Fachwerk

Villa „Tanneck“, Rämistrasse 68

Submitted by ottavio.clavuot on Mon, 12/13/2021 - 13:58

Ursprünglich 1842-43 als Villa „Sonneck“ für August Adolf Ludwig Follen erbaut, war das Haus wie bereits Follens erstes Domizil, das „(Untere) Sonnenbühl“ an Stelle der heutigen Aula Rämibühl bis 1847 Treffpunkt einheimischer und aus Deutschland zugewanderter Literaten, Künstler, Gelehrter und Politiker. Damit trug Follen zur Entwicklung Hottingens zu einem Zürcher Zentrum des internationalen kulturellen und politischen Austauschs bei. Im Geist der Spätromantik hatte Follen das „Sonneck“ in der Form eines spätmittellaterlichen Landsitzes als zweistöckigen Kubus mit gotisierenden Treppengiebeln und einem Turm mit Belvedere entwerfen lassen.

Sonneck, Unteres Sonnenbühl
Über der Kurve der Rämistrasse das Schlösschen "Sonneck", oberhalb des Wolfbachs Follens erste Villa "Unteres Sonnenbühl". Ausschnitt aus dem „Malerischen Plan der Stadt Zürich und ihrer Umgebungen“, Zeichnung von Franz Schmid, Aquatintablatt, verlegt bei Hans Felix Leuthold, 1846/47.

Nach mehreren Handänderungen gelangte das Haus 1897 an Nanny (Anna) Bruppacher (1849-1933). Nun als „Tanneck“ wurde die Villa 1897/98 vom Semper-Schüler und Meister des Zürcher Historismus, dem Direktor von Gewerbemuseum und Kunstgewerbeschule Albert Müller (1846-1912) im Auftrag der neuen Eigentümerin umgebaut. Anstelle von Turm und Treppengiebeln versah er das Haus mit mittelalterlich wirkenden Erkern, neuromanischen Fenstergruppen, Fachwerkelementen, gusseisernem Verandavorbau und hohem, mit Helmstangen besetztem mächtigem Walmdach.

Rämistrasse 68
Fassade gegen die Rämistrasse und Eingangsseite mit Windfang und grossen Treppenhausfenstern.

Aus dem symmetrischen Schlösschen wurde so ein im Innern reich mit Parkettböden, Vertäfelungen, Stuckdecken ausgestattetes, komfortables Wohnhaus über unregelmässigem Grundriss mit räumlich und formal abwechslungsreich gestalteten Fassaden. O.C.  

Rämistrasse 68
Gartenfassaden mit mehrgeschossigem Erker und grosszügigen Veranden.

Alte Kantonsschule, Rämistrasse 59

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:36

Mit dem nach der liberalen Revolution 1832 vom Grossen Rat beschlossenen Unterrichtsgesetz wurde die obligatorische Volksschule eingeführt und die Rechtsgrundlage geschaffen für die Gründung der Kantonsschule und der Universität. So nahm die Kantonsschule Zürich 1833 den Schulbetrieb in zwei selbständigen Abteilungen auf: dem neuhumanistischen Gymnasium (heute Real- und Literargymnasium) und der berufsbildenden Industrieschule (heute MNG Rämibühl). Bis zum Bau eines neuen Schulgebäudes für 300 bis 400 Schüler auf dem Rämibollwerk 1839-42 war die Kantonsschule im alten, 1844 abgebrochenen Stiftsgebäude beim Grossmünster untergebracht. Lange umstritten waren Standort und Architekturstil des Schulhausneubaus. Der schliesslich beauftragte Gustav Albert Wegmann nutzte die prominente Lage auf dem einstigen Bollwerk zur machtvollen Inszenierung des liberalen Bildungsgedankens und des neuhumanistischen Bildungsideals. Erschlossen wird der gesockelte, viergeschossige, klassizistische Kubus mit einem von Blechzinnen verdeckten, zum Innenhof geneigten Pultdach talwärts von einer breiten Freitreppe, die vom Exerzier- und Turnplatz (heute Erweiterungsbau des Kunsthauses) zum Schulgebäude hinaufführte.

Alte Kantonschule

Alte Kantonsschule mit Turnschopf, Turnplatz und Wolfbach-Bassin, Zeichnung von Siegfried, um 1849. Koloriertes Aquatintablatt, erschienen bei Heinrich Füssli & Cie., 1850.

Der dem Bau zugrunde liegende Raster von acht mal sieben bis auf die Portale identischen Fensterachsen wird in der strengen, nur sparsam mit dekorativen Terracotta-Elementen belebten Geometrie der Fassaden- und Fenstereinteilung sichtbar. Die Schulzimmer sind um einen Innenhof angeordnet, der für die Belichtung der Korridore sorgt. Als Vorbild für die Gesamtform, die Stockwerkzahl, die Fassadengliederung sowie für die Grösse und Form der Fenster dieses Pioniers des Schulhausbaus diente Wegmann die 1832-35 von Karl Friedrich Schinkel als Sichtbacksteinbau errichtete Bauakademie in Berlin. Nicht übernommen hat Wegmann Konstruktion und Material seines Vorbilds. Da Ziegel in Zürich um 1840 noch nicht in der erforderlichen Qualität produziert wurden und der Regierungsrat verputzte Mauerflächen wünschte, wählte Wegmann die traditionelle Holzsprengwerkkonstruktion. O.C.

Alte Kantonschule

Alte Kantonsschule, Südfassade mit vorgelagerter Freitreppe.