Psychologie

Noomi (*1937) und Hans Gantert (1934-2004)

Submitted by ottavio.clavuot on Fri, 09/22/2023 - 03:39

Noomi Hurwitz wurde 1937 als zweites Kind in eine jüdische, russisch-schweizerische Familie geboren. Der Grossvater väterlicherseits war vor dem Militärdienst in der Armee des Zaren aus Riga nach Deutschland geflohen, wo er in Dresden eine Aargauer Jüdin kennenlernte. Nach der Heirat lebte die Familie seit den 1890er Jahren in Luzern in bescheidenen Verhältnissen. Der Grossvater wirkte als Kantor und Religionslehrer. Der 1904 geborene Vater, Siegmund (+ 1994), studierte 1923-28 Zahnmedizin an der Universität Zürich und befreite sich aus dem streng orthodoxen Milieu. 1933 heiratete er in Zürich die Baslerin Lena Eisner (1902-65), deren Eltern, polnische Juden, um 1908 über Deutschland in die Schweiz eingewandert waren. Das junge Paar fühlte sich dem säkularen Zionismus verpflichtet, mit dem es in der jüdischen Wanderbewegung in Kontakt gekommen war, und trug sich zeitweilig mit dem Gedanken, nach Israel auszuwandern. Prägend wurde die Begegnung mit Carl Gustav Jung (1875-1961) und die Auseinandersetzung mit seiner Psychologie. Beide entwickelten eine tiefe Verehrung für Jung, zu dessen innerstem Kreis sie gehörten. So begann Siegmund Hurwitz später auch als Psychoanalytiker zu arbeiten. In den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkriegs unterstützte er jüdische Flüchtlinge bei der Beschaffung von Auswanderungspapieren, so dass im Haus der Familie immer viele Leute verkehrten. In den frühen 1950er Jahren waren es israelische Studenten, die Aufnahme fanden.

Noomi Gantert
Noomi Gantert, im Atelier vor ihrem Webstuhl mit „Ahnen“. Foto 2021. 

Bereits als Dreizehnjährige interessierte sich Noomi für die bildende Kunst. Während ihrer Gymnasialzeit an der Hohen Promenade fand sie unter Anleitung des antibürgerlichen Juristen und passionierten Malers Max Billeter (1900-80), in dessen Atelier am Rindermarkt sie 1953-56 jeweils am Mittwochnachmittag zeichnete und malte, zur Malerei. Angeregt fühlte sie sich auch durch die Werke und Tagebücher von Paula Modersohn-Becker (1876-1907). Als sich der Plan, nach Israel zu gehen, mit dem Ausbruch der Suez-Krise vorerst zerschlug, nahm sie 1956-58 ein Kunststudium an der Ecole des Beaux-Arts in Genf auf, das sie mit dem Diplom als Malerin und einem Preis abschloss. Hier lernte sie 1957 den deutschen Grafiker Hans Gantert kennen, mit dem sie schliesslich eine lebenslange Gemeinschaft verbinden sollte. 1958-60 lebte sie in Israel: Zunächst in Jerusalem, wo sie beim Religionswissenschaftler und Freund Walter Benjamins (1892-1940) Gershom Sholem (1897-1982) Aufnahme fand, Hebräisch lernte und allgemeinbildende Kurse für ausländische Studenten besuchte, dann in Tel Aviv, wo sie an einer Kunstschule studierte und an einer Volksschule Zeichnen unterrichtete. In beiden Institutionen konnte sie nicht Fuss fassen. So kehrte sie nach Europa zurück und vertiefte ihre Ausbildung in Paris an der Académie de la Grande-Chaumière. Wieder in Zürich, heiratete sie 1961 gegen den Willen der Eltern Hans Gantert.

Hans Gantert
Hans Gantert beim Zeichnen. Foto um 1980.

Hans Gantert wurde 1934 als ältestes von drei Kindern eines Bauernsohns aus Bonndorf im Schwarzwald geboren. Da der Vater den Hof nicht erben konnte, schlug er nach der Küferlehre eine Laufbahn als Berufssoldat ein. Bis zum Kriegsausbruch Korporal in der Kaserne von Konstanz, danach an der Front und schliesslich in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, kehrte er 1948 als Kriegsinvalider zurück. So war der cholerische Vater kaum präsent und die Sorge um die in bescheidenen Verhältnissen in Konstanz lebende Familie oblag der aus dem Rheinland stammenden Mutter. Hans, der bereits als Kind gerne zeichnete, war viel bei seinen Verwandten in Bonndorf. Hier begegnete er dem Freiburger Maler, Zeichner und Radierer Hans Lembke (1895-1959), der seit 1939 im Ort lebte und ihn förderte. 1948 begann er eine Grafikerlehre in Konstanz. Gleichzeitig nahm er jede Gelegenheit wahr, um seinen Horizont zu erweitern. Prägend wurde für ihn der Kontakt zu dem von Kirchner, Liebermann und Jaeckel beeinflussten Maler und Sgraffiti-Künstler Hans Sauerbruch (1910-96), der sich nach seiner Entlassung aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft 1946 in Konstanz niedergelassen hatte. Nach dem Lehrabschlusss 1951 besuchte er die drei Jahre zuvor von Hans Lembke mitgegründete Kunsthandwerkerschule in Bonndorf und studierte an der Landeskunsthochschule in Hamburg, wo er unter anderem den wenig älteren Zeichner und Grafiker Horst Jansen (1929-95) kennen lernte. Studienreisen führten ihn nach Holland, Dänemark und Finnland, in späteren Jahren auch nach Italien, Frankreich und Spanien. Seit 1956 arbeitete er als Grafiker und Schriftenmaler in Zürich, zunächst im Atelier des Sgraffitimalers und Grafikers Anton Leuthold (1900-75), in den 1960er Jahren für die Leuchtschriften produzierende Zürcher Firma Gebrüder Reichert Söhne. Daneben wirkte er weiterhin künstlerisch. 1957 lernte er während eines Studienaufenthalts an der Ecole des Beaux-Arts in Genf Noomi Hurwitz kennen.

Hans Gantert Volkskunstkröte
Hans Gantert, Volkskunstkröte, Radierung und Aquatinta, 1974, 64 x 92 cm.

Mit der Gründung eines gemeinsamen Hausstands und der Geburt des ersten von drei Kindern begann für beide – bei weitgehend konventioneller Rollenteilung – eine neue Lebens- und Schaffensphase und zugleich eine einzigartige künstlerische Arbeitsgemeinschaft, über die Noomi rückblickend bemerkt: „Was immer [Hans] als Grafiker und Künstler und ich als Künstlerin taten – wir blieben im Gespräch und mischten uns gegenseitig ein.“ Nach einer Vorlage von Hans wob Noomi 1962 erstmals einen Wandteppich für die neue Wohnung. Während der folgenden zehn Jahre entwarf Hans dekorativ angelegte, grosse Bildteppiche für sie, die sie in enger Kooperation mit ihm umsetzte und dabei ihr künstlerisches und technisches Können weitgehend autodidaktisch schulte und erweiterte. So realisierte sie nach dem Konzept von Hans 1972 einen Wandteppich für das Lehrerzimmer der Oberrealschule (heute MNG Rämibühl). Ihren ersten Bildteppich nach eigenem Entwurf gestaltete Noomi inhaltlich und formal angeregt durch die Abbildung eines Sklavenschiffs in einem NZZ-Artikel über die Sklaverei in den USA 1974-76: Eine schwarz-weisse, geometrische Ordnung und reduzierte menschliche Figuren kombinierende, ornamental wirkende Komposition.

Noomi Gantert, Sklavenschiff
Noomi Gantert, Sklavenschiff, Kelimtechnik, Wolle auf Leinen, 506 x 180 cm, 1974-76. Bei der Vorlage handelt es sich um den von der Society for effecting the abolition of the slave trade 1788 zur Unterstützung ihres Anliegens herausgegebenen und seither immer wieder reproduzierten Druck, der die „Brooke“ aus Liverpool mit einer Sklavenladung zeigt.

Seither arbeitete sie nach eigenen Entwürfen und entwickelte ihre eigene Formensprache. Neben kleineren, experimentellen Teppichen gestaltete sie ausschliesslich Grossformate. So fertigte sie 1988 den Wandteppich für das Konferenzzimmer des MNG Rämibühl.

Noomi Gantert Entwurf
Noomi Gantert, Aquarellentwurf zum Wandteppich für das Konferenzzimmer des MNG Rämibühl, 1988.

Anregung sind ihr beim Weben immer wieder die spätmittelalterlichen Teppiche von Angers, in denen sich Form, Inhalt und Technik zum lebendigen Kunstwerk zusammengefunden haben. Wie für Hans so ist auch für Noomi die Welt des alltäglich Gegenständlichen – besonders die Natur – Ausgangspunkt für das künstlerische Schaffen. Während er dem Figürlichen – wenn auch verfremdet und ironisiert – verpflichtet blieb, machen bei ihr figurative Elemente zunehmend zeichenhaft reduzierten Eindrücken Platz als Ergebnis „intuitiv-wohlüberlegten“ Konzipierens und Webens. 1984-2004 gab Noomi im Rahmen des pädagogischen Grundjahrs der Lehrerausbildung ihr handwerkliches Können weiter. 

Noomi Gantert Keine Zeit
Noomi Gantert, Bildteppiche, Kelimtechnik, Wolle auf Leinen, in der Ausstellung „Keine Zeit“ im Helmhaus Zürich, 2017: Mitte: Kopfüber, 220 x 540 cm, 1996. Links: Spiegelungen, 230 x 300 cm, 1999. Rechts: Stroemungen/random walks, 233 x 344 cm, 2001.
Audio file
Noomi charakterisiert ihr künstlerisches Schaffen.

1965 ermunterte Noomi Hans, der sein künstlerisches und technisches Können sowie sein umfassendes und profundes kunsthistorisches Wissen immer gerne mit anderen teilte, die Ausbildung zum Zeichnungslehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich aufzunehmen, die er 1967 mit dem Diplom abschloss. Bereits im folgenden Jahr wurde er als Hauptlehrer an die Oberrealschule (heute MNG Rämibühl) gewählt, wo er bis zur Pensionierung 1998 unterrichtete.

Hans Gantert Kohlhaldentanne
Hans Gantert, Tanne auf der Kohlhalde (Ebnet) bei Bonndorf, Bleistiftzeichnung, 276 x 201 cm, Halle MNG Rämibühl, 1977.

Parallel zum Unterricht setzte er seine künstlerische Tätigkeit fort – nach eigenen Worten „mit den Schwerpunkten grossformatige Zeichnung und Druckgrafik, daneben Malerei, Plakat und Wandbild. … Gegenstände, Gerät und Werkzeug sind mit Pflanzen und Tieren zusammen …  bevorzugte Motive. … Kröten und Frösche seit 1971, Hühner und Eier seit ca. 1974. Auch Wildsauen, Truthähne, Enten, Schlangen, Echsen, Fische und anderes Getier“.

Hans Gantert, Kürbis
Hans Gantert, Kürbis, Radierung und Aquatinta auf Velin, 37 x 48 cm, 1974.

Wie in Noomis künstlerischer Arbeit war auch für Hans die unbedingte Hingabe ans Handwerk zentral: Mit ungeheurer Akribie, technischer Rafinesse, präzisem Strich und Stich setzte Hans seine minutiösen Beobachtungen und Ideen in Zeichnungen und Radierungen um.

Audio file
Noomi liest eine Selbstcharakterisierung von Hans.

Seit 1972 engagierten sich Hans und Noomi in der GSMBA (Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten), die sich in diesem Jahr für Frauen geöffnet hatte, waren dadurch in der lebendigen Kunstszene der 1970er Jahre bestens vernetzt und erhielten immer wieder Gelegenheit auszustellen. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde die Begegnung mit Hans Josephsohn (1920-2012) menschlich und künstlerisch wichtig für Hans und Noomi. O.C.

Mehrfamilienhaus, Gemeindestrasse 27

Submitted by ottavio.clavuot on Fri, 12/17/2021 - 03:33

Im Auftrag des Herzspezialisten Hermann Schulthess erbaute Georg Lasius (1835-1928) 1898 das villenartige, neugotische Mehrfamilienhaus mit drei identischen 6-Zimmer-Wohnungen und Praxisräumen im 1. Obergeschoss. Die drei hochaufragenden quergestellten Treppengiebel, der von einem Spitzhelm gekrönte polygonale Eckerker und die Tuffsteinquader der Fassade verleihen Gebäude einen schlossartigen Charakter.

Gemeindestrasse 27
Das schlossartige Mehrfamilienhaus mit markantem doppelgeschossigem Erker gegen die Gemeindestrasse. Foto um 1906.

1918 erwarb Edith McCormick-Rockefeller (1872-1932), Tochter John D. Rockefellers, Schwiegertochter Cyrus Hall McCormicks und 1913 Klientin Carl Gustav Jungs (1875-1961), die Liegenschaft für den „Psychologischen Club Zürich“ als Klubhaus mit Bibliothek und Praxisräumen. Jung, der 1900-06 zunächst als Assistent, dann als Stellvertreter des renommierten Psychiaters und Klinikdirektors Eugen Bleuler (1857-1939) an der „Irrenheilanstalt Burghölzli“ wirkte, hatte den Club 1916, drei Jahre nach dem Bruch mit seinem Lehrer Sigmund Freud (1856-1939), als Gesprächs- und Interessengemeinschaft für Analytische Psychologie gegründet. So organisierte der Club regelmässig Vorträge und Diskussionen führender Fachleute, so z.B. des Mythenforschers Karl Kerényi (1897-1973), des Religionswissenschafters Mircea Eliade (1909-86), des Germanisten Karl Schmid (1907-74) oder des Physikers und Nobelpreisträgers Wolfgang Pauli (1900-58). 1948 nahm das Institut für Analytische Psychologie („C. G. Jung Institut“) den Lehrbetrieb in den Räumen des Psychologischen Clubs auf. O.C.

Ober- und Ordnungsbegriffe

Peter Szondi (1929-1971), Literaturwissenschaftler

Submitted by christian.villiger on Sun, 09/05/2021 - 09:25

Peter Szondi (1929-1971) war einer der einflussreichsten Literaturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Szondi studierte in Zürich Germanistik bei Emil Staiger und wurde später Professor in Berlin. Nach dem Abschluss seiner Doktorarbeit (der rasch berühmt werdenden Theorie des modernen Dramas) arbeitete Szondi von 1955 bis 1959 als Lehrer unter anderem am Literargymnasium. Er wohnte zu dieser Zeit in unmittelbarer Nähe zur Schule an der Florhofgasse 3.

Szondi in einem Brief an seinen guten Freund Ivan Nagel über seine Tätigkeit als Lehrer (13. September 1957):

 

«Ich habe jetzt im Herbstquartal […] an der Neuen Schule 17, am Literargymnasium 4 Wochenstunden. Letztere bereiten mir immer mehr Freude, die Buben sind gescheit, fleissig und bereit, die Mischung aus Unterricht und Cabaret, die ich ihnen serviere, anzunehmen.»

Das LG war damals eine reine Knabenschule.

Peter Szondi 1962

Im selben Brief beschreibt er auch seine kleine Wohnung an der Florhofgasse:

 

«Ich wohne seit dem 1. September in einem Einzimmerappartement – wie das Zeug in Zürich heisst – also ein Zimmer mit separatem Badezimmer und Kochnische, die allerdings auch einen Eisschrank einschliesst. Also alles, was ich brauche, um völlig unabhängig zu sein, dazu sehr hübsch und auch sehr gut gelegen: an der Florhofgasse, […] unterhalb der Kantonsschule, beim Konservatorium. Das Fenster schaut auf zwei hübsche Barockhäuser, wenn ich morgens aufsteh, scheint mir, ich sei in einem Salzburger Hotelzimmer.»

Szondi wurde in Budapest als Sohn des berühmten Psychoanalytikers Leopold Szondi geboren. Unter der deutschen Besatzung Ungarns geriet die assimilierte jüdische Familie Szondi zunehmend in Gefahr, in ein Konzentrationslager deportiert zu werden. Sie wurde jedoch ausgewählt, im sogenannten Kasztner-Zug mitzufahren und so in Sicherheit gebracht zu werden. Rudolf Kasztner, ein jüdischer Anwalt, hatte mit den Nazis (genauer: mit dem Sonderkommando Eichmann) in geheimen Verhandlungen ausgehandelt, dass 1685 Juden aus Ungarn ins sichere Ausland auswandern dürfen. Im Gegenzug erhielten die Nazis Geld und Schmuck. Der von der SS beaufsichtigte Zug verliess Budapest Ende Juni 1944, gelangte aber zunächst nur bis zum Konzentrationslager Bergen-Belsen, wo die Szondis fünf Monate bleiben mussten. Trotz der gegenüber anderen Lagerinsassen privilegierten Situation als „Austauschjuden“ war es eine zutiefst demütigende und traumatisierende Erfahrung. Im Dezember 1944 gelangten die sogenannten „Kasztner-Juden“ schliesslich doch noch in die Schweiz. Die Schuldgefühle gegenüber den vielen, die den Holocaust nicht überlebt haben, werden Szondi sein ganzes Leben beschäftigen. Sie dürften wesentlich mitverantwortlich gewesen sein für seinen Suizid im Alter von 42 Jahren.

Peter Szondi ist auf dem Friedhof Fluntern in Zürich begraben. Eine unweit davon gelegene Wegverbindung heisst seit 2005 zur Erinnerung an ihn und seinen Vater «Szondiweg». An der Krähbühlstrasse 30 steht noch immer das von seinem Vater gegründete «Szondi-Institut» für Tiefenpsychologie und Schicksalsanalyse. C.V.

Gerhart Hauptmann (1862-1946), Schriftsteller

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:37

Gerhart Hauptmann war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Gerhart Hauptmann

Gerhart Hauptmann, Fotografie von Nicola Perscheid (1914)

Während seines Aufenthalts in Zürich 1888 wohnt Gerhart Hauptmann bei seinem Bruder Carl und dessen Frau an der Freiestrasse 76. Hier begegnet er unter anderem dem Psychiater und Hirnforscher Auguste Forel, Direktor der «grossen Zürcher Irrenanstalt Burghölzli», der ihm ein «unverlierbares Kapital vom Wissen um die menschliche Psyche» mit auf den Weg gibt. Auch den jungen Frank Wedekind trifft Hauptmann hier.

Unter dem Einfluss des strikten Alkoholgegners Forel wandelt sich Hauptmann für eine Zeit lang zum Lebensreformer und Abstinenzler. Diese Thematik ging ein in die Gestalt des Loth in Hauptmanns Drama «Vor Sonnenaufgang», das ihm den Durchbruch als Dramatiker brachte. Der Theaterskandal um dieses naturalistische Stück machte ihn in Berlin und darüber hinaus bekannt.

Hauptmann besucht in Zürich auch das Grab Georg Büchners, um einen Kranz niederzulegen. Als Vertreter der naturalistischen Moderne gab es für Hauptmann keinen Zweifel daran, dass Büchner als Dramatiker seiner Zeit weit voraus war.

Den Entschluss, die berühmten «Weber» zu schreiben, fasst Hauptmann in Zürich. Auslöser dafür war offenbar die Webstuben der Seidenweber, an denen Hauptmann mehrmals auf dem Weg in die psychiatrische Klinik Burghölzli vorbeikam. R.K.