In Oetwil am See als Sohn des vermögenden, politisch aktiven Baumwollverlegers und Landwirts Hans Heinrich Kunz (1766-1825) geboren, besuchte Heinrich Kunz 1806-09 die neu eröffnete, bald renommierte Privatschule von Caspar Fierz (1777-1814) in Männedorf. Danach schickte ihn der Vater zur kaufmännischen Ausbildung in die 1806 von Johann Jakob Ziegler (1770-) und dem Isliker Unternehmer Bernhard Greuter (1745-1822) als Spinnerei, Weberei, Färberei und Druckerei gegründete Baumwollfabrik „Ziegler-Greuter & Cie.“ nach Gebweiler im Elsass. Während der rund zwei Jahre dort lernte er die modernsten Techniken der Bauwollverarbeitung und die Herausforderungen eines Grossbetriebs kennen, knüpfte wertvolle Kontakte und gewann die Unterstützung der beiden Fabrikherren bei der Beschaffung handbetriebener Spinnmaschinen. 1811 investierte Hans Heinrich Kunz unter Anleitung seines Sohnes einen beträchtlichen Teil seines Vermögens in die Einrichtung einer mechanischen Spinnerei mit 700 Spindeln im Dachgeschoss des Wohnhauses in der Gusch in Oetwil am See.
Der Erfolg des Unternehmens liess Vater und Sohn nach Standorten für eine wasserbetriebene Spinnerei Ausschau halten. Nach zwei erfolglosen Versuchen glückte 1817 die Einrichtung einer Fabrik mit 1560 Spindeln am Aabach in Oberuster, die Heinrich Kunz nach dem Tod des Vaters übernahm. Bereits 1825 konnte er die erste eigene Spinnerei in Niederuster eröffnen, wo er auch die 1831 erstmals importierten Halfselfactors während zwei Jahrzehnten nachbaute. In den folgenden Jahren investierte Kunz seine Betriebsgewinne in die Gründung weiterer Spinnereien in Windisch (1829), Linthal (1839), Rorbas (1840), Kemptthal (1841), Adliswil (1842) und Unter-Aathal (1851). Zu Beginn der 1850er Jahre war er mit 132'000 Spindeln und über 2000 Arbeitern der mit Abstand grösste Spinnereibesitzer in der Schweiz.
Er verdankte diesen Erfolg nicht zuletzt der Spezialisierung der Fabriken auf wenige Garnnummern und der hohen Qualität seiner feinen Garne. Das Unternehmen leitete er von Oberuster aus mit Hilfe einiger Vertrauter, darunter seine Schwester Susanna Zollinger-Kunz (1790-1849), die 1829-1841 die Verantwortung für die Spinnerei in Windisch trug. Zur Erschliessung neuer Absatzmöglichkeiten und zum Verfolgen der technischen Entwicklung war Kunz im In- und Ausland unterwegs, so etwa in England, wo er 1851 die Weltausstellung in London besuchte, in Frankreich, Deutschland und Österreich. Ausschlaggebend für die Standortwahl der Fabriken waren erschliessbare Wasserläufe und käufliche Wasserrechte, um die es nicht zuletzt wegen der Missachtung der Nutzungsbeschränkungen durch Kunz zu ständigen Rechtsstreitigkeiten kam. Die Fabrikationsgebäude liess er alle nach dem gleichen Grundmuster errichten: längsrechteckige, meist fünfgeschossige, quer zum Wasserlauf gestellte, schlichte Zweckbauten mit grossen Fenstern, flachem Sattel- oder Walmdach und markantem Quergiebel. Wo Arbeitskräfte vor Ort fehlten, wurden zudem Kosthäuser für Zuzüger gebaut, so etwa in Niederuster (1827) und Windisch (1837).
Während der persönlich unzugängliche, verhältnismässig bescheiden lebende Kunz die Wohltat von Arbeit und Brot für die wachsende Bevölkerung betonte, prangerten die Kritiker den „Spinnerkönig“ als hartherzigen Schinder an. Tatsächlich entsprachen die Verhältnisse in Kunz’ Spinnereien den damals weit verbreiteten harten Bedingungen: lange Arbeitszeiten, tiefe Löhne, Kinderarbeit trotz kantonalem Verbot, körperliche Züchtigung, Bussgeld, fehlende Kranken- und Unfallversicherung.
Politisch und sozial engagierte sich Kunz zurückhaltend und vor allem dann, wenn es seinen Interessen entsprach, so war er 1835-47 Mitglied der Zürcher Handelskammer, setzte sich öffentlich für den Strassenbau ein oder unterstützte verschiedene Gemeinden in Notsituationen. Gleichzeitig reduzierte er durch Steuerabsprachen seine Leistungspflicht. Die Unternehmensgewinne investierte er im Laufe der Zeit immer mehr in fremde Spinnereibetriebe, Staatspapiere und in den Eisenbahnbau, so dass sein Vermögen schliesslich zu drei Vierteln aus Finanzwerten bestand.1856 verlegte Kunz den Firmensitz von Oberuster nach Zürich, wohl in den zu diesem Zweck erworbenen „Schanzenberg“ an der Rämistrasse. Als der stets unverheiratet gebliebene, kinderlose Kunz 1859 starb wurde sein auf 17 Millionen Franken geschätztes Vermögen unter seine Geschwister und deren Nachkommen aufgeteilt, nachdem diese unter erheblichem öffentlichem Druck 750‘000 Franken für gemeinnützige Zwecke gespendet hatten. O.C.