Schweizerische Landesausstellung 1939 und Geistige Landesverteidigung (Enge / Zürichhorn)

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Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, der den Bundesstaat einer inneren Zerreissprobe ausgesetzt, die international stark vernetzte Schweizer Wirtschaft massiv getroffen und den sozialen Frieden schwer erschüttert hatte, führten zur Rückbesinnung auf nationale Werte und Interessen. In den 1920er Jahren forcierten die von der russischen Revolution und vom italienischen Faschismus ausgehende Bedrohung zusammen mit den neuen Möglichkeiten von Radio und Film zur Verbreitung totalitärer Ideologien das Bestreben, die Unabhängigkeit und den demokratischen Rechtsstaat auch in Friedenszeiten mit politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mitteln zu verteidigen. Mit der Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland 1933 intensivierten Schweizer Politiker, Intellektuelle und Medienschaffende ihre Bemühungen um die Stärkung der kulturellen Grundwerte der Eidgenossenschaft und um einen inneren Schulterschluss über alle Klassen- und Parteigrenzen hinweg. Bundesrat Philipp Etter formulierte in der Botschaft vom 9. Dezember 1938 die Idee der Geistigen Landesverteidigung offiziell: Als Willensnation gründet die Schweiz auf der Bereitschaft der Bürger, für die gemeinsamen Werte der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie und des Föderalismus mit ihrem Leben einzustehen. Diese geistigen Werte und die nationale Schicksalsgemeinschaft, die sich im Gotthardmassiv als Symbol der Einheit und Vielfalt, der Freiheit und Wehrhaftigkeit providentiell verkörpern, gilt es neu ins Bewusstsein zu rufen.

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Aus der Botschaft des Bundesrats vom 9.12.1938

Das Konzept war so offen und allgemein, dass sich mit Ausnahme der Frontisten und eines Teils der Kommunisten alle politischen Strömungen damit identifizieren konnten. Im gleichen Jahr entstanden auch ikonische Inszenierungen der Geistigen Landesverteidigung, wie z.B. der von Hermann Haller und Leopold Lindtberg gedrehte Film „Füsilier Wipf“ oder die Aufführungen des „Götz von Berlichingen“ und des „Wilhelm Tell“ am Zürcher Schauspielhaus mit Heinrich Gretler in den Titelrollen. Mit dem Beginn des Kalten Krieges Ende der 1940er Jahre erfuhr die Geistige Landesverteidigung bis in die ausgehenden 1960er Jahre eine Wiederbelebung.

Plakat Füsilier Wipf

Bereits 1925 wurde die Idee einer Landesausstellung in Zürich lanciert, doch erst 1935 beschloss der Bundesrat deren Unterstützung. Seit der Bundesstaatsgründung 1848 dienten die Landesausstellungen der Inszenierung der nationalen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Erstmals 1914 wurde eine Landesausstellung zur Demonstration des Willens zur bewaffneten Neutralität instrumentalisiert. Ganz im Dienst der Geistigen Landesverteidigung stand die Zürcher Landesausstellung 1939. Der 1936 zum Direktor der „Landi“ bestellte Architekt Armin Meili konzipierte eine thematisch geordnete Schau, die das Bild einer wehrhaften, innovativen, modernen, bodenständig in ihren regionalen und bäuerlichen Traditionen verwurzelten Schweiz vermitteln sollte. Auf dem linken Seeufer wurde die Schweiz als Industrie-, Wissenschafts-, Technik-, Tourismus- und Modenation präsentiert.

Halle des Strassenverkehrs von Architekt L.M. Boedecker, Zürich. Aufnahme: Michael Wolgensinger 1939
Halle des Strassenverkehrs von Architekt L.M. Boedecker, Zürich.

Neben Themen wie Energieversorgung, Städtebau und Verkehr standen vor allem „Heimat und Volk“ im Zentrum. Der von Fahnen überdachte „Höhenweg“ durchzog auf 700 Metern als Rückgrat und sakrale Selbstvergewisserung der Eidgenossenschaft das Ausstellungsgelände. Er erschloss Pavillons zu Geschichte und Werten der Schweiz, so auch zur „Wehrbereitschaft“, die durch eine monumentale Soldatenskulptur des Bildhauers Hans Brandenberger verkörpert wurde.

Landesausstellung 1939 Wehrbereitschaft
Plastik "Wehrbereitschaft" von Hans Brandenberger. Ein Original-Bronzeabguss steht heute vor dem Bundesbriefarchiv in Schwyz, eine Nachbildung bei den Turnhallen an der Rämistrasse 80.

Die „Landi“ sollte nicht nur durch Belehrung, sondern auch als kollektives Erlebnis zur Gemeinschaftsbildung beitragen. Das Vergnügen durfte daher nicht zu kurz kommen. Dieses garantierte u.a. der „Schifflibach“, der sich grosser Beliebtheit erfreute.

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„Schifflibach“ und „Schifflibach-Lied“. Das war die Landi, SRF 18.6.1989.

Ausstellungsgelände, Pavillons, Skulpturen, Wandbilder und Ausstellungsgut waren als szenografische Einheit konzipiert. Als Chefarchitekt der Landesausstellung setzte Hans Hofmann (1897-1957), ein Schüler Karl Mosers, konsequent auf eine funktionalistische Holz-Leichtbauweise in Kombination mit neuen Materialien, wie Aluminium, und mit experimentellen Formen.

Landesausstellung 1939 Aluminiumpavillon
Aluminium-Pavillon von Architekt Jos. Schütz, Zürich. Aluminium wurde in seiner Schlichtheit und Abnutzungsresistenz als typisches schweizerisches Material propagiert.
Landesausstellung 1939 Betonbogen
Betonparabel von Hans Leuzinger (Architekt) und Robert Maillart (Ingenieur) mit Pferdebändiger von Alfons Maag.

Die gemässigte architektonische Moderne der „Landi“ hob sich damit deutlich von den wuchtigen Prestigebauten der totalitären Diktaturen ab und galt fortan als schweizerische Form der Moderne. Durch eine Luftseilbahn über den See war das Gelände in der Enge mit dem der traditionellen, bäuerlichen Schweiz gewidmeten Teil der „Landi“ am rechten Seeufer verbunden. Inspiriert von der Natur- und Heimatschutzbewegung verklärte im „Dörfli“ am Zürichhorn ein Potpourri ländlicher Bauten in verschiedenen Regionalstilen das vormoderne Leben und zelebrierte mit Trachtenschau und -fest die nationale kulturelle Eigenständigkeit.

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„Dörfli“ und „Dörfli-Lied“. Das war die Landi, SRF 18.6.1989.

Die von Anfang Mai bis Ende Oktober 1939 dauernde Landesausstellung wurde durch Kriegsausbruch und Mobilmachung am 1. September endgültig zum nationalen Wallfahrtsort. Schliesslich verzeichnete sie 10 Millionen Besucher. 40‘000 Artikel und 15‘000 Bilder in der Schweizer Presse, Plakate und Postkarten, Briefmarken und Broschüren feierten das Ereignis, so dass die „Landi“ auf lange Zeit tief im kollektiven Gedächtnis verankert blieb. O.C.

Landi-Prospekt 1939
"Landi-Dörfli" am Zürichhorn. Landesausstellungsprospekt 1939.