Der repräsentative Bau der ehemaligen Augenklinik zwischen ETH und Universität ist Ausdruck des Erstarkens und der Auffächerung der universitären Medizin in Spezialdisziplinen. Mit der Entstehung der modernen Klinik im 19. Jahrhundert wurden Spitäler nicht mehr primär auf die Versorgung und Verwahrung physisch oder psychisch kranker Menschen, sondern auf die Behandlung heilbarer Kranker ausgerichtet. Das 1842 eröffnete Zürcher Kantonsspital beherbergte zwei Universitätskliniken: die Innere Medizin und die Chirurgie, der auch die Augenheilkunde zugeordnet war. Die grossen Fortschritte in der Ophthalmologie und die Spezialisierung einzelner Ärzte auf dieses Gebiet, führten in verschiedenen europäischen Ländern zur Gründung privater Augenkliniken, da die Augenärzte mit ihrer Forderung nach eigenen Lehrstühlen und eigenständigen Universitätskliniken vor 1850 nicht durchdrangen. Die Chirurgen fürchteten die neue Konkurrenz und die Regierungen die Kosten. In Zürich bewilligte der Regierungsrat nach mehrjährigem Ringen 1862 einen Lehrstuhl für Augenheilkunde mit zugehöriger Klinik in den Gebäuden des Universitätsspitals und berief den Zürcher Augenarzt Johann Friedrich Horner, der seit 1856 eine ausserordentlich erfolgreiche Privatklinik betrieben hatte. Erst 1889 konnte sich Horners Nachfolger Otto Haab mit der Forderung nach einem selbständigen Klinikbau durchsetzen, mit dessen Planung Kantonsbaumeister Otto Weber, ein Schüler Gottfried Sempers, beauftragt wurde. Angesichts des grossen Renommees der Zürcher Augenheilkunde und der unmittelbaren Nachbarschaft des Neubaus zu Sempers monumentalem Hochschulgebäude konnte Weber die Verantwortlichen von der repräsentativen Gestaltung des Klinikbaus als zweiflügligen, historistischen Palazzo mit vorgeschobenem, erhöhtem, mit korinthischen Säulen geschmücktem Mittelrisalit überzeugen.
Die teuern Sandsteinfassaden des 1892-96 ausgeführten Baus umschlossen eine an ausländischen Vorbildern orientierte, moderne, zweckmässige Spitalinfrastruktur: Wirtschaftsräume und Stallungen für die Versuchskaninchen im Kellergeschoss; repräsentatives Vestibül, Räume für Forschung, Lehre und Verwaltung sowie Warte- und Untersuchungszimmer im Erdgeschoss; stationärer Bereich für 57 Erwachsene und 11 Kinder mit zwei Operationssälen, Krankenzimmern und grosszügigen Korridoren als Aufenthaltsbereich in den Obergeschossen.
Die Klinik war vollständig elektrifiziert, verfügte über Warmwasser in den Zimmern, nach Geschlechtern getrennte sanitäre Anlagen und eine an hygienischen Kriterien orientierte Ausstattung. Die Patienten waren in den Betrieb der Klinik eingebunden und mussten, sofern es ihr Zustand erlaubte, Mitpatienten betreuen und bei der Bewirtschaftung und Reinigung mithelfen.
1953 zogen das Kunsthistorische Institut und die Archäologische Sammlung in das Gebäude der Augenklinik ein, nachdem diese in moderne Räume im neugebauten Kantonsspital umgezogen war. O.C.