Schauspielhaus Zürich (Institution), Heimplatz

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:34

Das Schauspielhaus Zürich im "Pfauen" blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. 1901 mit Goethes «Mitschuldigen» als Schauspielhaus eröffnet, blieb es bis 1938 ein Privattheater, zuletzt im Besitz von Ferdinand Rieser. Auf Initiative des Verlegers Emil Oprecht, des Dramaturgen Kurt Hirschfeld und mit couragierter Unterstützung des damaligen Stadtpräsidenten Emil Klöti wurde die «Neue Schauspiel AG» ins Leben gerufen.

Eine künstlerische Aufwertung erfuhr das Haus in den dreissiger und vierziger Jahren durch Emigranten aus Nazi-Deutschland. Das Theater avancierte zu einer Bühne mit explizit antifaschistischer Linie und kritischem Spielplan. Zu den bereits unter Rieser engagierten Emigranten holte Oskar Wälterlin unter anderem Maria Becker sowie die Schweizer Schauspieler Anne-Marie Blanc und Heinrich Gretler ins Ensemble.

Einer der prägendsten Regisseure dieser Zeit war Leopold Lindtberg. Aus dem Spielplan ragen besonders zwei Inszenierungen von Lindtberg heraus: 1934 die deutsche Erstaufführung des ersten Kampfstückes gegen den Nationalsozialismus von Friedrich Wolf «Professor Mannheim» (eigtl. «Prof. Mamlock») und 1941 die Uraufführung von Bertolt Brechts «Mutter Courage und ihre Kinder» mit Therese Giehse in der Titelrolle. Auch andere grosse Stücke Brechts hatten im Schauspielhaus Zürich ihre Uraufführung: «Der gute Mensch von Sezuan», «Leben des Galilei», «Herr Puntila und sein Knecht Matti».

Die «Frontisten» in der Schweiz, die die hitlersche Ideologie des Antisemitismus und Nationalismus übernahmen, entfesselten gegen das Schauspielhaus einen eigentlichen Kulturkampf. Ihre Kampfverbände scheuten vor gewalttätigen Aktionen nicht zurück, so dass bestimmte Aufführungen nur unter Polizeischutz über die Bühne gehen konnten.

Überhaupt galt die Zustimmung des Schweizer Publikums weniger dem politischen Emigrantentheater als vielmehr dem Theater der Geistigen Landesverteidigung. In der Person Leopold Lindtbergs wird dieser Konflikt besonders deutlich: Angesichts seiner jüdisch-österreichischen Herkunft wurde er Opfer öffentlicher Anfeindungen – obwohl er gleichzeitig für die bedeutsamste Schweizer Filmproduktionsgesellschaft «Praesens-Film» ab 1935 in zahlreichen Schweizer Film-Klassikern Regie führte und damit durchaus eine zentrale Figur der Geistigen Landesverteidigung darstellte. Bekannt wurden insbesondere «Füsilier Wipf» (1938), «Wachtmeister Studer» (1939), «Landammann Stauffacher» (1941) und «Marie-Louise» (1944).

Schauspielhaus Gretler Tell

Heinrich Gretler als Wilhelm Tell (1939)

In den 50er Jahren entdeckte Wälterlin zusammen mit seinem Dramaturgen Kurt Hirschfeld die damals noch gänzlich unbekannten Dramatiker Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt – viele ihrer Stücke wurden hier uraufgeführt. Nach Wälterlins Tod kam es zu einem häufigen Wechsel der Direktoren.

Zum ersten Mal in seiner Geschichte wurde das Zürcher Schauspielhaus unter seinem Direktor Christoph Marthaler in den Jahren 2002 und 2003 zum «Theater des Jahres» gewählt. Und seit 2000 besitzt dieses Theater drei Bühnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen das traditionsreiche Haus am Pfauen und ausserdem drei flexibel bespielbare Theaterräume – die Schiffbauhalle, die Box und die Matchbox im Schiffbau. 

Ab der Spielzeit 2009/2010 bis 2018/2019 leitete Barbara Frey als erste Intendantin das Schauspielhaus Zürich. Seit der Spielzeit 2019/2020 haben Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann die Intendanz des Schauspielhauses angetreten. R.K.