhändler Georg Rall-Hummel (1800-72). Die neuen Besitzer erweiterten das Haus um zwei Geschosse: Die beiden fünfstöckigen, nur durch zwei umlaufende Gurten und einen Balkon gegliederten Eckrisalite mit flachem Walmdach und der viergeschossige, analog gestaltete Mittelteil verliehen dem hoch über Florhof und Alter Kantonsschule thronenden Bau einen festungsartigen Charakter. Eine umfassende Modernisierung erfuhr das Haus nach einem erneuten Besitzerwechsel 1896, als die Wohnungen auf der Südseite grosszügige Balkone erhielten.

"Schanzenberg"
Der mächtige Block des "Schanzenbergs" erhebt sich über der Alten Kantonsschule mit Turnhalle und dem Schulhaus Wolfbach.

1862-66 wohnte der literarisch-politische Bohémien Georg Herwegh, der sich 1839 aus Württemberg in die Schweiz abgesetzt hatte, mit seiner Familie in einer der Wohnungen des „Schanzenbergs“. Später lebten hier auch deutsche Studentinnen als Untermieterinnen, die nach Zürich gekommen waren, weil ihnen in der Heimat das Studium verwehrt war, so z.B. Ricarda Huch 1895-96, die sich als Historikerin und Schriftstellerin einen Namen machen sollte, oder Marie Baum (1874-1964), die 1899 in Chemie promovierte, sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland sozialpolitisch engagierte und 1919 als Vertreterin der DDP in die Weimarer Nationalversammlung gewählt wurde. Frieda Bebel (1869-1948), das einzige Kind des deutschen Sozialistenführers August Bebel, kam 1889 nach Zürich, um die Maturitätsprüfung abzulegen. Sie heiratete hier 1891 und zog nach dem Tod ihres Mannes 1912 zusammen mit ihrem Sohn in den „Schanzenberg“. Ihr inzwischen verwitweter Vater weilte oft bei Tochter und Enkel. Als er während eines Kuraufenthalts in Passugg am 13. August 1913 starb, nahm vier Tage später der grösste Trauerzug, den Zürich bisher gesehen hatte, beim „Schanzenberg“ seinen Anfang.

Trauerzug August Bebel
Der Trauerzug für August Bebel vor der Villa "Belmont" am 17. August 1913.

Im gleichen Jahr erwarb der Kanton den „Schanzenberg“, der seit 1918 schrittweise zum Schulhaus umfunktioniert wurde, um Klassen der trotz der 1909 eröffneten Neuen Kantonsschule aus allen Nähten platzenden Kantonsschule aufzunehmen. Zu einer dieser Klassen gehörte 1920 Elias Canetti, der spätere Nobelpreisträger für Literatur. Mit der Eröffnung der Kantonsschule Rämibühl 1970 konnte die Kantonale Mittelschule für Erwachsene in den „Schanzenberg“ einziehen. Ihr folgte 2000-12 die Pädagogische Hochschule, danach die Universität. O.C.

Wohnhäuser, Wolfbachstrasse 33, 35, 39

Submitted by ottavio.clavuot on Fri, 08/27/2021 - 11:41

Nach der Niederlegung der Schanzen entstanden entlang des Wolfbachs neue Gewerbe- und Wohngebäude, die die bäuerlichen Bauten allmählich verdrängten. Typische Repräsentantin des dörflich-vorstädtischer Charakter von Siedlung und Architektur ist die seit 1837/38 an Stelle von zwei Bauernhöfen errichtete Häusergruppe, die nach 1850 ständig aufgestockt und erweitert wurde und 1881 mit dem Bau von zwei Mietshäusern (Nr. 39) ihr heutiges Aussehen erhalten hat.

Wolfbachstrasse 33, 35, 39
Ganz rechts der Neubau von 1881.

Die Neubauten von 1881 sind sogenannte Baumeisterhäuser – ein typisches Phänomen des raschen Wachstums der Zürcher Vororte nach 1830. Vor der Gründung des Eidgenössischen Polytechnikums (heute ETH) 1855 gab es in Zürich nur wenige, im Ausland geschulte akademische Architekten, wie z.B. Carl Ferdinand von Ehrenberg und Gustav Albert Wegmann, die für eine grossbürgerliche Bauherrschaft oder den Staat bauten. Die meisten Bauten wurden von handwerklich geschulten, lokalen Baumeistern für eine vorwiegend kleinbürgerliche Bauherrschaft oder auch als Spekulationsobjekte auf eigene Rechnung errichtet. Diese freistehenden, mehrgeschossigen, über rechteckigem, meist fast quadratischem Grundriss erstellten Wohn- und Gewerbebauten variierten alle das gleiche Grundmuster. Im Erdgeschoss lagen die Gewerberäumlichkeiten, in den Obergeschossen Etagenmietwohnungen (eine pro Geschoss).

Riesbach Baueingabepläne
Zum Vergleich: Baueingabepläne für ein Wohnhaus mit Gärtnerei, 1869.

Während das Erdgeschoss gemauert war, wurden die Obergeschosse als Fachwerkkonstruktion mit Bruchsteinausfachung erstellt. Erst als seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Zürich Grossbetriebe mit mechanischen Ziegelpressen und Ringöfen die handwerklich arbeitenden Ziegelhütten verdrängten, kamen zunehmend Ziegel zum Einsatz. Die Normierung des Backsteinformats durch den Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein 1883 verhalf dem Ziegel schliesslich zum Durchbruch und leitete die Standardisierung der Baumasse ein. Das äussere Erscheinungsbild der Baumeisterhäuser ist gekennzeichnet durch regelmässig befensterte Fassaden, zurückhaltend eingesetzten klassizistischen Bauschmuck, Satteldach und in vielen Fällen mit die Trauffront krönendem Zwerchgiebel. Erschlossen werden die Geschosse durch das meist in einer Gebäudeecke platzierte Treppenhaus, die Wohnungen in der Regel über einen schmalen Mittelkorridor. Ausgestattet sind die Wohnräume mit Holztäfelung, Tapeten, vorgefertigtem Stuckdekor an den Decken, Fliesen- und Parkettböden sowie Kanonenöfen. Die Küchen verfügen über Eisenherd und Schüttstein. Die Toiletten sind vom Treppenhaus aus zugänglich. O.C.

1947-86 lebte der Komponist Armin Schibler (1920-86), der von 1944 bis zu seinem Tod am Literargymnasium Musik unterrichtete, im Haus Wolfbachstrasse 33.

Rebberg und Villenquartier am Rämi

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:32

Am Rand der Zürcher Altstadt zwischen der ersten und der zweiten Geländeterrasse des Zürichbergs, an der Nahtstelle zwischen der historischen Stadt und den einstigen Bauerngemeinden Hottingen und Fluntern erstreckte sich das Gelände des bis 1832 dem Chorherrenstift Grossmünster gehörenden Rebberges „am Rämi“. Nach der liberalen Revolution 1830 und der danach eingeleiteten Entfestigung der Stadt, verkaufte der Staat das Areal parzellenweise.

Ausschnitt Müller Plan Rebberg Rämi

 Plan von Zürich, Johannes Müller, 1793. Ausschnitt. Links das Rämibollwerk, daran angrenzend der Rebberg und der Weiler am Wolfbach.

So entwickelte sich im Verlauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts „am Rämi“ zwischen den 1835-88 neu angelegten Trassees der Rämi-, Zürichberg-, Wolfbach-, Steinwies- und Freiestrasse ein stark durchgrüntes Villenquartier, während gleichzeitig entlang der Rämistrasse vom See über die Hohe Promenade und den Hottinger Boden bis hinauf zur Platte ein Gürtel von Staats-, Kultur- und Schulbauten entstand, in den sich auch die 1966-70 erbaute Kantonsschule Rämibühl einfügt. O.C.

Rebberg

Ballonaufnahme von Eduard Spelterini, 1909. Blick über die Neue und die Alte Kantonsschule Richtung Kunsthaus und See. Links das durchgrünte Villenareal am Rämi.

Wohn- und Geschäftshaus Fierz, Zürichbergstrasse 2, 4, 8

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:29

Hoch über dem ehemaligen Rämibollwerk erbaute der Zimmermeister und Gastwirt „Zum Pfauen“ Jakob Hottinger (1794-1848) 1845 das stattliche klassizistische Haus „Zum (oberen) Sonnenbühl“. Ursprünglich als Erziehungsinstitut genutzt, gelangte es bereits 1851 in den Besitz des Baumwollgrosskaufmanns Johann Heinrich Fierz, dem es als Wohn-, Büro- und Lagerhaus diente. 1864, als Fierz den aus Dresden zugewanderten Architekturprofessor am Polytechnikum, Gottfried Semper, mit der Planung eines Magazin- und Bürogebäudes sowie eines Pferdestalls mit Wagenremise beauftragte, gehörte ihm ein grosses Gelände im Villenquartier am Rämi, das sich L-förmig von der Zürichbergstrasse bis zum „(Kleinen) Freudenberg“ erstreckte. Nach Sempers Plänen wurden 1865-67 das Magazin, Büros und Wohnungen aufnehmende Haupthaus und der durch eine breite, zu Hof und Garten hinaufführende Treppe getrennte Nebenbau (möglicherweise Waschhaus oder Gärtnerwohnung) mit Pergola errichtet. Mit der an italienischen Palazzi des Cinquecento orientierten Architektur stellte Semper den Bauherrn in die Tradition einflussreicher Kaufleute der Renaissance. Der kompakte und mächtige Kubus erscheint gegen die Strasse hin mit kräftig rustiziertem, durch vergitterte Rundbogen aufgelockertem Sockelgeschoss und darüber glatter durch Lisenen und Gesimse, an den risalitartig vorspringenden äusseren Achsen durch Serliana und Balkone gegliederter Sandsteinfassade.

Wohn- und Geschäftshaus Fierz

Wohn- und Geschäftshaus Fierz. Foto um 1900.

Auf den höher gelegenen Hof und Garten öffnet er sich mit dem Hauptportal in einer doppelgeschossigen Loggia zwischen Eckrisaliten.

Zürichbergstrasse 2 Hoffront
Gartenfront des Wohn- und Geschäftshauses.

Der Park war mit französisch-geometrischem Teil und englischem Landschaftsgarten geplant und scheint in den späten 1880er Jahren von der Firma Froebel umgestaltet worden zu sein, wie eine 1886-89 für Fierz’ Witwe angefertigte Planzeichnung Otto Froebels und des aus Belgien stammenden Gartenarchitekten Evariste Mertens (1846-1907) nahelegt. Auf Anna Katharina Fierz-Locher geht auch der Umbau des „(Oberen) Sonnenbühls“ zurück, dem 1878 der Neurenaissance-Mittelrisalit auf der Hofseite angefügt wurde. O.C.

Oberes Sonnenbühl
An der Hoffassade des „(Oberen) Sonnenbühls“ kontrastiert der schlichte Klassizismus der 1840-er Jahre mit der monumental wirkenden Neurenaissance der 1870-er Jahre. 
Sonnenbühl Ökonomiegebäude
Das 1866-67 nach Motiven von Gottfried Semper errichtete Ökonomiegebäude mit Wohnung, Stall und Remise wurde 1966 für Tiefgarage und Sportplatz der Kantonsschule Rämibühl abgebrochen.

Escher-Häuser, Zeltweg 7-15 / Steinwiesstrasse 3-9

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:27

Bauherr der sogenannten „Escher-Häuser“ war der 1795-1814 in den USA mit Grundstück- und Kolonialwarenhandel reich gewordene Grosskaufmann und Vater Alfred Eschers, Heinrich Escher-Zollikofer (1776-1853). Seine Absicht, nach der Niederlegung des barocken Schanzenrings ein ganzes, einheitlich geplantes, städtisches Quartier an der neuen Anbindung des Hottinger Zeltwegs an die Altstadt anzulegen, stiess auf grossen Widerstand und konnte schliesslich nur in reduzierter Form realisiert werden. Dennoch sind die „Escher-Häuser“ Ausdruck der neuen wirtschaftlichen Dynamik im Kanton Zürich und der Urbanisierung der stadtnahen Bauerngemeinde Hottingen nach der liberalen Revolution 1830.

Escher Häuser

Escher-Häuser, Gebäudezeile am Zeltweg. Zeichnung um 1860.

Die stattliche, klassizistische, durch Risalite und den zentralen Hofdurchgang gegliederte Gebäudezeile am Zeltweg mit den zugehörigen Hinterhäusern errichtete der Architekt Leonhard Zeugheer 1836-40. Der sich über 31 Fensterachsen ersteckende Frontbau war das erste vornehme, als Kapitalanlage errichtete Mietshaus in Zürich.

Escher-Häuser Zeltweg 7-15
Die durch Grösse und zurückhaltende Gliederung wirkenden Vorderhäuser mit den herrschaftlichen Wohnungen. Foto 1962.

Die herrschaftlichen Wohnungen waren mit Wandtäfer, Kachelöfen mit Goldornamentik, Wand- und Deckenmalereien ausgestattet. In das repräsentative Appartement im Mitteltrakt (Nr. 11) zog die Tochter des Bauherrn, die Malerin Clementine Stockar-Escher (1816-86) mit ihrer Familie ein. Am Zeltweg 13 wohnte Richard Wagner 1849-57. Im Haus Nr. 9 lebten die Kinderbuchautorin Johanna Spyri 1886-1901 und der Komponist Paul Burkhard 1935-57. In Nr. 7 logierte der Komponist Rolf Liebermann 1948-50.

Escherhäuser Kachelofen
Klassizistischer Kachelofen in einer der Wohnungen des Vorderhauses. Foto 1989.

In den Hinterhäusern befanden sich die Wohnungen für die Dienstboten – ebenfalls ein Novum im städtischen Umfeld und Zeichen eines erwachenden sozialen Bewusstseins. Die dreiteilige, schlichte Häuserzeile mit Satteldach orientiert sich sowohl in der äusseren Gestalt als auch im Grundriss der für damalige Verhältnisse grosszügig dimensionierten Etagenwohnungen an den Kosthäusern der ländlichen Industriebetriebe des frühen 19. Jahrhunderts. O.C.

Escher-Häuser Steinwiesstrasse 3-9
Die schlicht gehaltenen, klassizistischen Hinterhäuser für das Dienstpersonal. Davor der Hof zwischen den beiden Häuserzeilen. Foto 1937.
Spinnerei Wollishofen Kosthäuser
Zum Vergleich: Pläne der Kosthäuser der Spinnerei Wollishofen, 1872.

Hottingen

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Vor 1830 war Hottingen eine verkehrstechnisch relativ isolierte, selbständige Bauern- und Handwerkergemeinde mit ländlicher Streusiedlung, Manufakturen (z.B. „Tapetenfabik“ am Zeltweg seit 1767) und aristokratischen Landsitzen (z.B. Beyel-Gut an der Freiestrasse/Klosbachstrasse). Durch den barocken Schanzenring von der Stadt abgeschnitten, war das Gemeindezentrum Hottingens am Baschligplatz zu Fuss durch die 1653 errichtete Hottinger-Pforte im Bereich des heutigen Heimplatzes (Pfauen) erreichbar, mit Pferd und Wagen nur über Stadelhofen – Kreuzplatz – Zeltweg – Gemeindestrasse.

Hottingen um 1793

Plan von Zürich, Johannes Müller, 1793. Ausschnitt. An den barocken Schanzenring angrenzend die Gemeinden Hottingen und Fluntern.

Mit der Niederlegung des Schanzenrings seit 1833 im Gefolge des liberalen Umsturzes 1830 entwickelte sich an der Stadtgrenze entlang des Wolfbachs (Wolfbachstrasse) ein vom schlichten Klassizismus der Baumeisterhäuser geprägtes Gewerbequartier, während im Bereich des ehemaligen Rebbergs am Rämi ein Villenquartier mit grosszügigen Gartenanlagen entstand, das sich rasch zu einem Ort des kulturellen Wirkens und des Austauschs vor allem aus Deutschland zugewanderter Literaten, Künstler, Gelehrter und politischer Aktivisten entwickelte.

Wildkarte Kanton Zürich

Wildkarte des Kantons Zürich, 1843. Ausschnitt.

Mit der Beseitigung der Schanzen und der Verbindung des Zeltwegs mit der neuen Rämistrasse 1836 verbesserte sich Hottingens verkehrstechnische Anbindung bis zum Bau der Hottingerstrasse 1871/72 nur geringfügig. Verbunden mit der Anlage dieser leistungsfähigen Verkehrsachse war die Eindohlung des Wolfbachs und die systematische, planmässige, angemessene Strassen und Freiplätze sichernde Erschliessung des Gemeindegebiets, wie sie 1873 mit dem Projekt für den Strassenraster zwischen Zeltweg und Hottingerstrasse angestrebt wurde.

Hottingen Projekt Strassennetz

„Projekt über das künftige Strassennetz im Baurayon Hottingen. Vorlage der erweiterten Gemeindebehörde an die Gemeindeversammlung vom 20ten Novbr 1873“.

Damit setzte der rasante Wandel zum gut erschlossenen, 1893 eingemeindeten, ein Jahr später von der ersten elektrischen Zürcher Tramlinie Bellevue – Pfauen – Römerhof – Kreuzplatz bedienten, grossstädtischen Quartier und Universitätsviertel mit vielerlei internationalen Bezügen ein. Rasch wurde das Gemeindegebiet mit repräsentativen Wohnbauten urbanen Charakters überzogen, die teilweise noch von Baumeistern, vermehrt jedoch von an der ETH akademisch geschulten, von Gottfried Semper geprägten Architekten errichtet wurden. O.C.