Kultur, Unterhaltung (Theater, Kino, Museum, Ausstellung)

Kunsthaus, Altbau, Heimplatz

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 17:57

Nach dem Zusammenschluss der 1787 von Künstler und Kunstliebhabern gegründeten Künstlergesellschaft und des 1895 ins Leben gerufenen Vereins Künstlerhaus im Jahr 1896 zur Zürcher Kunstgesellschaft, begann diese 1902 mit der Planung eines neuen Museumsbaus für die Sammlung der Künstlergesellschaft und einer Kunsthalle für temporäre Ausstellungen. Der vorgesehene Standort im Garten des von Johann Heinrich Landolt (1831-85) der Stadt vermachten, im Tausch für das Künstlergüetli der Kunstgesellschaft überlassenen Familiensitzes „Zum Lindenthal“ war ideal: Nach der Niederlegung der Schanzen und der Anbindung des Zeltwegs (1834), der Anlage von Rämi- (1836) und Hottingerstrasse (1871/72) sowie des Baus der Quaibrücke (1882-84) war die Kreuzung nördlich des „Lindenthals“ zu einem zentralen Verkehrsknotenpunkt zwischen Altstadt und Hottingen, Enge und Fluntern geworden. Zusammen mit dem Schauspielhaus im Theater „Zum Pfauen“ bildet das Kunsthaus heute den Auftakt zur Kulturmeile, die sich seit dem Bau der Alten Kantonsschule entlang der Rämistrasse entwickelt hatte. Diese städtebauliche Situation manifestiert sich im 1907-10 von Karl Moser als Tempel der Kunst und Tor zur Altstadt gestalteten, aus zwei Baukörpern bestehenden Museumskomplex. Im Gegensatz zu Gustav Gull, der das Landesmuseum 1892-98 als Nationalmonument konzipiert hatte, dessen spätmittelalterliche Architekturanleihen die Blütezeit der Alten Eidgenossenschaft beschworen, bezog sich Moser auf die Antike als Blütezeit der Kunst, indem er eine Formensprache wählte, die einem nüchternen, griechisch geprägten Jugendstil verpflichtet ist.

Kunsthaus Zürich
Ausstellungsbau und Museumsbau mit dem dahinter liegenden ersten Erweiterungsbau von Karl Moser. Foto um 1920.

Der den Platz dominierende, dreigeschossige, kubische Hauptbau mit tempelartigem Eingang und monumentalem Metopenfries unter der mächtigen Pyramide des Glasdachs nahm die Verwaltung, den grosszügigen Treppenaufgang zur doppelgeschossigen, lichthofartigen Halle sowie die Räume und den grossem Oberlichtsaal für die Sammlung auf. Den zweigeschossigen, niedrigeren grosszügig befensterten Ausstellungstrakt mit abgewinkelten Ecken gegen die Rämistrasse, dessen obere Fassadenhälfte eine toskanische Säulenarchitektur mit Nischenfiguren feingliedriger erscheinen lässt, überspannt ebenfalls ein Glaswalmdach.

Kunsthaus Zürich - Innenraum
Lichthofartige Treppenhalle im 1. Obergeschoss des Museumsbaus.

Im Sinne eines Gesamtkunstwerks hat Moser Architektur, Bauplastik, Ausstattung und Ausstellungsgut zu einer Einheit verbunden. Das von der Wiener Sezession inspirierte Innere umgibt durch die Wandbilder von Ferdinand Hodler und Cuno Amiet in der Halle, die üppigen, Akzente setzenden Ornamente, die farbige Wand- und Bodenverkleidung in erlesenen Materialien sowie die darauf abgestimmten Möbel und Leuchter die gezeigte Kunst mit einer sakrale Aura.

Ausstellung Karl Moser
Ausstellungssaal im 1. Obergeschoss.

Das rasche Wachstum der Sammlung machte schon bald eine erste Erweiterung nötig, die Moser in Anlehnung an den Hauptbau 1924-26 als Kubus mit Glaswalmdach zwischen Altbau und „Lindenthal“ (1972 abgebrochen) realisierte. Die verglichen mit dem Altbau karge, den Funktionalismus der niederländischen Moderne aufnehmende Architektur der Ausstellungsräume konzipierte Moser nun als diskreten, neutralen Hintergrund der ins Zentrum gerückten Bilder und Skulpturen.

Kunsthaus Zürich - Bibliothek
Funktionalistischer Lesesaal in Karl Mosers Erweiterungsbau (nicht erhalten). Foto 1925.

Während der 1954-58 zu Mosers Kunsthaus hinzugefügte „Bührle-Bau“ den Altbau mit dem Erweiterungsbau nördlich des Platzes verbindet, ist der 1973-76 angebaute Ausstellungstrakt vom Heimplatz aus nicht sichtbar. O.C.

Karl Moser Kunsthauserweiterungsprojekt
Karl Mosers Projekt eines Erweiterungsbaus des Kunsthauses mit schmalem Erschliessungs- und Ladentrakt gegen den Heimplatz und drei rechtwinklig anschliessenden Ausstellungstrakten mit Shedbedachung. Zeichnung 1934.

Kunsthaus, „Bührle-Bau“, Heimplatz

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 17:54

Bereits 1938 propagierte Hans Hofmann, der Chefarchitekt der Landesausstellung 1939, im Zusammenhang mit Erweiterungsplänen des Kunsthauses in Anlehnung an Vorschläge Karl Mosers die Idee einer „Kunstinsel“ am Heimplatz, der geschlossen umbaut und für Fussgänger reserviert werden sollte. Der endgültige Verzicht auf Pläne zum Teilabbruch des Quartiers zwischen Zähringerplatz und Hirschengraben und zur Verlängerung der Kantonsschulstrasse in Richtung Altstadt machten 1942 zusammen mit der Finanzierung durch den umstrittenen Grossindustriellen und Kunstsammler Emil Georg Bührle den Weg frei für die Planung der Kunsthauserweiterung auf dem Areal des Krautgartenfriedhofs, wo Georg Büchner 1837 beerdigt worden war, und des Hauses „Zum liegenden Hirschli“, wohl Johann Heinrich Pestalozzis Geburtshaus. Heftige Kontroversen um die städtebauliche Situation zwischen Altstadt und Heimplatz, aber auch Finanz- und Materialknappheit in den ersten Nachkriegsjahren verzögerten die Realisierung des 1944 siegreichen Wettbewerbsprojekts der Brüder Hans und Kurt Pfister.

Luftaufnahme Kunsthaus
Luftaufnahme des Altbaus und des „Bührlebaus“.

Während der zehn Jahre bis zur Ausführung erfuhr der als frei bespielbare Ausstellungshalle konzipierte Neubau eine umfassende Überarbeitung.

Kunsthaus Zürich
Stützenfreier Ausstellungssaal im Obergeschoss anlässlich der Ausstellung "Amerikanische Kunst 1948-1968" 1969.

Im Geist der klassischen Moderne wurde er schliesslich 1954-58 als durchlässiger Riegel errichtetet: Der an Le Corbusiers Pilotis-Bauten erinnernde, aufgestelzte Balken des stützenfreien Oberlichtsaals (70 x 18 x 5 m) über der Fussgängerpassage zur Altstadt zwischen dem transparenten Restaurant und dem Vortragssaal begrenzt den Vorplatz vor dem Kunsthaus, ohne ihn gegen die Altstadt abzuschliessen. An Karl Mosers Kunsthaus ist er über eine Treppenrampe und verglaste Verbindungsgänge angebunden, die einen Kunsthof umschliessen. Durch sein grosses, raumgreifendes Volumen, seine streng kubische Form und die mit senkrecht gerillten Betonplatten verkleideten, an den Längsseiten durch ein vertikal gegliedertes  Fensterband Ein- und Ausblick gewährenden Fassaden verbindet er heute den südlichen Kunsthaus-Komplex mit dem Erweiterungsbau nördlich des Platzes. O.C.

Kunsthaus "Bührle-Bau"
Platzfront des „Bührle-Baus“. Postkarte um 1960.

Kunsthaus, Erweiterungsbau, Heimplatz

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 17:49

An Stelle des ehemaligen Wolfbachweihers, der beiden Turnhallen und des Turnplatzes der Alten Kantonsschule errichtete David Chipperfield (* 1953) 2016-21 einen mächtigen Kubus von mehr als 60 m Kantenlänge und 21 m Höhe, der einerseits die Sicht auf die Alte Kantonsschule auf der Schanze verstellt, andererseits den Heimplatz zum Kulturforum umgestaltet. Bereits 1934 hatte Karl Moser den Platz für einen Ausstellungsbau vorgeschlagen. Vier Jahre später propagierte Hans Hofmann, der Chefarchitekt der Landesausstellung 1939, im Zusammenhang mit der Planung des Bührle-Baus die Idee einer „Kunstinsel“ am Heimplatz, der geschlossen umbaut und für Fussgänger reserviert werden sollte. In den 1960er Jahren ortete der Architekt und Publizist Alfred Roth hier „das eigentliche kulturelle Zentrum der Stadt“, das mit dem 1964 prämierten Projekt für den Schauspielhausneubau von Jörn Utzon (1918-2008), dem Erbauer der Oper in Sidney, vollendet werden sollte. Utzon schlug einen grossflächigen, sich von der Alten Kantonsschule bis in den Heimplatz hinein ersteckenden Baukörper vor. Die auf den verkehrsbefreiten Platz zuführenden Verkehrsachsen sollten als Teil des geplanten City-Rings massiv verbreitert und teilweise in den Untergrund verlegt werden. Trotz vehementer Unterstützung durch Sigfried Giedion, den Promotor des Neuen Bauens, wurde das mit umfangreichen Abbrüchen und Strassenbauten verbundene auf 86 Millionen Franken veranschlagte Projekt 1970 aufgegebenen.

Kunsthaus - Erweiterungsbau
Jörn Utzon, Modell des Projekts für den Schauspielhausneubau, 1964.

Den Kunsthauserweiterungsbau hat Chipperfield städtebaulich und gestalterisch sorgfältig in die Umgebung integriert: Die von der Alten Kantonsschule durch den Erweiterungsbau zum Altbau des Kunsthauses verlaufende Achse ist in dessen gegen den Heimplatz und den Kunstgarten offener Eingangshalle erlebbar.

Kunsthaus Zürich
Blick vom 1. Obergeschoss des Erweiterungsbaus über den Heimplatz auf den Altbau des Kunsthauses.

Die lichthofartige Halle mit Treppen und Galerien nimmt das Motiv des Lichthofs und der Halle der beiden anderen Bauten auf und variiert sie. Die vom Kunstgarten hinabführende Treppe in der Eingangshalle spielt mit dem Motiv der grossen Freitreppe vor der Alten Kantonschule.

Kunsthaus Zürich
Eingangshalle mit der inneren Treppe zum Kunstgarten.

Der Heimplatz wird zum allseitig umbauten, durch die breiten einmündenden Strassen doch offenen, rechteckigen Platzraum, dessen Randbauten materiell und formal aufeinander Bezug nehmen. Die klassisch-kubische Form des Neubaus und dessen Fassadenstruktur mit Rippenraster, horizontal durchlaufenden, die Geschosse trennenden Simsen und Attika nehmen Bezug auf den klassizistischen Kubus mit Lisenen- und Fensterraster der Alten Kantonsschule, auf die kubisch-kristalline Form von Karl Mosers Sammlungsbau und die toskanische Säulenarchitektur seines Ausstellungstrakts sowie auf den aus gerippten Betonplatten und Bandfenstern gefügten, schwebenden klassisch-modernen Container des „Bührle-Baus“. Die Fassaden aller Bauten am Platz sind mit feinkörnigen Naturstein- oder Betonplatten verkleidet. Trotz seines gewaltigen Volumens wirkt der Neubau Dank der grossen Freiflächen im Norden und Süden und der grossen, unregelmässig hinter dem Rippenraster angebrachten Fensterflächen nicht erdrückend. O.C

Kunsthaus Zürich - Neubau
Luftaufnahme des Erweiterungsbaus mit der Alten Kantonsschule im Hintergrund.

Therese Giehse (1898-1975), Schauspielerin

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 02:34

Die deutsche Theaterschauspielerin Therese Giehse gründete 1933 mit Erika und Klaus Mann in München das literarische Cabaret «Die Pfeffermühle». Bereits am 13. März desselben Jahres flüchteten sie vor den Nationalsozialisten nach Zürich, wo die «Pfeffermühle» im Hotel Hirschen ihr Programm fortsetzte. Es folgten Tourneen in der Schweiz und in Europa sowie 1937 in New York. Giehses antifaschistische Haltung kam auch beim «Cabaret Cornichon» und am Schauspielhaus Zürich zum Tragen.

Therese Giehse

Signierte Autogrammkarte von Therese Giehse (Foto: Hertha Ramme, Zürich)

Dem Ensemble des Schauspielhauses gehörte sie 1937-49 fest an und spielte dort unter anderem die Titelrolle in Bertolt Brechts «Mutter Courage und ihre Kinder» (Uraufführung 1941), die Mi Tzü in «Der gute Mensch von Sezuan» (1943) und die Schmuggler-Emma in «Herr Puntila und sein Knecht Matti» (1948). Damit schuf sie sich den Ruf als Brecht-Interpretin par excellence und trug zum internationalen Ansehen des Schauspielhauses als Bühne der deutschen Emigration und des Widerstands bei. In dieser Zeit wohnte Therese Giehse in Fluntern – genauer in der Pension von Fräulein Wachs in der Plattenstrasse 33. Heute befindet sich dort die Steinerschule. 

1949-52 schloss sie sich Brechts Berliner Ensemble an und gastierte an den Münchner Kammerspielen, wo sie dann 1952-73 fest engagiert war. Sie kehrte jedoch wiederholt ans Zürcher Schauspielhaus zurück und feierte in Uraufführungen von Friedrich Dürrenmatts Komödien grosse Erfolge, so als Claire Zachanassian in «Besuch der alten Dame» (1956) und als Mathilde von Zahnd in «Die Physiker» (1961). 

Darüber hinaus wirkte sie in verschiedenen Filmen mit (u.a. 1945 in der Schweizer Produktion «Die letzte Chance», Regie Leopold Lindtberg). 

Ihre überragende Bühnenpräsenz machte Giehse zu einer der bedeutendsten Schauspielerinnen ihrer Zeit. Auf ihren eigenen Wunsch wurde sie auf dem Friedhof Fluntern in Zürich begraben. R.K.

Video file
Therese Giehse als Mutter Courage im Schauspielhaus Zürich, Auschnitt aus "Therese Giehse - Ein Leben in Bühnenbildern" (Film von Gabriele Dinsenbacher, Bayerischer Rundfunk 1998)