Als Sohn eines Auslandschweizers in New Jersey geboren, wuchs William Dunkel in Buenos Aires und Lausanne auf. Nach dem Studium in Dresden 1912-17 kam er als Maler, Reklamezeichner und Architekt in Düsseldorf in Kontakt mit Paul Klee, Otto Dix, Max Liebermann und Oskar Kokoschka. 1923 eröffnete er ein eigenes Architekturbüro und erlangte durch verschiedene Wettbewerbserfolge im Rheinland und Ruhrgebiet, wie etwa durch das Brückenkopfgebäude Rheinpark in Düsseldorf (1926), Bekanntheit.
Expressive Kohlezeichnung des Wettbewerbsprojekts zum Brückenkopfgebäude des Rheinparks in Düsseldorf, mit dem William Dunkel 1926 den 1. Preis gewann.
Als Professor 1929 nach Zürich berufen, unterrichtete er bis 1959 an der ETH und entwarf zahlreiche Bauten in der Schweiz und im Ausland, so zum Beispiel das Stadion Letzigrund in Zürich (1957-58) oder die National Bank of Iraq in Bagdad (1954).
Zu seinen Studenten zählten unter anderem Max Frisch und Jakob Zweifel. Dunkel, ein undogmatischer Vertreter des Neuen Bauens, verstand sein architektonisches Schaffen ähnlich wie Le Corbusier primär als künstlerischen Akt und blieb Zeit seines Lebens auf Distanz zu Rationalisten wie Walter Gropius oder Mies van der Rohe.
Dies wird am Geschäftshaus „Rämibühl“ wie auch an seinem 1961 vom Volk verworfenen Projekt für das neue Zürcher Stadttheater (Opernhaus), das sich an Alvar Aaltos Theater in Essen orientierte, deutlich. O.C.
Modell des 1961 erstprämierten Wettbewerbsprojekts von William Dunkel zum Neubau des Zürcher Stadttheaters.
Der Geschäftshauskomplex besteht aus dem Vorderhaus an der Rämistrasse und dem durch einen Hof getrennten, tiefer liegenden Hinterhaus. Er wurde im Auftrag des Musikhauses Jecklin nach Plänen von William Dunkel 1957-58 durch die Ernst Göhner AG in den Formen der klassischen Moderne erbaut. An der Rämistrasse präsentiert er sich als kubisch wirkender, viergeschossiger Eisenbeton-Skelettbau über rechteckigem Grundriss mit zurückversetztem Attikageschoss. Über dem eng stehenden Stützenraster des strassen- und hofseitig verglasten Erdgeschosses rahmen hellgestrichene, vorkragende Betonscheiben die quadratischen, gelb gefassten Drehflügelfenster mit integriertem Sonnenschutz und Leichtmetallbrüstung der drei Obergeschosse. Im Gegensatz zu den transparent wirkenden Langseiten dominieren an den Schmalseiten die Betonflächen, die durch die in der Achse des zentralen Korridors ausgeschnittenen Fenster und die geschossübergreifenden Schlitze des Treppenhauses belebt werden. Das fein auskragende Vordach über den strassenseitigen Fenstern des Erdgeschosses schützt auch die an der unteren Schmalseite zum Haupteingang hinaufführende Freitreppe.
Während in den Obergeschossen Praxisräume, Büros, Ateliers und Werkstätten eingerichtet wurden, nahmen das Erdgeschoss und das gegen den Hof verglaste Untergeschoss bis 2003 das „Disco-Center Jecklin“ auf.
Der trapezförmige, vierstöckige Baukörper des Hinterhauses ist über eine zweigeschossige Hofunterkellerung mit dem Vorderhaus verbunden. Seine äussere Erscheinung wird bestimmt durch drei Betonwandscheiben in Gebäudehöhe – eine die Schmalseite bildend, je eine gegenüberliegend an den Trapezarmen – und die sie verbindenden Glasfronten, deren schmale Fensterachsen durch ein Raster filigraner Metallprofile und -panele strukturiert wird. OC.
Deutschen Vorbildern entsprechend liess der Katholische Gesellenverein 1888-89 das erste Gesellenhaus der Schweiz nach Plänen von Alfred Chiodera und Theophil Tschudy errichten, um hundert wandernden Handwerksburschen Kost und Logis anbieten zu können. Finanziert wurde der fünfgeschossige, L-förmige Bau durch Mitgliederbeiträge, Spenden und einen Kredit der Schwyzer Kantonalbank. Unter dem mächtigen Walmdach befand sich der in vorne und oben offene Kojen unterteilte Schlafsaal. Die unteren Geschosse nahmen Büros, Fremdenzimmer, Küche, Speisesaal, Restaurant, Aufenthaltsräume, Kegelbahn und den zweigeschossigen Festsaal mit ionischen Kolossalsäulen und Emporen auf.
Gegen die Wolfbachstrasse ist die historistische Sichtbacksteinfassade mit kräftigem Bruchsteinsockel, prunkvollem Neurenaissance-Portal und Pilasterordnung mit grosszügigen Bogenfenstern in den Obergeschossen repräsentativ gestaltet. Elemente des Schweizer Holzstils schmücken die Lukarnen.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Zürichs nach der Bundesstaatsgründung 1848 und der Garantie der Glaubensfreiheit durch die neue Bundesverfassung nahm die Zuwanderung aus katholischen Gebieten der Schweiz und des Auslands sprunghaft zu. Die Lebensbedingungen der Arbeitsuchenden waren oft schwierig, ganz besonders für die wandernden Gesellen. So wurde 1863, angeregt durch die vom Kölner Priester Adolph Kolping (1813-65) 1849 initiierte religiöse und sozialreformerische Gesellenbewegung, der Katholische Gesellenverein (heute Kolpinghausverein Zürich) in Zürich gegründet. Durch Bildung und religiös-soziale Bindung sollten gesellschaftlicher Abstieg, Entfremdung vom Christentum und sozialistisch-kommunistische Beeinflussung der wandernden Gesellen verhindert werden. Vor der Errichtung der Liebfrauenkirche (1893/94) und der Sankt Antoniuskirche (1907) war das Gesellenhaus zudem das kirchliche Zentrum für die rund 17’000 Stadtzürcher Katholiken rechts der Limmat. Der rund 700 Personen fassende Festsaal diente der katholischen Diaspora für Bazare, Ausstellungen, Tagungen, Feiern und der untere Saal 1891-1907 auch als Kirchenraum.
Mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 brach die Belegung des Gesellenhauses ein, da die ausländischen Gesellen in ihre Heimat zurückkehrten. Nach dem Krieg erholte sich der Betrieb nur langsam und litt trotz Modernisierung des Hauses 1929 erneut unter dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und des 2. Weltkriegs. Angesichts des wachsenden Wohlstands und Individualismus seit den 1950er Jahren entsprachen das karge Wohnangebot und der reglementierte Tagesablauf des Gesellenhauses immer weniger den gesellschaftlichen Bedürfnissen, so dass der Verein das Haus schliesslich 1980 verkaufte. Bis 1994 scheiterten alle Bemühungen um eine neue Zweckbestimmung und Sanierung des Gebäudes, dessen Inneres 1984 noch vor einer Unterschutzstellung gezielt zerstört wurde. So wurde 1994/94 innerhalb der alten, sorgfältig restaurierten Fassaden ein vollständig neues Büro- und Wohnhaus errichtet. O.C.
Als Sohn eines Beamten in Pforzheim geboren, studierte Emil Georg Bührle in Freiburg, München und Berlin Germanistik und Kunstgeschichte. Das Fronterlebnis als Kavallerieoffizier im Ersten Weltkrieg und die Nachkriegssituation in Deutschland führten zur beruflichen Umorientierung. 1919 beteiligte er sich als Mitglied eines Freikorps an der Niederschlagung des Spartakisten-Aufstands in Berlin. Im gleichen Jahr trat er in die Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik ein, die ihn 1924 zur Sanierung der 1923 erworbenen, maroden Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) nach Zürich schickte. Ganz im Interesse des Auftraggebers an der Umgehung der Rüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags setzte Bührle auf die Entwicklung und die Produktion einer 20mm-Flabkanone, die mit Munition und Zubehör bald in vielen Ländern Europas und Asiens Abnehmer fand. Mit dem Geld seines Schwiegervaters, des Magdeburger Bankiers Ernst Schalk, erwarb er 1929 die Aktienmehrheit der WO und wurde 1937 – im Jahr seiner Einbürgerung in der Schweiz – alleiniger Eigentümer. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Bührle, der über gute Kontakte zu hohen NS-Funktionären verfügte, mit Billigung des Bundesrats zum wichtigsten Schweizer Waffenlieferanten der Achsenmächte.
Gleichzeitig produzierten die USA und Grossbritannien Oerlikon-Bührle-Geschütze in Lizenz. Bührles Vermögen nahm sprunghaft von 8.5 Mio. auf 170,7 Mio. Franken zu. Bei Kriegsende der reichste Schweizer, wurde er einerseits als Aufsteiger, „grösster und skrupellosester Kriegsgewinnler“ und „Nazi-Freund“ heftig angefeindet und war andererseits bestens mit wirtschaftsliberalen und antikommunistischen Kreisen vernetzt sowie als Mäzen geschätzt. Mit dem Beginn des Kalten Kriegs und dem Ausbruch des Koreakriegs 1950 kam das Waffengeschäft der WO, deren ballistische Raketen sehr begehrt waren, erneut in Schwung, und Bührle konnte es sich erlauben, ohne Rücksicht auf die Schweizer Aussenpolitik Rüstungsgüter zu exportieren. In der Folge entwickelte sich das Unternehmen zu einem weitgefächerten Konzern.
Nach dem Erwerb erster Bilder seit 1920 hatte Bührle ab Mitte der 1930er Jahre begonnen, eine neben mittelalterlichen Plastiken und Gemälden alter Meister vor allem Bilder des französischen Impressionismus und der klassischen Moderne umfassende Kunstsammlung aufzubauen. Während er den Grossteil der schliesslich über 600 Bilder nach 1945 auf dem internationalen Kunstmarkt erstand, hatte er während des Zweiten Weltkriegs ohne Bedenken auch Bilder aus geraubten Beständen gekauft. Als Förderer der Kultur gründete er verschiedene Stiftungen und finanzierte den 1958, zwei Jahre nach seinem Tod, eröffneten Ausstellungssaal des Kunsthauses („Bührle-Bau“). Im 2021 eingeweihten Erweiterungsbau des Kunsthauses ist die 1960 von den Erben in eine Stiftung eingebrachte, der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Sammlung ein Kernstück der Ausstellung. O.C.
Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, der den Bundesstaat einer inneren Zerreissprobe ausgesetzt, die international stark vernetzte Schweizer Wirtschaft massiv getroffen und den sozialen Frieden schwer erschüttert hatte, führten zur Rückbesinnung auf nationale Werte und Interessen. In den 1920er Jahren forcierten die von der russischen Revolution und vom italienischen Faschismus ausgehende Bedrohung zusammen mit den neuen Möglichkeiten von Radio und Film zur Verbreitung totalitärer Ideologien das Bestreben, die Unabhängigkeit und den demokratischen Rechtsstaat auch in Friedenszeiten mit politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mitteln zu verteidigen. Mit der Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland 1933 intensivierten Schweizer Politiker, Intellektuelle und Medienschaffende ihre Bemühungen um die Stärkung der kulturellen Grundwerte der Eidgenossenschaft und um einen inneren Schulterschluss über alle Klassen- und Parteigrenzen hinweg. Bundesrat Philipp Etter formulierte in der Botschaft vom 9. Dezember 1938 die Idee der Geistigen Landesverteidigung offiziell: Als Willensnation gründet die Schweiz auf der Bereitschaft der Bürger, für die gemeinsamen Werte der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie und des Föderalismus mit ihrem Leben einzustehen. Diese geistigen Werte und die nationale Schicksalsgemeinschaft, die sich im Gotthardmassiv als Symbol der Einheit und Vielfalt, der Freiheit und Wehrhaftigkeit providentiell verkörpern, gilt es neu ins Bewusstsein zu rufen.
Das Konzept war so offen und allgemein, dass sich mit Ausnahme der Frontisten und eines Teils der Kommunisten alle politischen Strömungen damit identifizieren konnten. Im gleichen Jahr entstanden auch ikonische Inszenierungen der Geistigen Landesverteidigung, wie z.B. der von Hermann Haller und Leopold Lindtberg gedrehte Film „Füsilier Wipf“ oder die Aufführungen des „Götz von Berlichingen“ und des „Wilhelm Tell“ am Zürcher Schauspielhaus mit Heinrich Gretler in den Titelrollen. Mit dem Beginn des Kalten Krieges Ende der 1940er Jahre erfuhr die Geistige Landesverteidigung bis in die ausgehenden 1960er Jahre eine Wiederbelebung.
Bereits 1925 wurde die Idee einer Landesausstellung in Zürich lanciert, doch erst 1935 beschloss der Bundesrat deren Unterstützung. Seit der Bundesstaatsgründung 1848 dienten die Landesausstellungen der Inszenierung der nationalen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Erstmals 1914 wurde eine Landesausstellung zur Demonstration des Willens zur bewaffneten Neutralität instrumentalisiert. Ganz im Dienst der Geistigen Landesverteidigung stand die Zürcher Landesausstellung 1939. Der 1936 zum Direktor der „Landi“ bestellte Architekt Armin Meili konzipierte eine thematisch geordnete Schau, die das Bild einer wehrhaften, innovativen, modernen, bodenständig in ihren regionalen und bäuerlichen Traditionen verwurzelten Schweiz vermitteln sollte. Auf dem linken Seeufer wurde die Schweiz als Industrie-, Wissenschafts-, Technik-, Tourismus- und Modenation präsentiert.
Neben Themen wie Energieversorgung, Städtebau und Verkehr standen vor allem „Heimat und Volk“ im Zentrum. Der von Fahnen überdachte „Höhenweg“ durchzog auf 700 Metern als Rückgrat und sakrale Selbstvergewisserung der Eidgenossenschaft das Ausstellungsgelände. Er erschloss Pavillons zu Geschichte und Werten der Schweiz, so auch zur „Wehrbereitschaft“, die durch eine monumentale Soldatenskulptur des Bildhauers Hans Brandenberger verkörpert wurde.
Die „Landi“ sollte nicht nur durch Belehrung, sondern auch als kollektives Erlebnis zur Gemeinschaftsbildung beitragen. Das Vergnügen durfte daher nicht zu kurz kommen. Dieses garantierte u.a. der „Schifflibach“, der sich grosser Beliebtheit erfreute.
Ausstellungsgelände, Pavillons, Skulpturen, Wandbilder und Ausstellungsgut waren als szenografische Einheit konzipiert. Als Chefarchitekt der Landesausstellung setzte Hans Hofmann (1897-1957), ein Schüler Karl Mosers, konsequent auf eine funktionalistische Holz-Leichtbauweise in Kombination mit neuen Materialien, wie Aluminium, und mit experimentellen Formen.
Die gemässigte architektonische Moderne der „Landi“ hob sich damit deutlich von den wuchtigen Prestigebauten der totalitären Diktaturen ab und galt fortan als schweizerische Form der Moderne. Durch eine Luftseilbahn über den See war das Gelände in der Enge mit dem der traditionellen, bäuerlichen Schweiz gewidmeten Teil der „Landi“ am rechten Seeufer verbunden. Inspiriert von der Natur- und Heimatschutzbewegung verklärte im „Dörfli“ am Zürichhorn ein Potpourri ländlicher Bauten in verschiedenen Regionalstilen das vormoderne Leben und zelebrierte mit Trachtenschau und -fest die nationale kulturelle Eigenständigkeit.
Die von Anfang Mai bis Ende Oktober 1939 dauernde Landesausstellung wurde durch Kriegsausbruch und Mobilmachung am 1. September endgültig zum nationalen Wallfahrtsort. Schliesslich verzeichnete sie 10 Millionen Besucher. 40‘000 Artikel und 15‘000 Bilder in der Schweizer Presse, Plakate und Postkarten, Briefmarken und Broschüren feierten das Ereignis, so dass die „Landi“ auf lange Zeit tief im kollektiven Gedächtnis verankert blieb. O.C.
Als Sohn eines Chemielaboranten in Zürich geboren, unterrichtete Heinrich Gretler nach der Ausbildung am Lehrerseminar Küsnacht 1916-18 als Landschul- und Privatlehrer. Gleichzeitig nahm er Schauspiel- und Gesangsunterricht. Erste Rollen als professioneller Schauspieler erhielt er 1918 am Stadttheater Zürich (heute Opernhaus), 1919 am Schauspielhaus und 1924 als Landenberg im Tell-Film „Die Entstehung der Eidgenossenschaft“. 1926 ging er nach Berlin, wo er sich schon bald einen Namen machte. Von 1928-30 an der Volksbühne, danach am Theater am Schiffbauerdamm, brach er im Frühjahr 1933 mit Bertolt Brechts Stück „Das kleine Mahagonny“ zu einer Tournee nach Paris und London auf. Abgestossen von der nationalsozialistischen Machtergreifung, kehrte er im gleichen Jahr nach Zürich zurück, wo er bis 1940 im Ensemble des politischen „Cabaret Cornichon“ und bis 1945 auf der Bühne des Schauspielhauses in zahlreichen Hauptrollen spielte. Dazwischen gastierte er als freier Schauspieler an zahlreichen Schweizer Bühnen.
Durch seine Auftritte im „Cabaret Cornichon“ wurde Gretler zur Personifikation des bodenständigen, knorrigen, witzig-gutmütigen und freiheitsliebenden Schweizers. Mit der Rolle als Heinrich Leu in der Verfilmung des Romans „Füsilier Wipf“ von Robert Faesi (1883-1972) und als Götz von Berlichingen in Goethes gleichnamigem Drama 1938 erhielt sein Wirken auch eine politische Dimension im Rahmen der „Geistigen Landesverteidigung“.
Bei der Aufführung des Götz von Berlichingen auf der „Pfauen“-Bühne riss er das Publikum mit seiner Darstellung des Freiheitshelden mit. Gänzlich zum vaterländischen Erlebnis wurde seine Interpretation des Wilhelm Tell seit 1939. Der Tagesanzeiger vom 28.1.1939 schrieb zur Premiere am Schauspielhaus: „Deshalb wollen wir auch sagen, dass diese Tellaufführung für uns eine Tat echter Landesverteidigung war, ein Ruf der Selbstbesinnung, ein Mahnruf der ewigen Stimme der Freiheit der Eidgenossenschaft.“ Bis 1946 sahen ungefähr 500'000 Zuschauer Gretler als Tell. Nach Kriegsende wandte er sich vermehrt dem Film zu und trat nur noch selten auf der Bühne auf. Einem breiten Publikum prägte er sich als Wachtmeister Studer in zwei Romanverfilmungen nach Friedrich Glauser, als Darsteller in zahlreichen deutschen Heimatfilmen der 1950er Jahre und als Alpöhi in den Verfilmungen von Johanna SpyrisHeidi (1952/55) ein.
Seit 1963 wieder in der Schweiz, arbeitete er vorwiegend als Fernsehschauspieler. Insgesamt wirkte er in über 120 Filmen mit. O.C.
Heinrich Hürlimann, gelernter Küfer aus Dürnten, entwickelte sich seit der Eröffnung des Gasthofs „Zum Pfauen“ 1879 zum umtriebigen und erfolgreichen Unternehmer im Zürcher Unterhaltungs- und Erholungsbusiness. Nachdem er 1888/89 den heute noch weitgehend erhaltenen Wohn- und Theaterkomplex „Zum Pfauen“ von Alfred Chiodera und Theophil Tschudy hatte errichten lassen, veranlasste ihn der Erfolg seines „Volkstheaters am Pfauen“, in Hottingen ein breit gefächertes Unterhaltungs- und Freizeitangebot zu schaffen. Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der ersten elektrischen Zürcher Tramlinie Bellevue – Pfauen – Römerhof – Kreuzplatz im März 1894 gründete er eine Aktiengesellschaft mit dem Ziel, den Zürichberg als Villenviertel und Naherholungsgebiet mit einer Standseilbahn zu erschliessen und mit Wildpark, Wirtshäusern und Kurhotel auszubauen.
Jungfernfahrt des ersten, von der Maschinenfabrik Oerlikon produzierten elektrischen Trams am 8. März 1894 vor dem „Pfauen“.
Bereits 1895 nahm die Dolderbahn den Betrieb auf. Im folgenden Jahr erwarb die Aktiengesellschaft 530‘000 m2 Wald im Doldertal und beauftragte Jacques Gros (1858-1922), einen Spezialisten für Bauten im Schweizer Holzstil, mit dem Bau des Wirtshauses „Waldhaus Dolder“, dem ein Wildpark mit Spazierwegen und Restaurant-Pavillon im angrenzenden Wald angegliedert war. 1897-99 erbaute der gleiche Architekt das „Curhaus und Hotel Dolder“ (heute Grand-Hotel Dolder) als „fein eingerichtetes Hôtel in gesunder, herrlicher Lage“. Bis 1916 nur im Sommer betrieben, wurde es während des Ersten Weltkriegs zum Domizil gut betuchter Flüchtlinge aus dem kriegsversehrten Ausland. Der Bau des „Römerhofs“ als Wohnhaus, Hotel und Talstation der Dolderbahn durch Louis Hauser (1861-1914) in Gestalt eines neobarocken Palais 1898-1900 rundete das Grossprojekt der Schaffung einer Erholungslandschaft am Zürichberg ab. O.C.
Grand Hotel und Waldhaus Dolder mit Wildpark. Postkarte, abgestempelt am 2.6.1898.
Das Schauspielhaus Zürich im "Pfauen" blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. 1901 mit Goethes «Mitschuldigen» als Schauspielhaus eröffnet, blieb es bis 1938 ein Privattheater, zuletzt im Besitz von Ferdinand Rieser. Auf Initiative des Verlegers Emil Oprecht, des Dramaturgen Kurt Hirschfeld und mit couragierter Unterstützung des damaligen Stadtpräsidenten Emil Klöti wurde die «Neue Schauspiel AG» ins Leben gerufen.
Eine künstlerische Aufwertung erfuhr das Haus in den dreissiger und vierziger Jahren durch Emigranten aus Nazi-Deutschland. Das Theater avancierte zu einer Bühne mit explizit antifaschistischer Linie und kritischem Spielplan. Zu den bereits unter Rieser engagierten Emigranten holte Oskar Wälterlin unter anderem Maria Becker sowie die Schweizer Schauspieler Anne-Marie Blanc und Heinrich Gretler ins Ensemble.
Einer der prägendsten Regisseure dieser Zeit war Leopold Lindtberg. Aus dem Spielplan ragen besonders zwei Inszenierungen von Lindtberg heraus: 1934 die deutsche Erstaufführung des ersten Kampfstückes gegen den Nationalsozialismus von Friedrich Wolf «Professor Mannheim» (eigtl. «Prof. Mamlock») und 1941 die Uraufführung von Bertolt Brechts «Mutter Courage und ihre Kinder» mit Therese Giehse in der Titelrolle. Auch andere grosse Stücke Brechts hatten im Schauspielhaus Zürich ihre Uraufführung: «Der gute Mensch von Sezuan», «Leben des Galilei», «Herr Puntila und sein Knecht Matti».
Die «Frontisten» in der Schweiz, die die hitlersche Ideologie des Antisemitismus und Nationalismus übernahmen, entfesselten gegen das Schauspielhaus einen eigentlichen Kulturkampf. Ihre Kampfverbände scheuten vor gewalttätigen Aktionen nicht zurück, so dass bestimmte Aufführungen nur unter Polizeischutz über die Bühne gehen konnten.
Überhaupt galt die Zustimmung des Schweizer Publikums weniger dem politischen Emigrantentheater als vielmehr dem Theater der Geistigen Landesverteidigung. In der Person Leopold Lindtbergs wird dieser Konflikt besonders deutlich: Angesichts seiner jüdisch-österreichischen Herkunft wurde er Opfer öffentlicher Anfeindungen – obwohl er gleichzeitig für die bedeutsamste Schweizer Filmproduktionsgesellschaft «Praesens-Film» ab 1935 in zahlreichen Schweizer Film-Klassikern Regie führte und damit durchaus eine zentrale Figur der Geistigen Landesverteidigung darstellte. Bekannt wurden insbesondere «Füsilier Wipf» (1938), «Wachtmeister Studer» (1939), «Landammann Stauffacher» (1941) und «Marie-Louise» (1944).
Heinrich Gretler als Wilhelm Tell (1939)
In den 50er Jahren entdeckte Wälterlin zusammen mit seinem Dramaturgen Kurt Hirschfeld die damals noch gänzlich unbekannten Dramatiker Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt – viele ihrer Stücke wurden hier uraufgeführt. Nach Wälterlins Tod kam es zu einem häufigen Wechsel der Direktoren.
Zum ersten Mal in seiner Geschichte wurde das Zürcher Schauspielhaus unter seinem Direktor Christoph Marthaler in den Jahren 2002 und 2003 zum «Theater des Jahres» gewählt. Und seit 2000 besitzt dieses Theater drei Bühnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen das traditionsreiche Haus am Pfauen und ausserdem drei flexibel bespielbare Theaterräume – die Schiffbauhalle, die Box und die Matchbox im Schiffbau.
Ab der Spielzeit 2009/2010 bis 2018/2019 leitete Barbara Frey als erste Intendantin das Schauspielhaus Zürich. Seit der Spielzeit 2019/2020 haben Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann die Intendanz des Schauspielhauses angetreten. R.K.
An Stelle der heutigen Aula Rämibühl hatte sich August Adolf Ludwig Follen mit der Villa „(Unteres) Sonnenbühl“ wohl von Carl Ferdinand von Ehrenberg 1835/36 die erste Villa am Rämi erbauen lassen. Hier und 1843-47 in der Villa „Sonneck“ (heute „Tanneck“) pflegte Follen ein offenes Haus. Damit wurde dieses Gebiet Hottingens zu einem Ort des kulturellen Wirkens und des Austauschs vor allem aus Deutschland zugewanderter Literaten, Künstler, Gelehrter und politischer Aktivisten. 1966 wurde die Villa zusammen mit sieben weiteren Bauten abgerissen, um Platz zu machen für die Kantonsschule Rämibühl. Als Bestandteil des Rämibühl besitzt die Aula eine Sonderstellung sowohl hinsichtlich der einer breiteren Öffentlichkeit dienenden Bestimmung als auch bezüglich ihrer Inszenierung und Gestaltung. Mit der Hauptfront orientiert sie sich nicht auf das Schulareal, sondern nach aussen, von wo sie über den breiten sich platzartig gegen Aula und Mensa hin weitenden Treppenaufgang (Südrampe) erreicht werden kann. Prominent entfaltet sich ihre Eingangsfront in einem Fächer schlanker, frei in den Himmel ragender, nach innen gewölbter Wandscheiben aus Beton, zwischen die Fensterbänder gespannt sind. Zum Instrument der Gestaltung wird die Schalung der Aussenfläche dieser Wandscheiben, in die der Architekt Eduard Neuenschwander Schwartenbretter hatte einlegen lassen, so dass eine vertikal gerippte Oberfläche entstand. Vielleicht mehr noch als die Betonpfeilerfassaden der beiden Schulhäuser hat die Architektur der Eingangspartie der Aula skulpturalen Charakter.
Aula Rämibühl, Eingangsfront.
Der Theaterbau ist im Kern als Kubus auf quadratischem Grundriss ausgebildet, in den das Kreissegment der Zuschauerränge hineingestossen ist, an das rechts der Bühne die „Lehrerloge“ anschliesst. Geschickt hat Neuenschwander das Gefälle des Geländes genutzt, um unter den ansteigenden Zuschauerrängen ein grosszügiges Foyer zu schaffen, dessen Betondecke sich vom Haupteingang her gegen die unter dem „Parkett“ liegende, vor leicht gekrümmten, weiss gekachelten Wandscheiben eingerichtete Garderobe absenkt. In einer Gegenbewegung führt die parallel zur grossen Aussentreppe ansteigende und sich weitende Innentreppe vom Foyer zum Saaleingang hinauf, dessen Vorplatz durch ein quer zu den lamellenartig wirkenden Unterzügen laufendes Oberlichtband beleuchtet wird. O.C.
Vermutlich errichteten bereits im 16. Jahrhundert die ersten wohlhabenden Zürcher Bürger Landsitze vor den Toren der Stadt. Eines der ältesten Häuser, die diesem Zweck dienten, war das „Steinhaus“ am Standort des heutigen Wohn- und Theaterkomplexes „Zum Pfauen“. Im 18. Jahrhundert verlottert, wurde es nach der Niederlegung der Schanzen und der Verbindung des Zeltwegs mit der Altstadt (1834), der Anlage von Rämi- (1836) und Hottingerstrasse (1871/72) sowie dem Bau der Quaibrücke (1882-84) zum Spekulationsobjekt an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt zwischen Altstadt und Hottingen, Enge und Fluntern.
Hier eröffnete Heinrich Hürlimann aus Dürnten 1879/80 das Restaurant „Zum Pfauen“, fügte ihm 1882 nach dem Kauf des „Steinhauses“ einen Gartenpavillon an, den er schon ein Jahr später als „Concert-Halle Pfauen“ bewarb und kurz darauf zum „Flora-Theater im Pfauen“ umbaute. Der sommerliche Amüsierbetrieb florierte, so dass Hürlimann in den folgenden Jahren sämtliche Nachbargebäude erwarb und 1888/89 von Alfred Chiodera und Theophil Tschudy den heute noch weitgehend erhaltenen Gebäudeblock errichten liess. Der als repräsentativer Hottinger Torbau gestaltete Komplex ist eine der ersten Zürcher Arealüberbauungen. Rentable Wohnhäuser mit schlossartig gestalteter, neubarocker Fassade in den Randbereichen an Zeltweg und Hottingerstrasse umschliessen einen rückwärtigen Kuppelsaal mit Galerie und Bühne für etwa 800 Personen im weniger attraktiven Mittelteil hinter dem Torbau gegen die Rämistrasse.
Der von Heinrich Hürlimann neu erbaute Pfauenkomplex, um 1900.
Das „Volkstheater am Pfauen“ bewirtete während der populären Schwank-, Tanz- und Musikaufführungen die an Tischen sitzenden Zuschauer.
Der Saal des Pfauentheaters. Lithographie, um 1890.
1901 wurde der inzwischen stark heruntergekommene Pfauen-Saal vom Stadttheater Zürich übernommen, dessen Direktor Alfred Reucker (1868-1958) anspruchsvolles Sprechtheater auf die Bühne brachte und bis Anfang der 1920er Jahre den Ruf des Schauspielhauses als eines der bedeutenden deutschsprachigen Theater begründete. 1926 übernahm der Händler, Fabrikant und Verleger Ferdinand Rieser (1886-1947), seit 1922 Mehrheitsaktionär der Theater AG, die Leitung des Schauspielhauses. Er unterzog das Theater nach Plänen von Otto Pfleghard d. Ä. (1869-1958) und Max Häfeli (1869-1941) einer umfassenden Renovation und Modernisierung: Die Bühne wurde vergrössert, ebenso der in den Farben Rot, Weiss, Gold gestaltete, bis heute erhaltene schlicht-elegante Art-déco-Zuschauerraum. Hinzugefügt wurden Foyer und Garderoben. Die Infrastruktur für die Schauspieler blieb prekär. Dies sollte sich erst mit der Totalsanierung 1976/77 ändern, nachdem das 1964 von Jörn Utzon (1918-2008) vorgelegte Projekt eines Schauspielhausneubaus unterhalb der Alten Kantonsschule, da wo sich nun David Chipperfields Erweiterungsbau des Kunsthauses erhebt, gescheitert war. O.C.
Der 1926 umgebaute Zuschauerraum des Schauspielhauses nach der Renovation 1976/77.