Geboren im bernischen Unterseen als Sohn des Lehrers, Gemeindepräsidenten und -schreibers, unterrichtete Alex Walter Diggelmann nach der Ausbildung zum Primarlehrer im Seminar Hofwil bei Bern während drei Jahren an der Schule in Unterseen. 1925 erwarb er an der Gewerbeschule in Bern einen Abschluss als Zeichenlehrer. In Paris und Leipzig, wo er sich intensiv mit Buchdruck und Grafik beschäftigte, setzte er sein Kunststudium fort. Zurück in der Schweiz liess er sich 1928 als freischaffender Grafiker in Zürich nieder. 1938-67 war er als Zeichenlehrer an der Kantonalen Oberrealschule (heute MNG) tätig.
In seinem grafischen Schaffen konzentrierte er sich – selbst ein begeisterter Leichtathlet und Alpinist – besonders auf Sport – und Fremdenverkehrswerbung und war damit bereits Mitte der 1930-er Jahre sehr erfolgreich, so z.B. beim Kunstwettbewerb der Olympischen Spiele in Berlin 1936, wo er Gold in der Kategorie „Gebrauchsgrafik“ gewann.
In seinen Plakaten setzte Diggelmann auf eine nüchterne, serifenlose, gut lesbare Typografie, die in den frühen Werken mit der erzählerischen und illustrativen Bildgestaltung kontrastierte, in den späteren mit der grafisch verknappten Darstellung korrespondierte.
Neben Plakaten gestaltete er auch Briefmarken, Medaillen, Wappenscheiben, Buchillustrationen, Wandbilder und -mosaiken, wie z.B. für das Sportzentrum Kerenzerberg oder die Eidgenössische Turn- und Sportschule Magglingen. 1974 organisierte er die erste Ausstellung „Sport in der Kunst“ des „Schweizerischen Landesverbands für Leibesübungen“ in Luzern. O.C.
In Braunschweig als Kaufmannstochter geboren, kam Ricarda Huch 1887 wie andere junge Frauen nach Zürich, um hier ein ihnen in der Heimat verwehrtes Studium aufzunehmen.
Mit zwei ihrer Schicksalsgenossinnen verband sie eine lebenslange Freundschaft: Marie Baum (1874-1964) aus Danzig, die am Polytechnikum (heute ETH) Chemie studierte und die Deutsche Demokratische Partei 1919 in der Nationalversammlung in Weimar, danach im Reichstag vertreten sollte, sowie Marianne Plehn (1863-1946) aus Lubochin bei Schwetz (heute Swiecie) an der Weichsel, die in Zoologie abschloss und 1914 die erste deutsche Professorin in Bayern werden sollte. 1895-96 wohnten die drei als Untermieterinnen im „Schanzenberg“.
Nachdem Ricarda Huch 1891 an der Universität in Geschichte und Germanistik mit dem Doktorat abgeschlossen hatte, unterrichtete sie 1893-96 an der Zürcher Töchterschule. Daneben begann sie eine intensive schriftstellerische Tätigkeit als Autorin historischer Darstellungen und Romane zu entfalten und wirkte im Lesezirkel Hottingen mit, bei dem sie auch in späteren Jahren wiederholt Gast war. 1896-1912 durchlebte sie eine bewegte Zeit: zwei Ehen, Familiengründung, längere Aufenthalte in Wien, Triest, München und Braunschweig. Nach der Scheidung von ihrem zweiten Mann lebte sie 1912-27 weitgehend in München. Hier entstanden viele ihrer wichtigen Bücher, so z.B. eine Biografie Michail Bakunins. 1927 übersiedelte sie nach Berlin. Seit 1926 Mitglied der Preussischen Akademie der Künste, verweigerte sie im Frühling 1933 die geforderte Loyalitätserklärung gegenüber der nationalsozialistischen Regierung und trat aus Protest gegen den Ausschluss Alfred Döblins aus der Akademie aus. Obwohl sie dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstand und in Jena, wo sie seit 1935 bis zu ihrem Tod lebte, zahlreiche Kontakte zu Kritikern des Regimes unterhielt, genoss sie die Protektion führender Nationalsozialisten. Ihr letztes Projekt, die Erinnerung an den Widerstand gegen Hitler in Biografien wachzuhalten, konnte sie nur noch für die Weisse Rose und die Geschwister Scholl verwirklichen. O.C.
In St. Gallen als Sohn eines „Warenagenten“ in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen geboren, besuchte Otto Schlaginhaufen 1894-97 die Kantonsschule in Zürich, wo er auch das Studium am 1899 neu gegründeten, ersten schweizerischen Institut für Anthropologie bei Professor Rudolf Martin (1864-1925) aufnahm. Martin, an der Ecole d’Anthropologie in Paris beim Chirurgen und Anatomen Paul Broca (1824-80) ausgebildet, verstand die Anthropologie als naturwissenschaftliche, auf Messungen beruhende Disziplin mit der Aufgabe, im Sinne Darwins die Stammesgeschichte des Menschen im Gesamtzusammenhang der Naturgeschichte zu erforschen. Dabei ging er davon aus, dass sich durch Vererbung verschiedene Rassen ausgebildet hätten, deren psychische und geistige Eigenschaften mit bestimmten körperlichen Merkmalen, wie z.B. Schädelform und Hirnvolumen, Hand-, Fuss- und Beckenform, korrelierten. In seiner Dissertation, einer vergleichenden Studie über Fuss- und Handabdrücke von 51 „westafrikanischen Negern“, die 1903 im Zürcher Panoptikum zu sehen waren, 82 Europäern, einigen Asiaten und Affen kam Schlaginhaufen zum Schluss, dass die „westafrikanischen Neger“ in der menschlichen Stammesgeschichte eine Mittelstellung zwischen Affen und Menschen einnähmen. Als Assistent am Anthropologischen Institut widmete er sich vor allem der Verbesserung der Instrumente für Schädelvermessungen, bis er 1905 eine temporäre Anstellung am Völkerkundemuseum in Berlin erhielt. Dessen Direktor Felix von Luschan (1854-1924) übertrug ihm die Inventarisierung der Schädelsammlung des Pathologen und Anthropologen Rudolf Virchow (1821-1902) und führte ihn in den Kreis damals führender deutscher Rassenhygieniker, wie etwa Ernst Haeckel (1834-1919) und Alfred Ploetz (1860-1940), ein.
1907 warb ihn Felix von Luschan für die „Deutsche Marine-Expedition“ nach Neu-Mecklenburg und im Bismarck-Archipel vom Anthropologisch-ethnografischen Museum in Dresden ab. Die Forschungsexpedition sollte von der westlichen Zivilisation noch weitgehend unberührte melanesische Bevölkerungsgruppen anthropologisch untersuchen und Zeugnisse ihrer Kultur für das Berliner und Dresdner Museum sammeln, bevor sie als Folge von Kolonisation und Zivilisierung untergehen würde.
Aufgrund ihrer körperlichen Eigenschaften und ihrer Kultur galten die Melansier als noch primitiver als die Schwarzen Afrikas und daher als geeignet für einen Blick in die Frühzeit der menschlichen Species. Als Mitglied des zunächst vierköpfigen Forscherteams verbrachte Schlaginhaufen zwei Jahre im südlichen Teil Neu-Mecklenburgs – überwiegend in Muliama – und auf Papua, führte an 1200 Einheimischen Vermessungen durch, notierte Beobachtungen zu Sprache, Kultur, Natur und Geografie, zeichnete, fotografierte, machte Tonaufnahmen mit dem Phonographen, erwarb 420 Schädel Verstorbener und sammelte Hunderte von Objekten.
Nach seiner Rückkehr präsentierte das Dresdner Museum 1910 das Material in einer Ausstellung. Bereits im folgenden Jahr trat Schlaginhaufen die Nachfolge seines aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Lehrers Rudolf Martin als Professor für Anthropologie an der Universität Zürich an.
Ganz im Trend der damaligen rassehygienischen und eugenischen Debatte, die die natürliche Selektion durch Zivilisation und Humanität eingeschränkt und dadurch den Fortbestand des Volkes durch Dekadenz (tiefe Geburtenrate), Entwurzelung (Alkoholismus) und Verfremdung (sinkende Qualität des Erbguts) gefährdet sah, positionierte er sich als Sozialanthropologe: Er forderte eine systematische Vererbungsforschung und rassenkundliche Untersuchung der Schweizer Bevölkerung als wissenschaftliche Grundlage eugenischer Massnahmen. Darin bestätigt sah er sich durch die negative Selektionswirkung des 1. Weltkriegs, der die Kampffähigen dezimiere, während die Untauglichen zuhause überlebten.
Schlaginhaufens Anliegen teilte der Ingenieur und Industrielle Julius Klaus (1849-1920) aus Uster, der sein Vermögen testamentarisch der „Julius Klaus-Stiftung für Vererbungsforschung, Sozialanthropologie und Rassenhygiene“ vermachte und Otto Schlaginhaufen als Präsident auf Lebenszeit einsetzte. Die Stiftung sollte die Forschung auf dem Gebiet der Vererbungslehre und darauf aufbauend konkrete rassenhygienische Massnahmen fördern. In den folgenden drei Jahrzehnten konnte Schlaginhaufen nicht zuletzt dank der beträchtlichen Mittel der Stiftung sein Universitätsinstitut zum Zentrum der schweizerischen sozialanthropologischen und eugenischen Forschung machen. So finanzierte die Stiftung z.B. seine 1927-33 an 35'400 Schweizer Rekruten durchgeführten anthropologischen Untersuchungen, deren Auswertung ihn zum Schluss führten, dass die Schweizer keine eigene Rasse, sondern ein rassisch vielfältig gemischtes Volk seien.
Er war zudem in der nationalen und internationalen Community der Rassenhygieniker bestens vernetzt: 1920 war er einer der Mitbegründer der „Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie“ und der populärwissenschaftlichen, sozialhygienische und eugenische Forderungen vertretenden Zeitschrift „Natur und Mensch“, 1923 wurde er Mitglied der „Deutschen Gesellschaft für Vererbungswissenschaft“, 1926 der „Deutschen Gesellschaft für Blutgruppenforschung“, seit 1927 engagierte er sich in der „International Federation of Eugenic Organisations“. Nach 1933 war die Kooperation deutscher Anthropologen mit den Nationalsozialisten für Schlaginhaufen kein Grund, sich von ihnen zu distanzieren oder von ihnen dominierte Tagungen zu meiden. Konsequent gab er sich unpolitisch und beanspruchte den Status reiner Wissenschaftlichkeit. Gleichzeitig unterstützte die Julius Klaus-Stiftung etwa die Propagierung der Erbverantwortung Heiratswilliger durch die Zentralstelle für Ehe- und Sexualberatung oder die Vererbungsforschungen Eugen Bleulers (1857-1939), der die von seinem Vorgänger Auguste Forel (1848-1931) 1886 erstmals in Europa an der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli durchgeführte, seit 1900 in der Schweizer Psychiatrie verbreitete Sterilisierung von Geisteskranken aus sozialen und eugenischen Gründen grosszügig praktizierte. Die Schweizerische Landesausstellung 1939 bot Schlaginhaufen die Gelegenheit, die Ergebnisse seiner Rekrutenstudie zu präsentieren, die ganz zum Volkskonzept der Geistigen Landesverteidigung passten.
Nach dem 2. Weltkrieg war das noch aus dem 19. Jahrhundert stammende anthropologische Rassekonzept durch die planmässige NS-Ausrottungspolitik diskreditiert und durch die aufkommende medizinische Genetik und die Molekularbiologie methodisch überholt, doch Schlaginhaufen und die Julius Klaus-Stiftung sahen sich weder zu einer klärenden Stellungnahme noch zu Veränderungen ihrer Arbeitsfelder und -methoden veranlasst. Erst mit Schlaginhaufens Emeritierung 1951 kam es zu einer Neuorientierung des Instituts für Anthropologie, die sich auch in der Ausquartierung des Büros der Julius Klaus-Stiftung und der Schädelsammlung des Professors an die Gemeindestrasse 5 manifestierte. Räumlich und personell abgeschnitten vom aktuellen Forschungsbetrieb verloren die Stiftung und ihr Präsident bis zu dessen Rücktritt 1968 immer mehr ihre einstige Bedeutung. Danach fand die Stiftung wieder den Anschluss an die Zeit. 1971 wurden die Statuten überarbeitet und die Stiftung in „Julius Klaus-Stiftung für Genetik und Sozialanthropologie“ umbenannt.O.C.
Peter Szondi (1929-1971) war einer der einflussreichsten Literaturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Szondi studierte in Zürich Germanistik bei Emil Staiger und wurde später Professor in Berlin. Nach dem Abschluss seiner Doktorarbeit (der rasch berühmt werdenden Theorie des modernen Dramas) arbeitete Szondi von 1955 bis 1959 als Lehrer unter anderem am Literargymnasium. Er wohnte zu dieser Zeit in unmittelbarer Nähe zur Schule an der Florhofgasse 3.
Szondi in einem Brief an seinen guten Freund Ivan Nagel über seine Tätigkeit als Lehrer (13. September 1957):
«Ich habe jetzt im Herbstquartal […] an der Neuen Schule 17, am Literargymnasium 4 Wochenstunden. Letztere bereiten mir immer mehr Freude, die Buben sind gescheit, fleissig und bereit, die Mischung aus Unterricht und Cabaret, die ich ihnen serviere, anzunehmen.»
Das LG war damals eine reine Knabenschule.
Im selben Brief beschreibt er auch seine kleine Wohnung an der Florhofgasse:
«Ich wohne seit dem 1. September in einem Einzimmerappartement – wie das Zeug in Zürich heisst – also ein Zimmer mit separatem Badezimmer und Kochnische, die allerdings auch einen Eisschrank einschliesst. Also alles, was ich brauche, um völlig unabhängig zu sein, dazu sehr hübsch und auch sehr gut gelegen: an der Florhofgasse, […] unterhalb der Kantonsschule, beim Konservatorium. Das Fenster schaut auf zwei hübsche Barockhäuser, wenn ich morgens aufsteh, scheint mir, ich sei in einem Salzburger Hotelzimmer.»
Szondi wurde in Budapest als Sohn des berühmten Psychoanalytikers Leopold Szondi geboren. Unter der deutschen Besatzung Ungarns geriet die assimilierte jüdische Familie Szondi zunehmend in Gefahr, in ein Konzentrationslager deportiert zu werden. Sie wurde jedoch ausgewählt, im sogenannten Kasztner-Zug mitzufahren und so in Sicherheit gebracht zu werden. Rudolf Kasztner, ein jüdischer Anwalt, hatte mit den Nazis (genauer: mit dem Sonderkommando Eichmann) in geheimen Verhandlungen ausgehandelt, dass 1685 Juden aus Ungarn ins sichere Ausland auswandern dürfen. Im Gegenzug erhielten die Nazis Geld und Schmuck. Der von der SS beaufsichtigte Zug verliess Budapest Ende Juni 1944, gelangte aber zunächst nur bis zum Konzentrationslager Bergen-Belsen, wo die Szondis fünf Monate bleiben mussten. Trotz der gegenüber anderen Lagerinsassen privilegierten Situation als „Austauschjuden“ war es eine zutiefst demütigende und traumatisierende Erfahrung. Im Dezember 1944 gelangten die sogenannten „Kasztner-Juden“ schliesslich doch noch in die Schweiz. Die Schuldgefühle gegenüber den vielen, die den Holocaust nicht überlebt haben, werden Szondi sein ganzes Leben beschäftigen. Sie dürften wesentlich mitverantwortlich gewesen sein für seinen Suizid im Alter von 42 Jahren.
Peter Szondi ist auf dem Friedhof Fluntern in Zürich begraben. Eine unweit davon gelegene Wegverbindung heisst seit 2005 zur Erinnerung an ihn und seinen Vater «Szondiweg». An der Krähbühlstrasse 30 steht noch immer das von seinem Vater gegründete «Szondi-Institut» für Tiefenpsychologie und Schicksalsanalyse. C.V.
Als Sohn eines Beamten in Pforzheim geboren, studierte Emil Georg Bührle in Freiburg, München und Berlin Germanistik und Kunstgeschichte. Das Fronterlebnis als Kavallerieoffizier im Ersten Weltkrieg und die Nachkriegssituation in Deutschland führten zur beruflichen Umorientierung. 1919 beteiligte er sich als Mitglied eines Freikorps an der Niederschlagung des Spartakisten-Aufstands in Berlin. Im gleichen Jahr trat er in die Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik ein, die ihn 1924 zur Sanierung der 1923 erworbenen, maroden Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) nach Zürich schickte. Ganz im Interesse des Auftraggebers an der Umgehung der Rüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags setzte Bührle auf die Entwicklung und die Produktion einer 20mm-Flabkanone, die mit Munition und Zubehör bald in vielen Ländern Europas und Asiens Abnehmer fand. Mit dem Geld seines Schwiegervaters, des Magdeburger Bankiers Ernst Schalk, erwarb er 1929 die Aktienmehrheit der WO und wurde 1937 – im Jahr seiner Einbürgerung in der Schweiz – alleiniger Eigentümer. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Bührle, der über gute Kontakte zu hohen NS-Funktionären verfügte, mit Billigung des Bundesrats zum wichtigsten Schweizer Waffenlieferanten der Achsenmächte.
Gleichzeitig produzierten die USA und Grossbritannien Oerlikon-Bührle-Geschütze in Lizenz. Bührles Vermögen nahm sprunghaft von 8.5 Mio. auf 170,7 Mio. Franken zu. Bei Kriegsende der reichste Schweizer, wurde er einerseits als Aufsteiger, „grösster und skrupellosester Kriegsgewinnler“ und „Nazi-Freund“ heftig angefeindet und war andererseits bestens mit wirtschaftsliberalen und antikommunistischen Kreisen vernetzt sowie als Mäzen geschätzt. Mit dem Beginn des Kalten Kriegs und dem Ausbruch des Koreakriegs 1950 kam das Waffengeschäft der WO, deren ballistische Raketen sehr begehrt waren, erneut in Schwung, und Bührle konnte es sich erlauben, ohne Rücksicht auf die Schweizer Aussenpolitik Rüstungsgüter zu exportieren. In der Folge entwickelte sich das Unternehmen zu einem weitgefächerten Konzern.
Nach dem Erwerb erster Bilder seit 1920 hatte Bührle ab Mitte der 1930er Jahre begonnen, eine neben mittelalterlichen Plastiken und Gemälden alter Meister vor allem Bilder des französischen Impressionismus und der klassischen Moderne umfassende Kunstsammlung aufzubauen. Während er den Grossteil der schliesslich über 600 Bilder nach 1945 auf dem internationalen Kunstmarkt erstand, hatte er während des Zweiten Weltkriegs ohne Bedenken auch Bilder aus geraubten Beständen gekauft. Als Förderer der Kultur gründete er verschiedene Stiftungen und finanzierte den 1958, zwei Jahre nach seinem Tod, eröffneten Ausstellungssaal des Kunsthauses („Bührle-Bau“). Im 2021 eingeweihten Erweiterungsbau des Kunsthauses ist die 1960 von den Erben in eine Stiftung eingebrachte, der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Sammlung ein Kernstück der Ausstellung. O.C.
Als Sohn eines Chemielaboranten in Zürich geboren, unterrichtete Heinrich Gretler nach der Ausbildung am Lehrerseminar Küsnacht 1916-18 als Landschul- und Privatlehrer. Gleichzeitig nahm er Schauspiel- und Gesangsunterricht. Erste Rollen als professioneller Schauspieler erhielt er 1918 am Stadttheater Zürich (heute Opernhaus), 1919 am Schauspielhaus und 1924 als Landenberg im Tell-Film „Die Entstehung der Eidgenossenschaft“. 1926 ging er nach Berlin, wo er sich schon bald einen Namen machte. Von 1928-30 an der Volksbühne, danach am Theater am Schiffbauerdamm, brach er im Frühjahr 1933 mit Bertolt Brechts Stück „Das kleine Mahagonny“ zu einer Tournee nach Paris und London auf. Abgestossen von der nationalsozialistischen Machtergreifung, kehrte er im gleichen Jahr nach Zürich zurück, wo er bis 1940 im Ensemble des politischen „Cabaret Cornichon“ und bis 1945 auf der Bühne des Schauspielhauses in zahlreichen Hauptrollen spielte. Dazwischen gastierte er als freier Schauspieler an zahlreichen Schweizer Bühnen.
Durch seine Auftritte im „Cabaret Cornichon“ wurde Gretler zur Personifikation des bodenständigen, knorrigen, witzig-gutmütigen und freiheitsliebenden Schweizers. Mit der Rolle als Heinrich Leu in der Verfilmung des Romans „Füsilier Wipf“ von Robert Faesi (1883-1972) und als Götz von Berlichingen in Goethes gleichnamigem Drama 1938 erhielt sein Wirken auch eine politische Dimension im Rahmen der „Geistigen Landesverteidigung“.
Bei der Aufführung des Götz von Berlichingen auf der „Pfauen“-Bühne riss er das Publikum mit seiner Darstellung des Freiheitshelden mit. Gänzlich zum vaterländischen Erlebnis wurde seine Interpretation des Wilhelm Tell seit 1939. Der Tagesanzeiger vom 28.1.1939 schrieb zur Premiere am Schauspielhaus: „Deshalb wollen wir auch sagen, dass diese Tellaufführung für uns eine Tat echter Landesverteidigung war, ein Ruf der Selbstbesinnung, ein Mahnruf der ewigen Stimme der Freiheit der Eidgenossenschaft.“ Bis 1946 sahen ungefähr 500'000 Zuschauer Gretler als Tell. Nach Kriegsende wandte er sich vermehrt dem Film zu und trat nur noch selten auf der Bühne auf. Einem breiten Publikum prägte er sich als Wachtmeister Studer in zwei Romanverfilmungen nach Friedrich Glauser, als Darsteller in zahlreichen deutschen Heimatfilmen der 1950er Jahre und als Alpöhi in den Verfilmungen von Johanna SpyrisHeidi (1952/55) ein.
Seit 1963 wieder in der Schweiz, arbeitete er vorwiegend als Fernsehschauspieler. Insgesamt wirkte er in über 120 Filmen mit. O.C.
Die deutsche Theaterschauspielerin Therese Giehse gründete 1933 mit Erika und Klaus Mann in München das literarische Cabaret «Die Pfeffermühle». Bereits am 13. März desselben Jahres flüchteten sie vor den Nationalsozialisten nach Zürich, wo die «Pfeffermühle» im Hotel Hirschen ihr Programm fortsetzte. Es folgten Tourneen in der Schweiz und in Europa sowie 1937 in New York. Giehses antifaschistische Haltung kam auch beim «Cabaret Cornichon» und am Schauspielhaus Zürich zum Tragen.
Signierte Autogrammkarte von Therese Giehse (Foto: Hertha Ramme, Zürich)
Dem Ensemble des Schauspielhauses gehörte sie 1937-49 fest an und spielte dort unter anderem die Titelrolle in Bertolt Brechts «Mutter Courage und ihre Kinder» (Uraufführung 1941), die Mi Tzü in «Der gute Mensch von Sezuan» (1943) und die Schmuggler-Emma in «Herr Puntila und sein Knecht Matti» (1948). Damit schuf sie sich den Ruf als Brecht-Interpretin par excellence und trug zum internationalen Ansehen des Schauspielhauses als Bühne der deutschen Emigration und des Widerstands bei. In dieser Zeit wohnte Therese Giehse in Fluntern – genauer in der Pension von Fräulein Wachs in der Plattenstrasse 33. Heute befindet sich dort die Steinerschule.
1949-52 schloss sie sich Brechts Berliner Ensemble an und gastierte an den Münchner Kammerspielen, wo sie dann 1952-73 fest engagiert war. Sie kehrte jedoch wiederholt ans Zürcher Schauspielhaus zurück und feierte in Uraufführungen von Friedrich Dürrenmatts Komödien grosse Erfolge, so als Claire Zachanassian in «Besuch der alten Dame» (1956) und als Mathilde von Zahnd in «Die Physiker» (1961).
Darüber hinaus wirkte sie in verschiedenen Filmen mit (u.a. 1945 in der Schweizer Produktion «Die letzte Chance», Regie Leopold Lindtberg).
Ihre überragende Bühnenpräsenz machte Giehse zu einer der bedeutendsten Schauspielerinnen ihrer Zeit. Auf ihren eigenen Wunsch wurde sie auf dem Friedhof Fluntern in Zürich begraben. R.K.