Kantonsschule Rämibühl

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Die hohe Geburtenrate seit Anfang der 1940er Jahre, die in Zeiten des Wirtschaftswunders nach dem 2. Weltkrieg wachsende Nachfrage nach akademisch geschulten Arbeitskräften und der Umstand, dass nur die Städte Zürich und Winterthur (seit 1859) über Maturitätsschulen verfügten, veranlassten die Zürcher Regierung seit 1951 schrittweise zu einer Strategie des Ausbaus und der Dezentralisierung des Mittelschulwesens überzugehen. Durch den Bau von Kantonsschulen auf dem Land sollten regionale Chancenungleichheiten beseitigt, Begabungsreserven besser ausgeschöpft und die Landflucht gebremst werden. 1952 hiess das Volk die Gründung der Kantonsschule Zürcher Oberland gut, die 1955 in Wetzikon den Betrieb aufnehmen konnte. Der Raumnot der Stadtzürcher Kantonsschule (Alte und Neue Kantonsschule) sollte durch den Bau einer neuen Schulanlage für die Handelsschule und einen Teil des Realgymnasiums auf dem Freudenbergareal in der Enge sowie einen Neubau auf dem Rämibühlareal für den anderen Teil des Realgymnasiums, das Literargymnasium und die Oberrealschule (heute MNG) begegnet werden. Bis 1959 wurde das Projekt der Kantonsschule Freudenberg, deren Gebäude 1956-61 nach Plänen von Jacques Schader entstanden, verwirklicht.

Rämibühl Kataster Neuenschwander

Von Eduard Neuenschwander um Höhenlinien und Baumbestand ergänzter Katasterplan des Villenareals am Rämi, 1961.

Der im gleichen Jahr ausgeschriebene Planungswettbewerb für eine Kantonsschule auf dem 40‘850 m2 grossen Villenareal am Rämi beim „Sonnenbühl“, für das der Rektor des Realgymnasiums kurz zuvor die Bezeichnung „Rämibühl“ eingeführt hatte, gab als Bauprogramm für die drei Schulen mit rund 1750 Schülern zwei getrennte Schulhäuser, einen gemeinsam genutzten Naturwissenschaftstrakt, eine Turnanlage mit drei Hallen und Sportplätzen im Freien, eine Mensa sowie eine Aula bei möglichst weitgehender Schonung des alten Baumbestands vor. Eingereicht wurden 69 Projekte. Im August 1960 schlug das Preisgericht dem Regierungsrat vor, Eduard Neuenschwander mit der Weiterbearbeitung seines erstrangierten Projekts zu beauftragen.

Neuenschwander Rämibühl Modell

Modell des überarbeiteten Projekts der Kantonsschule Rämibühl von Eduard Neuenschwander, 1965.

KS Rämibühl - Luftaufnahme

Luftaufnahme der Kantonsschule Rämibühl von Süden, 1970.

Angesichts der hohen Kosten setzte dieser von Anfang an auf die Rationalisierung der Materialbeschaffung und des Bauablaufs sowie auf die Reduktion auf das funktional und konstruktiv Notwendige. Nachdem die Rämibühl-Vorlage am 25. Januar 1965 im Kantonsrat mit 122 zu 3 Stimmen verabschiedet worden war, musste sich das Vorhaben in der Öffentlichkeit gegen erheblichen Widerstand durchsetzen. Die Gegnerschaft bezog sich vor allem auf drei Punkte: die Kosten, den Standort und die Zerstörung des historischen Villenquartiers. So wurde argumentiert, die Baukosten seien viel zu hoch und würden zudem die Realisierung der weiteren Dezentralisierung des Zürcher Mittelschulwesens in Frage stellen. Mit dem Schlagwort „der falschen Schule am falschen Ort“ wurde der Anspruch der Universität auf das Rämibühlareal untermauert. Diese solle nicht im Strickhof, sondern im Hochschulquartier erweitert werden. Mit diesen Überlegungen verband sich teilweise auch die Kritik am Abbruch der Villen und am massiven Eingriff in die historisch gewachsene Parklandschaft.

Villenquartier am Rämibühl
Blick auf Villen und Gärten auf dem späteren Rämibühl. Luftaufnahme von Eduard Spelterini, 1903.

Die dem Komitee der Gegner mit einem eigenen Aktionskomitee begegnenden Befürworter des Projekts, allen voran die drei Schulleitungen und die Schülerschaft, engagierten sich mit grossem Einsatz im Abstimmungskampf und vermochten schliesslich – nicht zuletzt dank eines Schweiz weit Aufsehen erregenden Demonstrationszugs am 13. Mai – die Stimmbürger knapp von der Notwendigkeit des Neubaus zu überzeugen. So wurde das Projekt am 16. Mai 1965 mit 77‘276 gegen 70‘383 Stimmen angenommen. Nach dem Abbruch der Villen 1966 konnte mit dem Bau der Schulanlage begonnen werden, die im Herbst 1970, ein halbes Jahr früher als geplant, fertig gestellt war. O.C.

Video file
Fernsehen SRF, Antenne vom 12. Mai 1965 zur Rämibühl-Abstimmung. Erhaltenes Beitragsfragment.