Aus dem liberalen Umsturz 1830 ging der moderne Kanton Zürich mit einer Stadt und Land politisch und wirtschaftlich einenden demokratischen Ordnung hervor. Die neue Verfassung vom März 1831 gewährte neben der gleichberechtigen, demokratischen Mitsprache der ländlichen und städtischen Bevölkerung auch Niederlassungsfreiheit sowie Handels- und Gewerbefreiheit. Mit einer Bildungsreform, die 1832 zum Ausbau der Volksschule und zur Gründung von Kantonsschule (Gymnasium) und Universität führte, sowie dem raschen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in der Stadt und auf dem Land legten die Liberalen weitere Grundlagen für den raschen wirtschaftlichen und demografischen Aufschwung Zürichs. Städtebaulich wird diese Entwicklung in der Niederlegung des barocken Schanzenrings 1833-42 und der Nutzung des dadurch frei werdenden Geländes für Strassen (z.B. Rämistrasse, 1836 angelegt), Kulturbauten des neuen Staatswesens (z.B. Alte Kantonsschule und Universität) und private Wohn- und Gewerbebauten (z.B. „Schanzenberg“) sowie im raschen Wachstum der stadtnahen Gemeinden (z.B. Hottingen) fassbar. O.C.
„Malerischer Plan der Stadt Zürich und ihrer Umgebungen“, Zeichnung von Franz Schmid, Aquatintablatt, verlegt bei Hans Felix Leuthold, 1846/47. Ausschnitt.
Vermutlich errichteten bereits im 16. Jahrhundert die ersten wohlhabenden Zürcher Bürger Landsitze vor den Toren der Stadt. Eines der ältesten Häuser, die diesem Zweck dienten, war das „Steinhaus“ am Standort des heutigen Wohn- und Theaterkomplexes „Zum Pfauen“. Im 18. Jahrhundert verlottert, wurde es nach der Niederlegung der Schanzen und der Verbindung des Zeltwegs mit der Altstadt (1834), der Anlage von Rämi- (1836) und Hottingerstrasse (1871/72) sowie dem Bau der Quaibrücke (1882-84) zum Spekulationsobjekt an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt zwischen Altstadt und Hottingen, Enge und Fluntern.
Hier eröffnete Heinrich Hürlimann aus Dürnten 1879/80 das Restaurant „Zum Pfauen“, fügte ihm 1882 nach dem Kauf des „Steinhauses“ einen Gartenpavillon an, den er schon ein Jahr später als „Concert-Halle Pfauen“ bewarb und kurz darauf zum „Flora-Theater im Pfauen“ umbaute. Der sommerliche Amüsierbetrieb florierte, so dass Hürlimann in den folgenden Jahren sämtliche Nachbargebäude erwarb und 1888/89 von Alfred Chiodera und Theophil Tschudy den heute noch weitgehend erhaltenen Gebäudeblock errichten liess. Der als repräsentativer Hottinger Torbau gestaltete Komplex ist eine der ersten Zürcher Arealüberbauungen. Rentable Wohnhäuser mit schlossartig gestalteter, neubarocker Fassade in den Randbereichen an Zeltweg und Hottingerstrasse umschliessen einen rückwärtigen Kuppelsaal mit Galerie und Bühne für etwa 800 Personen im weniger attraktiven Mittelteil hinter dem Torbau gegen die Rämistrasse.
Der von Heinrich Hürlimann neu erbaute Pfauenkomplex, um 1900.
Das „Volkstheater am Pfauen“ bewirtete während der populären Schwank-, Tanz- und Musikaufführungen die an Tischen sitzenden Zuschauer.
Der Saal des Pfauentheaters. Lithographie, um 1890.
1901 wurde der inzwischen stark heruntergekommene Pfauen-Saal vom Stadttheater Zürich übernommen, dessen Direktor Alfred Reucker (1868-1958) anspruchsvolles Sprechtheater auf die Bühne brachte und bis Anfang der 1920er Jahre den Ruf des Schauspielhauses als eines der bedeutenden deutschsprachigen Theater begründete. 1926 übernahm der Händler, Fabrikant und Verleger Ferdinand Rieser (1886-1947), seit 1922 Mehrheitsaktionär der Theater AG, die Leitung des Schauspielhauses. Er unterzog das Theater nach Plänen von Otto Pfleghard d. Ä. (1869-1958) und Max Häfeli (1869-1941) einer umfassenden Renovation und Modernisierung: Die Bühne wurde vergrössert, ebenso der in den Farben Rot, Weiss, Gold gestaltete, bis heute erhaltene schlicht-elegante Art-déco-Zuschauerraum. Hinzugefügt wurden Foyer und Garderoben. Die Infrastruktur für die Schauspieler blieb prekär. Dies sollte sich erst mit der Totalsanierung 1976/77 ändern, nachdem das 1964 von Jörn Utzon (1918-2008) vorgelegte Projekt eines Schauspielhausneubaus unterhalb der Alten Kantonsschule, da wo sich nun David Chipperfields Erweiterungsbau des Kunsthauses erhebt, gescheitert war. O.C.
Der 1926 umgebaute Zuschauerraum des Schauspielhauses nach der Renovation 1976/77.
Mit dem nach der liberalen Revolution 1832 vom Grossen Rat beschlossenen Unterrichtsgesetz wurde die obligatorische Volksschule eingeführt und die Rechtsgrundlage geschaffen für die Gründung der Kantonsschule und der Universität. So nahm die Kantonsschule Zürich 1833 den Schulbetrieb in zwei selbständigen Abteilungen auf: dem neuhumanistischen Gymnasium (heute Real- und Literargymnasium) und der berufsbildenden Industrieschule (heute MNG Rämibühl). Bis zum Bau eines neuen Schulgebäudes für 300 bis 400 Schüler auf dem Rämibollwerk 1839-42 war die Kantonsschule im alten, 1844 abgebrochenen Stiftsgebäude beim Grossmünster untergebracht. Lange umstritten waren Standort und Architekturstil des Schulhausneubaus. Der schliesslich beauftragte Gustav Albert Wegmann nutzte die prominente Lage auf dem einstigen Bollwerk zur machtvollen Inszenierung des liberalen Bildungsgedankens und des neuhumanistischen Bildungsideals. Erschlossen wird der gesockelte, viergeschossige, klassizistische Kubus mit einem von Blechzinnen verdeckten, zum Innenhof geneigten Pultdach talwärts von einer breiten Freitreppe, die vom Exerzier- und Turnplatz (heute Erweiterungsbau des Kunsthauses) zum Schulgebäude hinaufführte.
Alte Kantonsschule mit Turnschopf, Turnplatz und Wolfbach-Bassin, Zeichnung von Siegfried, um 1849. Koloriertes Aquatintablatt, erschienen bei Heinrich Füssli & Cie., 1850.
Der dem Bau zugrunde liegende Raster von acht mal sieben bis auf die Portale identischen Fensterachsen wird in der strengen, nur sparsam mit dekorativen Terracotta-Elementen belebten Geometrie der Fassaden- und Fenstereinteilung sichtbar. Die Schulzimmer sind um einen Innenhof angeordnet, der für die Belichtung der Korridore sorgt. Als Vorbild für die Gesamtform, die Stockwerkzahl, die Fassadengliederung sowie für die Grösse und Form der Fenster dieses Pioniers des Schulhausbaus diente Wegmann die 1832-35 von Karl Friedrich Schinkel als Sichtbacksteinbau errichtete Bauakademie in Berlin. Nicht übernommen hat Wegmann Konstruktion und Material seines Vorbilds. Da Ziegel in Zürich um 1840 noch nicht in der erforderlichen Qualität produziert wurden und der Regierungsrat verputzte Mauerflächen wünschte, wählte Wegmann die traditionelle Holzsprengwerkkonstruktion. O.C.
Alte Kantonsschule, Südfassade mit vorgelagerter Freitreppe.
Nach dem Zusammenschluss der 1787 von Künstler und Kunstliebhabern gegründeten Künstlergesellschaft und des 1895 ins Leben gerufenen Vereins Künstlerhaus im Jahr 1896 zur Zürcher Kunstgesellschaft, begann diese 1902 mit der Planung eines neuen Museumsbaus für die Sammlung der Künstlergesellschaft und einer Kunsthalle für temporäre Ausstellungen. Der vorgesehene Standort im Garten des von Johann Heinrich Landolt (1831-85) der Stadt vermachten, im Tausch für das Künstlergüetli der Kunstgesellschaft überlassenen Familiensitzes „Zum Lindenthal“ war ideal: Nach der Niederlegung der Schanzen und der Anbindung des Zeltwegs (1834), der Anlage von Rämi- (1836) und Hottingerstrasse (1871/72) sowie des Baus der Quaibrücke (1882-84) war die Kreuzung nördlich des „Lindenthals“ zu einem zentralen Verkehrsknotenpunkt zwischen Altstadt und Hottingen, Enge und Fluntern geworden. Zusammen mit dem Schauspielhaus im Theater „Zum Pfauen“ bildet das Kunsthaus heute den Auftakt zur Kulturmeile, die sich seit dem Bau der Alten Kantonsschule entlang der Rämistrasse entwickelt hatte. Diese städtebauliche Situation manifestiert sich im 1907-10 von Karl Moser als Tempel der Kunst und Tor zur Altstadt gestalteten, aus zwei Baukörpern bestehenden Museumskomplex. Im Gegensatz zu Gustav Gull, der das Landesmuseum 1892-98 als Nationalmonument konzipiert hatte, dessen spätmittelalterliche Architekturanleihen die Blütezeit der Alten Eidgenossenschaft beschworen, bezog sich Moser auf die Antike als Blütezeit der Kunst, indem er eine Formensprache wählte, die einem nüchternen, griechisch geprägten Jugendstil verpflichtet ist.
Der den Platz dominierende, dreigeschossige, kubische Hauptbau mit tempelartigem Eingang und monumentalem Metopenfries unter der mächtigen Pyramide des Glasdachs nahm die Verwaltung, den grosszügigen Treppenaufgang zur doppelgeschossigen, lichthofartigen Halle sowie die Räume und den grossem Oberlichtsaal für die Sammlung auf. Den zweigeschossigen, niedrigeren grosszügig befensterten Ausstellungstrakt mit abgewinkelten Ecken gegen die Rämistrasse, dessen obere Fassadenhälfte eine toskanische Säulenarchitektur mit Nischenfiguren feingliedriger erscheinen lässt, überspannt ebenfalls ein Glaswalmdach.
Im Sinne eines Gesamtkunstwerks hat Moser Architektur, Bauplastik, Ausstattung und Ausstellungsgut zu einer Einheit verbunden. Das von der Wiener Sezession inspirierte Innere umgibt durch die Wandbilder von Ferdinand Hodler und Cuno Amiet in der Halle, die üppigen, Akzente setzenden Ornamente, die farbige Wand- und Bodenverkleidung in erlesenen Materialien sowie die darauf abgestimmten Möbel und Leuchter die gezeigte Kunst mit einer sakrale Aura.
Das rasche Wachstum der Sammlung machte schon bald eine erste Erweiterung nötig, die Moser in Anlehnung an den Hauptbau 1924-26 als Kubus mit Glaswalmdach zwischen Altbau und „Lindenthal“ (1972 abgebrochen) realisierte. Die verglichen mit dem Altbau karge, den Funktionalismus der niederländischen Moderne aufnehmende Architektur der Ausstellungsräume konzipierte Moser nun als diskreten, neutralen Hintergrund der ins Zentrum gerückten Bilder und Skulpturen.
Während der 1954-58 zu Mosers Kunsthaus hinzugefügte„Bührle-Bau“ den Altbau mit dem Erweiterungsbau nördlich des Platzes verbindet, ist der 1973-76 angebaute Ausstellungstrakt vom Heimplatz aus nicht sichtbar.O.C.