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Ehem. Brauerei und Wohnhaus „Schanzenberg“, Schönberggasse 1-7

Submitted by ottavio.clavuot on Wed, 11/10/2021 - 06:16

1842 erwarb der aus dem württembergischen Flunau bei Tettnang stammende, in Wangen, Ulm und Ravensburg zu Vermögen gekommene Bierbrauer und Immobilienhändler Joseph Anton Kern (1793-1862) das ehemalige Schanzengelände oberhalb des Rämibollwerks, um eine Bierbrauerei einzurichten. Die nach 1798 eingeführte Wirtschaftsfreiheit und das 1840 beschlossene kantonale Biergesetz bildeten wichtige Voraussetzungen für die Gründung von Brauereien und den Aufschwung der Bierproduktion im Kanton Zürich. In Kerns Auftrag errichtete Wilhelm Waser (1811-66) bis 1844 das Brauereigebäude auf einem künstlich aufgeschütteten Plateau, das die ausgedehnten Keller aufnahm. Zwischen zwei dreigeschossigen Eckbauten – der östliche als Wohnhaus, der westliche als Ökonomiegebäude mit Stallungen und Malzmühle konzipiert – war die eigentliche Brauerei mit Malzdarre, Sudhaus und Kühlschiff im zweistöckigen Mittelteil untergebracht. In den folgenden Jahren entstanden die Fabrikantenvilla mit Garten und Ökonomiegebäude (1844/45, 1956 abgebrochen) sowie ein weiteres Nebengebäude (1851), die spätere Villa „Belmont“.

Panorama Schönberggasse
Rechts der Rämistrasse erhebt sich der "Schanzenberg" hinter der Fabrikantenvilla, links das "Obere Sonnenbühl". Ausschnitt aus dem Panorama der Stadt Zürich, von der Schönberggasse aufgenommen von David Alois Schmid, um 1844.

Als Kern die Brauerei 1852 aufgab, nahm er Wohnung im „Schanzenberg“ und verkaufte die Villa und die Ökonomiegebäude an den „Spinnerkönig“ Heinrich Kunz (1793-1859) aus Oberuster, den damals grössten Schweizer Textilunternehmer, der beabsichtigte, seinen Geschäftssitz nach Zürich zu verlegen. 1862, kurz vor seinem Tod, veräusserte Kern den „Schanzenberg“ an den Seidenhändler Karl Johann Burkhard (1816-83) aus Oberrieden und dessen Schwager, den württembergischen Leinen- und Baumwollhändler Georg Rall-Hummel (1800-72). Die neuen Besitzer erweiterten das Haus um zwei Geschosse: Die beiden fünfstöckigen, nur durch zwei umlaufende Gurten und einen Balkon gegliederten Eckrisalite mit flachem Walmdach und der viergeschossige, analog gestaltete Mittelteil verliehen dem hoch über Florhof und Alter Kantonsschule thronenden Bau einen festungsartigen Charakter. Eine umfassende Modernisierung erfuhr das Haus nach einem erneuten Besitzerwechsel 1896, als die Wohnungen auf der Südseite grosszügige Balkone erhielten.

"Schanzenberg"
Der mächtige Block des "Schanzenbergs" erhebt sich über der Alten Kantonsschule mit Turnhalle und dem Schulhaus Wolfbach.

1862-66 wohnte der literarisch-politische Bohémien Georg Herwegh, der sich 1839 aus Württemberg in die Schweiz abgesetzt hatte, mit seiner Familie in einer der Wohnungen des „Schanzenbergs“. Später lebten hier auch deutsche Studentinnen als Untermieterinnen, die nach Zürich gekommen waren, weil ihnen in der Heimat das Studium verwehrt war, so z.B. Ricarda Huch 1895-96, die sich als Historikerin und Schriftstellerin einen Namen machen sollte, oder Marie Baum (1874-1964), die 1899 in Chemie promovierte, sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland sozialpolitisch engagierte und 1919 als Vertreterin der DDP in die Weimarer Nationalversammlung gewählt wurde. Frieda Bebel (1869-1948), das einzige Kind des deutschen Sozialistenführers August Bebel, kam 1889 nach Zürich, um die Maturitätsprüfung abzulegen. Sie heiratete hier 1891 und zog nach dem Tod ihres Mannes 1912 zusammen mit ihrem Sohn in den „Schanzenberg“. Ihr inzwischen verwitweter Vater weilte oft bei Tochter und Enkel. Als er während eines Kuraufenthalts in Passugg am 13. August 1913 starb, nahm vier Tage später der grösste Trauerzug, den Zürich bisher gesehen hatte, beim „Schanzenberg“ seinen Anfang.

Trauerzug August Bebel
Der Trauerzug für August Bebel vor der Villa "Belmont" am 17. August 1913.

Im gleichen Jahr erwarb der Kanton den „Schanzenberg“, der seit 1918 schrittweise zum Schulhaus umfunktioniert wurde, um Klassen der trotz der 1909 eröffneten Neuen Kantonsschule aus allen Nähten platzenden Kantonsschule aufzunehmen. Zu einer dieser Klassen gehörte 1920 Elias Canetti, der spätere Nobelpreisträger für Literatur. Mit der Eröffnung der Kantonsschule Rämibühl 1970 konnte die Kantonale Mittelschule für Erwachsene in den „Schanzenberg“ einziehen. Ihr folgte 2000-12 die Pädagogische Hochschule, danach die Universität. O.C.

Elias Canetti (1905-1994), Schriftsteller

Submitted by christian.villiger on Thu, 10/14/2021 - 10:25

Der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Elias Canetti (1905–1994) besuchte von 1917 bis 1921 das Realgymnasium der Kantonsschule Zürich.

Es gibt in der Geschichte der Rämibühl-Gymnasien wohl niemanden, der die Schule lieber besucht und später mit grösserer Dankbarkeit an seine Schulzeit zurückgedacht hat, als Elias Canetti.

Elias Canetti während seiner Zürcher Schulzeit

 Elias Canetti während seiner Zürcher Schulzeit

Elias Canetti wurde 1905 in Rustschuk in Bulgarien in eine jüdische Familie hineingeboren. Die erste Sprache, die er lernte, war das Spanisch der sephardischen Juden, auch Spaniolisch oder Ladino genannt. Die Eltern sprachen gut Deutsch, verwendeten diese Sprache aber nur, wenn sie von den Kindern nicht verstanden werden wollten und brachten sie ihnen daher auch nicht bei. 1911 entschlossen sie sich dazu, nach Manchester umzuziehen, weil es ihnen in der Kleinstadt Rustschuk zu eng wurde. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters mit nur 31 Jahren zog die Mutter 1913 mit den Kindern weiter nach Wien und schliesslich 1916 nach Zürich. Canetti lernte innert kürzester Zeit Englisch, Deutsch und – Schweizerdeutsch.

Nach einem Jahr Primarschule besuchte Canetti ab dem Schuljahr 1917/18 das Gymnasium der Kantonsschule Zürich an der Rämistrasse (zuerst im Gebäude der Alten Kantonsschule, dann auf dem Schanzenberg). Nach der zweijährigen Unterstufe musste er sich zwischen dem altsprachlichen Profil mit Griechisch (dem „Literar-Gymnasium“) und dem „Real-Gymnasium“ mit Latein und modernen Fremdsprachen entscheiden. Er wählte letzteres. Über seine Schulzeit, seine Lehrer und Mitschüler schreibt Canetti ausführlich im ersten Band seiner dreiteiligen Autobiographie, der 1977 unter dem Titel Die gerettete Zunge erschienen ist.

Canetti Cover Gerettete Zunge

Über den Schüler Canetti schreibt sein Biograph Sven Hanuschek:

Elias Canetti muss ein ungewöhnlicher Schüler gewesen sein. In den 13 Jahren seiner Schulzeit ist er auf fünf Schulen in vier verschiedenen Ländern gegangen. Trotz der Wechsel hatte er überall herausragende Ergebnisse […]. Vielleicht war die grenzenlose Neugier, die vom Erwachsenen überliefert ist, auch schon beim Kind vorhanden. Seine Erinnerungen an die Schulzeit sind fast durchweg positiv, für die Zürcher Jahre sogar begeistert […]. Angesichts der Schulgeschichten anderer Autoren der frühen Moderne ist Canettis Bild seiner Schulzeit durchaus ungewöhnlich.

In Zürich wohnten die Canettis zunächst an der Scheuchzerstrasse 68 im Kreis 6. Als die Mutter nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wieder nach Wien umziehen wollte, weigerte sich der 14-jährige Canetti, weil ihm die Schule und ihre Lehrer so gut gefielen. Er durfte bleiben und wurde darauf während zwei Jahren als einziger Knabe im Mädchenpensionat Villa Yalta beim Bahnhof Tiefenbrunnen (Seefeldstrasse 287) einquartiert. Canetti ging in dieser Zeit ganz auf in geistigen Beschäftigungen, im Lernen, Lesen und Schreiben; er sprach später von der einzig wahrhaft glücklichen Zeit seines Lebens. Die Mutter wünschte sich für ihren Sohn aber eine härtere Lebensschule als das friedliche, harmonische Zürich und so musste Canetti noch vor der Matur nach Frankfurt am Main übersiedeln.

Villa Yalta Zürich-Tiefenbrunnen

Die einzig vollkommen glücklichen Jahre, das Paradies in Zürich, waren zu Ende. Vielleicht wäre ich glücklich geblieben, hätte sie mich nicht fortgerissen. Es ist aber wahr, dass ich andere Dinge erfuhr als die, die ich im Paradies kannte. Es ist wahr, dass ich, wie der früheste Mensch, durch die Vertreibung aus dem Paradies erst entstand.

Elias Canetti, Die gerettete Zunge

Canettis Abgangszeugnis 1921:

Fleiss: sehr gut

Fortschritt: sehr gut

Betragen: gut

Bemerkungen: Muss nach Deutschland.

(Matrikeleintrag im Schülerverzeichnis des Realgymnasiums Rämibühl)

Die Schuljahre in Zürich waren nicht ganz ungetrübt: Während einigen Monaten im Winter 1919/20 mussten Canetti und seine jüdischen Mitschüler antisemitische Sticheleien und Gehässigkeiten von Schulkameraden erdulden. Canetti verfasste eine Petition an den Rektor, die jedoch äusserlich ohne Wirkung blieb. Dennoch hörten die Sticheleien von einem Tag auf den andern plötzlich auf und schlugen gar in Herzlichkeit um. „Die Angriffe waren übrigens, wie ich später erfuhr, auf eine kluge Weise von oben abgestellt worden, ohne Lärm und Aufhebens.“

In Canettis Schulzeit am Realgymnasium fiel 1919 auch die Feier zum hundertsten Geburtstag von Gottfried Keller. Canettis Klasse musste sich eine Lobrede auf Keller in der Predigerkirche anhören. Canetti und einer seiner Mitschüler spotteten über Keller, den sie für eine Lokalberühmtheit hielten, ohne je etwas von ihm gelesen zu haben. Später wurde Canetti zum begeisterten Keller-Leser.

Hätte ich das Glück, im Jahr 2019 am Leben zu sein, und die Ehre, zu seiner Zweihundert-Jahr-Feier in der Predigerkirche zu stehen und ihn mit einer Rede zu feiern, ich fände ganz andere Elogen für ihn, die selbst den unwissenden Hochmut eines Vierzehnjährigen bezwingen würden.

Gerne hätte man diese Rede – vielleicht in der Aula Rämibühl – gehört im Jahr 2019.

Seine letzte öffentliche Lesung hielt Canetti 1983 an einer Feier zum 150. Jubiläum der Kantonsschule Zürich. Zwei Jahre zuvor war ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen worden. Eigentlich wollte er damals schon gar keine Lesungen mehr geben, aber er fühlte sich der Schule, „die mich geprägt hat wie keine andere“, verpflichtet: „Ich wäre mir sonst als ein Monstrum der Undankbarkeit vorgekommen.“ C.V.

Elias Canetti in späteren Jahren

Sigfried Giedion (1888-1968), Architekturtheoretiker

Submitted by ottavio.clavuot on Thu, 07/08/2021 - 13:20

Als Sohn eines in Lengnau gebürtigen Textilunternehmers in Prag geboren, wandte sich Sigfried Giedion nach dem Ingenieurstudium in Wien der Kunstgeschichte zu und doktorierte 1922 bei Heinrich Wölflin in München mit einer grundlegenden Arbeit über den europäischen Klassizismus. 1923 entwickelte sich aus dem Besuch bei Walter Gropius in Weimar und bei Le Corbusier in Paris eine Freundschaft mit den beiden sowie ein lebenslanges Engagement für eine neue Architektur. Mit ihnen, Karl Moser und weiteren Architektenfreunden gründete er 1928 die CIAM (Congrès Internationaux d’ Architecture Moderne), als deren Generalsekretär er für die Verbreitung der Konzepte des Neuen Bauens sorgte.

CIAM 1933 Giedion Helena Syrkus Le Corbusier
Im Vordergrund Sigfried Giedion, Helena Syrkus und Le Corbusier am CIAM 1933 in Athen.

Auch förderte er die Realisierung von Projekten, die dem neuen Geist verpflichtet waren: in Zürich z.B. als Mitinitiant der Werkbund-Siedlung „Neubühl“ (1930-1932), als Bauherr der eigenen Mehrfamilienhäuser im Doldertal (1932-1936) und als Mitbegründer der „Wohnbedarf AG“ (1932).

Zürich Neubühl
Die von M. E. Haefeli, R. Steiger, W. M. Moser, C. Hubacher, E. Roth, P. Artaria und H. Schmidt erbaute Werkbund-Siedlung Neubühl in Zürich-Leimbach.
Wohnbedarf Zürich 1933
Der von Marcel Breuer und R. Winkler entworfene Verkaufsraum der „Wohnbedarf AG“ an der Talstrasse 11 in Zürich, 1933.

1938 vermittelte ihm Gropius eine Professur in Harvard und ermöglichte ihm dadurch der im Korsett der „Geistigen Landesverteidigung“ auf das Heimatliche setzenden Schweiz zu entfliehen. In den USA verfasste Giedion 1941 mit „Space, Time and Architecture“ die wirkungsmächtigste Apologie der modernen Architektur, der er nach dem Zweiten Weltkrieg 1948 mit „Mechanization Takes Command“ eine Kritik des Fortschrittsglaubens und der Allmacht technisch-wissenschaftlicher Rationalität gegenüberstellte. Giedion, seit 1946 einflussreicher Dozent an der ETH, war überzeugt von der revolutionierenden Kraft wissenschaftlich-technischer Rationalität, aber auch von der Unabdingbarkeit einer in der Geschichte wurzelnden kulturellen Humanität. So setzte er sich ein für die rationalistische Interpretation der Moderne – vertreten durch Le Corbusier und die Bauhaus-Architekten Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe – wie für deren organische Spielart – verkörpert durch Alvar Aalto –, kämpfte für die Erhaltung der die Atmosphäre einer Stadt bestimmenden „anonymen Architektur“  und forderte eine die sozio-ökonomischen und psychischen Bedürfnisse versöhnende Stadtplanung. O.C.

Giedion CIAM Ed Girsberger 1951
Buchumschlag von Giedions Bericht über die CIAM, 1951.

Emil Georg Bührle (1890-1956), Unternehmer und Mäzen

Submitted by ottavio.clavuot on Thu, 07/08/2021 - 13:14

Als Sohn eines Beamten in Pforzheim geboren, studierte Emil Georg Bührle in Freiburg, München und Berlin Germanistik und Kunstgeschichte. Das Fronterlebnis als Kavallerieoffizier im Ersten Weltkrieg und die Nachkriegssituation in Deutschland führten zur beruflichen Umorientierung. 1919 beteiligte er sich als Mitglied eines Freikorps an der Niederschlagung des Spartakisten-Aufstands in Berlin. Im gleichen Jahr trat er in die Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik ein, die ihn 1924 zur Sanierung der 1923 erworbenen, maroden Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) nach Zürich schickte. Ganz im Interesse des Auftraggebers an der Umgehung der Rüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags setzte Bührle auf die Entwicklung und die Produktion einer 20mm-Flabkanone, die mit Munition und Zubehör bald in vielen Ländern Europas und Asiens Abnehmer fand. Mit dem Geld seines Schwiegervaters, des Magdeburger Bankiers Ernst Schalk, erwarb er 1929 die Aktienmehrheit der WO und wurde 1937 – im Jahr seiner Einbürgerung in der Schweiz – alleiniger Eigentümer. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Bührle, der über gute Kontakte zu hohen NS-Funktionären verfügte, mit Billigung des Bundesrats zum wichtigsten Schweizer Waffenlieferanten der Achsenmächte.

Bührle und Guisan
General Henri Guisan 1953 zu Besuch bei Emil Georg Bührle in der WO in Oerlikon.

Gleichzeitig produzierten die USA und Grossbritannien Oerlikon-Bührle-Geschütze in Lizenz. Bührles Vermögen nahm sprunghaft von 8.5 Mio. auf 170,7 Mio. Franken zu. Bei Kriegsende der reichste Schweizer, wurde er einerseits als Aufsteiger, „grösster und skrupellosester Kriegsgewinnler“ und „Nazi-Freund“ heftig angefeindet und war andererseits bestens mit wirtschaftsliberalen und antikommunistischen Kreisen vernetzt sowie als Mäzen geschätzt. Mit dem Beginn des Kalten Kriegs und dem Ausbruch des Koreakriegs 1950 kam das Waffengeschäft der WO, deren ballistische Raketen sehr begehrt waren, erneut in Schwung, und Bührle konnte es sich erlauben, ohne Rücksicht auf die Schweizer Aussenpolitik Rüstungsgüter zu exportieren. In der Folge entwickelte sich das Unternehmen zu einem weitgefächerten Konzern.

Bührle Waffenproduzent
Bührle präsentiert sich 1954 vor ballistischen Raketen, einem der Verkaufsschlager der WO.

Nach dem Erwerb erster Bilder seit 1920 hatte Bührle ab Mitte der 1930er Jahre begonnen, eine neben mittelalterlichen Plastiken und Gemälden alter Meister vor allem Bilder des französischen Impressionismus und der klassischen Moderne umfassende Kunstsammlung aufzubauen. Während er den Grossteil der schliesslich über 600 Bilder nach 1945 auf dem internationalen Kunstmarkt erstand, hatte er während des Zweiten Weltkriegs ohne Bedenken auch Bilder aus geraubten Beständen gekauft. Als Förderer der Kultur gründete er verschiedene Stiftungen und finanzierte den 1958, zwei Jahre nach seinem Tod, eröffneten Ausstellungssaal des Kunsthauses („Bührle-Bau“). Im 2021 eingeweihten Erweiterungsbau des Kunsthauses ist die 1960 von den Erben in eine Stiftung eingebrachte, der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Sammlung ein Kernstück der Ausstellung. O.C.

Emil Georg Bührle Mäzen
Bührle inszeniert 1954 sich als Kunstsammler vor Bildern seiner Kollektion.

Theodor Froebel (1810-93), Gärtner und Samenhändler

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 21:26

Geboren in Griesheim (Thüringen) als Sohn eines Pfarrers, Bruder Julius Froebels und Neffe des deutschen Pädagogen und Erfinders des Kindergartens, Friedrich Froebel (1782-1852), hat Theodor Froebel seine Erziehung in der Anstalt des Onkels im thüringischen Keilhau erhalten und sich in den botanischen und fürstlichen Gärten Göttingens, Münchens, Weimars und Potsdams zum Gärtner ausbilden lassen.

Theodor Froebel

Theodor Froebel, undatierte Foto.

1834 als Gärtner an der nach dem liberalen Umsturz zwei Jahre zuvor neu gegründeten Universität Zürich eingestellt, wirkte er an der Anlage des neuen Botanischen Gartens auf dem mit der Entfestigung der Stadt aufgehobenen Bollwerk zur Katz mit.

Plan Botanischer Garten

Theodor Froebel, Entwurfszeichnung für den Botanischen Garten auf der Katz, 1834.

Schon ein Jahr später gründete er eine eigene Handelsgärtnerei, die unter seinem Sohn Otto (1844-1906) und seinem Enkel Robert (1878-1966) bis 1933 florierte. Seit Beginn der 1840er Jahre avancierte Froebel zum angesehenen Gestalter von Parks und grossbürgerlichen Villengärten, Schon ein Jahr später gründete er eine eigene Handelsgärtnerei, die unter seinem Sohn Otto (1844-1906) und seinem Enkel Robert (1878-1966) bis 1933 florierte. Seit Beginn der 1840er Jahre avancierte Froebel zum angesehenen Gestalter von Parks und grossbürgerlichen Villengärten, z.B. des Parks der Villa Wesendonck (1855-57, heute Museum Rietberg). z.B. des Parks der Villa Wesendonck (1855-57, heute Museum Rietberg).

Rieterpark

Park der Villa Wesendonck (Rieterpark).

Die Froebels waren zudem versierte Samenzüchter und Pflanzenhändler mit einem breiten Angebot gerade exotischer Arten, deren Pflanzung im Laufe des 19. Jahrhunderts Mode wurde.

Froebel Katalog

Katalog der Firma Froebel, 1899.

Auch im Villenquartier am Rämi scheint die Firma Froebel an der Gestaltung von Gärten beteiligt gewesen zu sein, wie eine 1886-89 für den Park des Wohnhauses Fierz angefertigte Planzeichnung Otto Froebels und des aus Belgien stammenden Gartenarchitekten Evariste Mertens (1846-1907) nahelegt. O.C.

Ober- und Ordnungsbegriffe

Carl Ferdinand von Ehrenberg (1806-41), Architekt und Publizist

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 20:07

Geboren in Halle, studierte Carl Ferdinand von Ehrenberg in München und an der Bauakademie in Berlin Architektur. Seit 1831 lebte er in Zürich und unterrichtete er an den nach dem liberalen Umsturz 1832 neu gegründeten Bildungsinstitutionen: an der Industrieschule (Vorläufer des MNG Rämibühl) technische Fächer und als erster akademischer Architekturlehrer der Deutschschweiz an der Universität Architektur und Ästhetik sowie Strassen-, Brücken- und Wasserbau. 1835 gründete er im Bestreben, die ästhetische und technische Qualität im rasch expandierenden, weitgehend handwerklichen Bauwesen zu heben, die erste schweizerische Zeitschrift für Architektur, die „Zeitschrift über das gesammte Bauwesen“, und 1837 zusammen mit Gustav Albert Wegmann die Gesellschaft Schweizerischer Ingenieure und Architekten (später Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein SIA).

Zs Bauwesen 1836

Zeitschrift über das gesammte Bauwesen, 1. Jahrgang, 1836.

Als Architekt baute er u.a. in Zürich 1837 sein eigenes Wohnhaus, die klassizistische, republikanisch schlichte Villa Ehrenberg (Rämistrasse 26, heute Lyzeumklub), Fabrikantenvillen in Glarus und den Bischofspalast in Sitten. O.C.

Villa Ehrenberg

Die vom Architekten als eigenes Wohnhaus erbaute Villa Ehrenberg (heute Lyceum Club Zürich), Rämistrasse 26.

Schauspielhaus Zürich (Institution), Heimplatz

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:34

Das Schauspielhaus Zürich im "Pfauen" blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. 1901 mit Goethes «Mitschuldigen» als Schauspielhaus eröffnet, blieb es bis 1938 ein Privattheater, zuletzt im Besitz von Ferdinand Rieser. Auf Initiative des Verlegers Emil Oprecht, des Dramaturgen Kurt Hirschfeld und mit couragierter Unterstützung des damaligen Stadtpräsidenten Emil Klöti wurde die «Neue Schauspiel AG» ins Leben gerufen.

Eine künstlerische Aufwertung erfuhr das Haus in den dreissiger und vierziger Jahren durch Emigranten aus Nazi-Deutschland. Das Theater avancierte zu einer Bühne mit explizit antifaschistischer Linie und kritischem Spielplan. Zu den bereits unter Rieser engagierten Emigranten holte Oskar Wälterlin unter anderem Maria Becker sowie die Schweizer Schauspieler Anne-Marie Blanc und Heinrich Gretler ins Ensemble.

Einer der prägendsten Regisseure dieser Zeit war Leopold Lindtberg. Aus dem Spielplan ragen besonders zwei Inszenierungen von Lindtberg heraus: 1934 die deutsche Erstaufführung des ersten Kampfstückes gegen den Nationalsozialismus von Friedrich Wolf «Professor Mannheim» (eigtl. «Prof. Mamlock») und 1941 die Uraufführung von Bertolt Brechts «Mutter Courage und ihre Kinder» mit Therese Giehse in der Titelrolle. Auch andere grosse Stücke Brechts hatten im Schauspielhaus Zürich ihre Uraufführung: «Der gute Mensch von Sezuan», «Leben des Galilei», «Herr Puntila und sein Knecht Matti».

Die «Frontisten» in der Schweiz, die die hitlersche Ideologie des Antisemitismus und Nationalismus übernahmen, entfesselten gegen das Schauspielhaus einen eigentlichen Kulturkampf. Ihre Kampfverbände scheuten vor gewalttätigen Aktionen nicht zurück, so dass bestimmte Aufführungen nur unter Polizeischutz über die Bühne gehen konnten.

Überhaupt galt die Zustimmung des Schweizer Publikums weniger dem politischen Emigrantentheater als vielmehr dem Theater der Geistigen Landesverteidigung. In der Person Leopold Lindtbergs wird dieser Konflikt besonders deutlich: Angesichts seiner jüdisch-österreichischen Herkunft wurde er Opfer öffentlicher Anfeindungen – obwohl er gleichzeitig für die bedeutsamste Schweizer Filmproduktionsgesellschaft «Praesens-Film» ab 1935 in zahlreichen Schweizer Film-Klassikern Regie führte und damit durchaus eine zentrale Figur der Geistigen Landesverteidigung darstellte. Bekannt wurden insbesondere «Füsilier Wipf» (1938), «Wachtmeister Studer» (1939), «Landammann Stauffacher» (1941) und «Marie-Louise» (1944).

Schauspielhaus Gretler Tell

Heinrich Gretler als Wilhelm Tell (1939)

In den 50er Jahren entdeckte Wälterlin zusammen mit seinem Dramaturgen Kurt Hirschfeld die damals noch gänzlich unbekannten Dramatiker Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt – viele ihrer Stücke wurden hier uraufgeführt. Nach Wälterlins Tod kam es zu einem häufigen Wechsel der Direktoren.

Zum ersten Mal in seiner Geschichte wurde das Zürcher Schauspielhaus unter seinem Direktor Christoph Marthaler in den Jahren 2002 und 2003 zum «Theater des Jahres» gewählt. Und seit 2000 besitzt dieses Theater drei Bühnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen das traditionsreiche Haus am Pfauen und ausserdem drei flexibel bespielbare Theaterräume – die Schiffbauhalle, die Box und die Matchbox im Schiffbau. 

Ab der Spielzeit 2009/2010 bis 2018/2019 leitete Barbara Frey als erste Intendantin das Schauspielhaus Zürich. Seit der Spielzeit 2019/2020 haben Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann die Intendanz des Schauspielhauses angetreten. R.K.

Kantonsschule Rämibühl - Aula

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:30

An Stelle der heutigen Aula Rämibühl hatte sich August Adolf Ludwig Follen mit der Villa „(Unteres) Sonnenbühl“ wohl von Carl Ferdinand von Ehrenberg 1835/36 die erste Villa am Rämi erbauen lassen. Hier und 1843-47 in der Villa „Sonneck“ (heute „Tanneck“) pflegte Follen ein offenes Haus. Damit wurde dieses Gebiet Hottingens zu einem Ort des kulturellen Wirkens und des Austauschs vor allem aus Deutschland zugewanderter Literaten, Künstler, Gelehrter und politischer Aktivisten. 1966 wurde die Villa zusammen mit sieben weiteren Bauten abgerissen, um Platz zu machen für die Kantonsschule Rämibühl. Als Bestandteil des Rämibühl besitzt die Aula eine Sonderstellung sowohl hinsichtlich der einer breiteren Öffentlichkeit dienenden Bestimmung als auch bezüglich ihrer Inszenierung und Gestaltung. Mit der Hauptfront orientiert sie sich nicht auf das Schulareal, sondern nach aussen, von wo sie über den breiten sich platzartig gegen Aula und Mensa hin weitenden Treppenaufgang (Südrampe) erreicht werden kann. Prominent entfaltet sich ihre Eingangsfront in einem Fächer schlanker, frei in den Himmel ragender, nach innen gewölbter Wandscheiben aus Beton, zwischen die Fensterbänder gespannt sind. Zum Instrument der Gestaltung wird die Schalung der Aussenfläche dieser Wandscheiben, in die der Architekt Eduard Neuenschwander Schwartenbretter hatte einlegen lassen, so dass eine vertikal gerippte Oberfläche entstand. Vielleicht mehr noch als die Betonpfeilerfassaden der beiden Schulhäuser hat die Architektur der Eingangspartie der Aula skulpturalen Charakter.

Aula Rämibühl

Aula Rämibühl, Eingangsfront.

Der Theaterbau ist im Kern als Kubus auf quadratischem Grundriss ausgebildet, in den das Kreissegment der Zuschauerränge hineingestossen ist, an das rechts der Bühne die „Lehrerloge“ anschliesst. Geschickt hat Neuenschwander das Gefälle des Geländes genutzt, um unter den ansteigenden Zuschauerrängen ein grosszügiges Foyer zu schaffen, dessen Betondecke sich vom Haupteingang her gegen die unter dem „Parkett“ liegende, vor leicht gekrümmten, weiss gekachelten Wandscheiben eingerichtete Garderobe absenkt. In einer Gegenbewegung führt die parallel zur grossen Aussentreppe ansteigende und sich weitende Innentreppe vom Foyer zum Saaleingang hinauf, dessen Vorplatz durch ein quer zu den lamellenartig wirkenden Unterzügen laufendes Oberlichtband beleuchtet wird. O.C.

Rämibühl Aula
Aula Rämibühl, Saal.