Jenseits des politischen Zwangs die Baukosten der Kantonsschule Rämibühl zu senken, hat der Architekt Eduard Neuenschwander Rationalisierung und Reduktion konsequent als gestalterische Prinzipien genutzt. Grundlegend war die Entscheidung, den Beton als Material der tragenden Strukturen nicht zu verputzen. Die darin zum Ausdruck kommende Vorliebe für rohen Beton als plastisch formbarem Material erinnert eher an Le Corbusier als an Aalto. Für die Herstellung der Betonteile wählte Neuenschwander die jeweils kostengünstigste Variante, so dass ganz unterschiedliche Oberflächen entstanden, zu denen Material, Form und Farbe der anderen Bauteile in Bezug gesetzt werden: Die industriell vorgefertigte Aussenhaut der Fassadenpfeiler der Schulhäuser mit glatter, homogener, nur durch die Fugen zwischen den einzelnen Elementen strukturierter Oberfläche korrespondiert mit den Aluminiumrahmen und den Glasflächen des Fensterrasters.
Ganz anders die vor Ort produzierten Teile des Gebäudeinneren mit ihrer rauen Oberfläche, auf der sich Holzstruktur und unterschiedliche Schalungsrichtungen abzeichnen, und die mit den rauh verputzten Backsteinwänden kommunizieren.
Vollends zum Instrument der Gestaltung wird die Schalung der Wandscheiben der Eingangsfront der Aula, in die Neuenschwander Schwartenbretter einlegen liess, so dass eine vertikal gerippte Oberfläche entstand.
Die Gebäudetechnik wird offen gezeigt und durch die Farbgebung thematisiert: Die graublauen Heizungsrohre sind nicht unter Putz gelegt, die orangeroten Lüftungskanäle in der Mensa nicht durch eine tiefer gehängte Decke versteckt.
Die serielle Produktion vieler Bauteile – Zimmertüren, Heizkörper, Lavabos, Stahlblechgarderobekästen, Beleuchtungskörper – , die Wiederkehr gleicher Motive, wie z.B. die zurückversetzten Haupteingänge mit Doppeltüren mit konkav geformtem Aluminium Türblatt, und die konsequente Verwendung der gleichen Materialien in analogem Kontext, lässt die Schulanlage als Einheit erscheinen. So wurde in sämtlichen Eingangshallen und Treppenhäusern, in der Mensa und der Aula ein Terrazzoboden eingebracht, in den Korridoren und Schulzimmern ein olivgrauer Nadelfilz, im Naturwissenschaftstrakt ein PVC-Belag. Zwischen den Trägern erhielten die Betondecken teilweise eine Dämpfung aus Holzfaserplatten. Dieser Logik wurde auch das zum Teil eigens entworfene Mobiliar unterworfen.
Zentrale Bedeutung kommt der Farbgebung zu, die zusammen mit dem Material und dem künstlerischen Schmuck stimmungsbildend wirken soll. Nach Vorschlägen von Karl Schmid wurden im Innern Farbakzente gesetzt. Indem einzelne Mauerflächen in verschiedenen, teils kräftigen Pastelltönen gestrichen sind, sollen Korridore und Schulzimmer einen individuellen Charakter erhalten. Für die künstlerische Ausschmückung der Schulanlage mit Wandbildern und plastischen Kunstwerken hat Eduard Neuenschwander unter anderem auf seine Freunde in der Gockhauser Künstlerkolonie zurückgegriffen. Die grossen Wandflächen der Zugänge zur Mensa und des Esssaals gestaltete Karl Schmid durch geometrisch- ornamentale Wandmalereien, Eisenplastiken und Holzreliefs.
In der Eingangshalle des MNG beleben die organischen Formen der auf bunte Wandflächen montierten Holzplastiken Raffael Benazzis (1933*) die materielle und geometrische Strenge des Raums.
Bronzeplastiken Benazzis setzen auch an den Aufgängen von der Rämistrasse und der Freiestrasse her künstlerische Akzente.
Über der Zufahrt zur Tiefgarage markiert die streng geometrische Aluminiumstele Ernst Faesis (1917-2017), 1950-82 Zeichenlehrer am MNG, den Zugang zum Schulareal. Am Aufgang zur Aula empfangen die „Stèles“ von François Stahly (1911-2006) den Ankömmling. O.C.