Heinrich Hürlimann, gelernter Küfer aus Dürnten, entwickelte sich seit der Eröffnung des Gasthofs „Zum Pfauen“ 1879 zum umtriebigen und erfolgreichen Unternehmer im Zürcher Unterhaltungs- und Erholungsbusiness. Nachdem er 1888/89 den heute noch weitgehend erhaltenen Wohn- und Theaterkomplex „Zum Pfauen“ von Alfred Chiodera und Theophil Tschudy hatte errichten lassen, veranlasste ihn der Erfolg seines „Volkstheaters am Pfauen“, in Hottingen ein breit gefächertes Unterhaltungs- und Freizeitangebot zu schaffen. Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der ersten elektrischen Zürcher Tramlinie Bellevue – Pfauen – Römerhof – Kreuzplatz im März 1894 gründete er eine Aktiengesellschaft mit dem Ziel, den Zürichberg als Villenviertel und Naherholungsgebiet mit einer Standseilbahn zu erschliessen und mit Wildpark, Wirtshäusern und Kurhotel auszubauen.
Jungfernfahrt des ersten, von der Maschinenfabrik Oerlikon produzierten elektrischen Trams am 8. März 1894 vor dem „Pfauen“.
Bereits 1895 nahm die Dolderbahn den Betrieb auf. Im folgenden Jahr erwarb die Aktiengesellschaft 530‘000 m2 Wald im Doldertal und beauftragte Jacques Gros (1858-1922), einen Spezialisten für Bauten im Schweizer Holzstil, mit dem Bau des Wirtshauses „Waldhaus Dolder“, dem ein Wildpark mit Spazierwegen und Restaurant-Pavillon im angrenzenden Wald angegliedert war. 1897-99 erbaute der gleiche Architekt das „Curhaus und Hotel Dolder“ (heute Grand-Hotel Dolder) als „fein eingerichtetes Hôtel in gesunder, herrlicher Lage“. Bis 1916 nur im Sommer betrieben, wurde es während des Ersten Weltkriegs zum Domizil gut betuchter Flüchtlinge aus dem kriegsversehrten Ausland. Der Bau des „Römerhofs“ als Wohnhaus, Hotel und Talstation der Dolderbahn durch Louis Hauser (1861-1914) in Gestalt eines neobarocken Palais 1898-1900 rundete das Grossprojekt der Schaffung einer Erholungslandschaft am Zürichberg ab. O.C.
Grand Hotel und Waldhaus Dolder mit Wildpark. Postkarte, abgestempelt am 2.6.1898.
Bauherr der sogenannten „Escher-Häuser“ war der 1795-1814 in den USA mit Grundstück- und Kolonialwarenhandel reich gewordene Grosskaufmann und Vater Alfred Eschers, Heinrich Escher-Zollikofer (1776-1853). Seine Absicht, nach der Niederlegung des barocken Schanzenrings ein ganzes, einheitlich geplantes, städtisches Quartier an der neuen Anbindung des Hottinger Zeltwegs an die Altstadt anzulegen, stiess auf grossen Widerstand und konnte schliesslich nur in reduzierter Form realisiert werden. Dennoch sind die „Escher-Häuser“ Ausdruck der neuen wirtschaftlichen Dynamik im Kanton Zürich und der Urbanisierung der stadtnahen Bauerngemeinde Hottingen nach der liberalen Revolution 1830.
Escher-Häuser, Gebäudezeile am Zeltweg. Zeichnung um 1860.
Die stattliche, klassizistische, durch Risalite und den zentralen Hofdurchgang gegliederte Gebäudezeile am Zeltweg mit den zugehörigen Hinterhäusern errichtete der Architekt Leonhard Zeugheer 1836-40. Der sich über 31 Fensterachsen ersteckende Frontbau war das erste vornehme, als Kapitalanlage errichtete Mietshaus in Zürich.
Die herrschaftlichen Wohnungen waren mit Wandtäfer, Kachelöfen mit Goldornamentik, Wand- und Deckenmalereien ausgestattet. In das repräsentative Appartement im Mitteltrakt (Nr. 11) zog die Tochter des Bauherrn, die Malerin Clementine Stockar-Escher (1816-86) mit ihrer Familie ein. Am Zeltweg 13 wohnte Richard Wagner 1849-57. Im Haus Nr. 9 lebten die Kinderbuchautorin Johanna Spyri 1886-1901 und der Komponist Paul Burkhard 1935-57. In Nr. 7 logierte der Komponist Rolf Liebermann 1948-50.
In den Hinterhäusern befanden sich die Wohnungen für die Dienstboten – ebenfalls ein Novum im städtischen Umfeld und Zeichen eines erwachenden sozialen Bewusstseins. Die dreiteilige, schlichte Häuserzeile mit Satteldach orientiert sich sowohl in der äusseren Gestalt als auch im Grundriss der für damalige Verhältnisse grosszügig dimensionierten Etagenwohnungen an den Kosthäusern der ländlichen Industriebetriebe des frühen 19. Jahrhunderts. O.C.
Vor 1830 war Hottingen eine verkehrstechnisch relativ isolierte, selbständige Bauern- und Handwerkergemeinde mit ländlicher Streusiedlung, Manufakturen (z.B. „Tapetenfabik“ am Zeltweg seit 1767) und aristokratischen Landsitzen (z.B. Beyel-Gut an der Freiestrasse/Klosbachstrasse). Durch den barocken Schanzenring von der Stadt abgeschnitten, war das Gemeindezentrum Hottingens am Baschligplatz zu Fuss durch die 1653 errichtete Hottinger-Pforte im Bereich des heutigen Heimplatzes (Pfauen) erreichbar, mit Pferd und Wagen nur über Stadelhofen – Kreuzplatz – Zeltweg – Gemeindestrasse.
Plan von Zürich, Johannes Müller, 1793. Ausschnitt. An den barocken Schanzenring angrenzend die Gemeinden Hottingen und Fluntern.
Mit der Niederlegung des Schanzenrings seit 1833 im Gefolge des liberalen Umsturzes 1830 entwickelte sich an der Stadtgrenze entlang des Wolfbachs (Wolfbachstrasse) ein vom schlichten Klassizismus der Baumeisterhäuser geprägtes Gewerbequartier, während im Bereich des ehemaligen Rebbergs am Rämi ein Villenquartier mit grosszügigen Gartenanlagen entstand, das sich rasch zu einem Ort des kulturellen Wirkens und des Austauschs vor allem aus Deutschland zugewanderter Literaten, Künstler, Gelehrter und politischer Aktivisten entwickelte.
Wildkarte des Kantons Zürich, 1843. Ausschnitt.
Mit der Beseitigung der Schanzen und der Verbindung des Zeltwegs mit der neuen Rämistrasse 1836 verbesserte sich Hottingens verkehrstechnische Anbindung bis zum Bau der Hottingerstrasse 1871/72 nur geringfügig. Verbunden mit der Anlage dieser leistungsfähigen Verkehrsachse war die Eindohlung des Wolfbachs und die systematische, planmässige, angemessene Strassen und Freiplätze sichernde Erschliessung des Gemeindegebiets, wie sie 1873 mit dem Projekt für den Strassenraster zwischen Zeltweg und Hottingerstrasse angestrebt wurde.
„Projekt über das künftige Strassennetz im Baurayon Hottingen. Vorlage der erweiterten Gemeindebehörde an die Gemeindeversammlung vom 20ten Novbr 1873“.
Damit setzte der rasante Wandel zum gut erschlossenen, 1893 eingemeindeten,ein Jahr später von der ersten elektrischen Zürcher Tramlinie Bellevue – Pfauen – Römerhof – Kreuzplatz bedienten, grossstädtischen Quartier und Universitätsviertel mit vielerlei internationalen Bezügen ein. Rasch wurde das Gemeindegebiet mit repräsentativen Wohnbauten urbanen Charakters überzogen, die teilweise noch von Baumeistern, vermehrt jedoch von an der ETH akademisch geschulten, von Gottfried Semper geprägten Architekten errichtet wurden. O.C.
Aus dem liberalen Umsturz 1830 ging der moderne Kanton Zürich mit einer Stadt und Land politisch und wirtschaftlich einenden demokratischen Ordnung hervor. Die neue Verfassung vom März 1831 gewährte neben der gleichberechtigen, demokratischen Mitsprache der ländlichen und städtischen Bevölkerung auch Niederlassungsfreiheit sowie Handels- und Gewerbefreiheit. Mit einer Bildungsreform, die 1832 zum Ausbau der Volksschule und zur Gründung von Kantonsschule (Gymnasium) und Universität führte, sowie dem raschen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in der Stadt und auf dem Land legten die Liberalen weitere Grundlagen für den raschen wirtschaftlichen und demografischen Aufschwung Zürichs. Städtebaulich wird diese Entwicklung in der Niederlegung des barocken Schanzenrings 1833-42 und der Nutzung des dadurch frei werdenden Geländes für Strassen (z.B. Rämistrasse, 1836 angelegt), Kulturbauten des neuen Staatswesens (z.B. Alte Kantonsschule und Universität) und private Wohn- und Gewerbebauten (z.B. „Schanzenberg“) sowie im raschen Wachstum der stadtnahen Gemeinden (z.B. Hottingen) fassbar. O.C.
„Malerischer Plan der Stadt Zürich und ihrer Umgebungen“, Zeichnung von Franz Schmid, Aquatintablatt, verlegt bei Hans Felix Leuthold, 1846/47. Ausschnitt.
Durch die Verlängerung der Gloriastrasse bis an die Rämistrasse wurde 1937 die städtebauliche Situation im Bereich des Kantonsspitals geklärt: Der untere Teil der Wässerwiese stand nun für den Bau von Turnanlagen zur Verfügung, das Areal gegenüber Universität und ETH für den Neubau des Kantonsspitals. So wurde endlich die Planung einer „Turnanlage für die Kantonalen Lehranstalten“ oberhalb der „Neuen Kantonsschule“ in Angriff genommen, die – verzögert durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 – Hermann Fietz d. J. zusammen mit Max Ernst Haefeli 1940-42 realisierte. Die Anlage besteht aus mehreren, gestaffelt angeordneten, Gelände und Funktion abbildenden Baukörpern sowie aus einem Turn- und Spielplatz, der im Rahmen der „Anbauschlacht“ zunächst landwirtschaftlich genutzt wurde.
Mit ihrer gerasterten Fassadengliederung, gut sichtbar etwa im Betongitterwerk Turnhallenfenster, und den flach geneigten Satteldächern sind die Bauten typische Vertreter der gemässigt modernen Schweizer Architektur im Geist der Landesausstellung 1939. Deren Pavillons beanspruchten im Sinne der „Geistigen Landesverteidigung“, durch die Verbindung des funktionalistischen Ansatzes mit traditionellen Formelementen eine spezifisch schweizerische Moderne zu verkörpern.
Baukörper der Duplex-Turnhallen mit dazwischen liegendem, niedrigeren Garderobetrakt.
An die „Landi“ erinnert auch die 1943-47 in Castione-Marmor ausgeführte, überarbeitete Fassung der von Hans Brandenberger (1912-2003) geschaffenen monumentalen Gipsplastik „Wehrbereitschaft“, die in einem Pavillon der Höhenstrasse aufgestellt war und den Wandel vom friedlichen zum kampfbereiten Bürger zeigen sollte. O.C.
Soldatenfigur des in Niederländisch-Indien (heute Indonesien) geborenen und aufgewachsenen Auslandschweizers Hans Brandenberger.
Nach dem Zusammenschluss der 1787 von Künstler und Kunstliebhabern gegründeten Künstlergesellschaft und des 1895 ins Leben gerufenen Vereins Künstlerhaus im Jahr 1896 zur Zürcher Kunstgesellschaft, begann diese 1902 mit der Planung eines neuen Museumsbaus für die Sammlung der Künstlergesellschaft und einer Kunsthalle für temporäre Ausstellungen. Der vorgesehene Standort im Garten des von Johann Heinrich Landolt (1831-85) der Stadt vermachten, im Tausch für das Künstlergüetli der Kunstgesellschaft überlassenen Familiensitzes „Zum Lindenthal“ war ideal: Nach der Niederlegung der Schanzen und der Anbindung des Zeltwegs (1834), der Anlage von Rämi- (1836) und Hottingerstrasse (1871/72) sowie des Baus der Quaibrücke (1882-84) war die Kreuzung nördlich des „Lindenthals“ zu einem zentralen Verkehrsknotenpunkt zwischen Altstadt und Hottingen, Enge und Fluntern geworden. Zusammen mit dem Schauspielhaus im Theater „Zum Pfauen“ bildet das Kunsthaus heute den Auftakt zur Kulturmeile, die sich seit dem Bau der Alten Kantonsschule entlang der Rämistrasse entwickelt hatte. Diese städtebauliche Situation manifestiert sich im 1907-10 von Karl Moser als Tempel der Kunst und Tor zur Altstadt gestalteten, aus zwei Baukörpern bestehenden Museumskomplex. Im Gegensatz zu Gustav Gull, der das Landesmuseum 1892-98 als Nationalmonument konzipiert hatte, dessen spätmittelalterliche Architekturanleihen die Blütezeit der Alten Eidgenossenschaft beschworen, bezog sich Moser auf die Antike als Blütezeit der Kunst, indem er eine Formensprache wählte, die einem nüchternen, griechisch geprägten Jugendstil verpflichtet ist.
Der den Platz dominierende, dreigeschossige, kubische Hauptbau mit tempelartigem Eingang und monumentalem Metopenfries unter der mächtigen Pyramide des Glasdachs nahm die Verwaltung, den grosszügigen Treppenaufgang zur doppelgeschossigen, lichthofartigen Halle sowie die Räume und den grossem Oberlichtsaal für die Sammlung auf. Den zweigeschossigen, niedrigeren grosszügig befensterten Ausstellungstrakt mit abgewinkelten Ecken gegen die Rämistrasse, dessen obere Fassadenhälfte eine toskanische Säulenarchitektur mit Nischenfiguren feingliedriger erscheinen lässt, überspannt ebenfalls ein Glaswalmdach.
Im Sinne eines Gesamtkunstwerks hat Moser Architektur, Bauplastik, Ausstattung und Ausstellungsgut zu einer Einheit verbunden. Das von der Wiener Sezession inspirierte Innere umgibt durch die Wandbilder von Ferdinand Hodler und Cuno Amiet in der Halle, die üppigen, Akzente setzenden Ornamente, die farbige Wand- und Bodenverkleidung in erlesenen Materialien sowie die darauf abgestimmten Möbel und Leuchter die gezeigte Kunst mit einer sakrale Aura.
Das rasche Wachstum der Sammlung machte schon bald eine erste Erweiterung nötig, die Moser in Anlehnung an den Hauptbau 1924-26 als Kubus mit Glaswalmdach zwischen Altbau und „Lindenthal“ (1972 abgebrochen) realisierte. Die verglichen mit dem Altbau karge, den Funktionalismus der niederländischen Moderne aufnehmende Architektur der Ausstellungsräume konzipierte Moser nun als diskreten, neutralen Hintergrund der ins Zentrum gerückten Bilder und Skulpturen.
Während der 1954-58 zu Mosers Kunsthaus hinzugefügte„Bührle-Bau“ den Altbau mit dem Erweiterungsbau nördlich des Platzes verbindet, ist der 1973-76 angebaute Ausstellungstrakt vom Heimplatz aus nicht sichtbar.O.C.
Bereits 1938 propagierte Hans Hofmann, der Chefarchitekt der Landesausstellung 1939, im Zusammenhang mit Erweiterungsplänen des Kunsthauses in Anlehnung an Vorschläge Karl Mosers die Idee einer „Kunstinsel“ am Heimplatz, der geschlossen umbaut und für Fussgänger reserviert werden sollte. Der endgültige Verzicht auf Pläne zum Teilabbruch des Quartiers zwischen Zähringerplatz und Hirschengraben und zur Verlängerung der Kantonsschulstrasse in Richtung Altstadt machten 1942 zusammen mit der Finanzierung durch den umstrittenen Grossindustriellen und Kunstsammler Emil Georg Bührle den Weg frei für die Planung der Kunsthauserweiterung auf dem Areal des Krautgartenfriedhofs, wo Georg Büchner 1837 beerdigt worden war, und des Hauses „Zum liegenden Hirschli“, wohl Johann Heinrich Pestalozzis Geburtshaus. Heftige Kontroversen um die städtebauliche Situation zwischen Altstadt und Heimplatz, aber auch Finanz- und Materialknappheit in den ersten Nachkriegsjahren verzögerten die Realisierung des 1944 siegreichen Wettbewerbsprojekts der Brüder Hans und Kurt Pfister.
Während der zehn Jahre bis zur Ausführung erfuhr der als frei bespielbare Ausstellungshalle konzipierte Neubau eine umfassende Überarbeitung.
Im Geist der klassischen Moderne wurde er schliesslich 1954-58 als durchlässiger Riegel errichtetet: Der an Le Corbusiers Pilotis-Bauten erinnernde, aufgestelzte Balken des stützenfreien Oberlichtsaals (70 x 18 x 5 m) über der Fussgängerpassage zur Altstadt zwischen dem transparenten Restaurant und dem Vortragssaal begrenzt den Vorplatz vor dem Kunsthaus, ohne ihn gegen die Altstadt abzuschliessen. An Karl Mosers Kunsthaus ist er über eine Treppenrampe und verglaste Verbindungsgänge angebunden, die einen Kunsthof umschliessen. Durch sein grosses, raumgreifendes Volumen, seine streng kubische Form und die mit senkrecht gerillten Betonplatten verkleideten, an den Längsseiten durch ein vertikal gegliedertes Fensterband Ein- und Ausblick gewährenden Fassaden verbindet er heute den südlichen Kunsthaus-Komplex mit dem Erweiterungsbau nördlich des Platzes. O.C.
An Stelle des ehemaligen Wolfbachweihers, der beiden Turnhallen und des Turnplatzes der Alten Kantonsschule errichtete David Chipperfield (* 1953) 2016-21 einen mächtigen Kubus von mehr als 60 m Kantenlänge und 21 m Höhe, der einerseits die Sicht auf die Alte Kantonsschule auf der Schanze verstellt, andererseits den Heimplatz zum Kulturforum umgestaltet. Bereits 1934 hatte Karl Moser den Platz für einen Ausstellungsbau vorgeschlagen. Vier Jahre später propagierte Hans Hofmann, der Chefarchitekt der Landesausstellung 1939, im Zusammenhang mit der Planung des „Bührle-Baus“ die Idee einer „Kunstinsel“ am Heimplatz, der geschlossen umbaut und für Fussgänger reserviert werden sollte. In den 1960er Jahren ortete der Architekt und Publizist Alfred Roth hier „das eigentliche kulturelle Zentrum der Stadt“, das mit dem 1964 prämierten Projekt für den Schauspielhausneubau von Jörn Utzon (1918-2008), dem Erbauer der Oper in Sidney, vollendet werden sollte. Utzon schlug einen grossflächigen, sich von der Alten Kantonsschule bis in den Heimplatz hinein ersteckenden Baukörper vor. Die auf den verkehrsbefreiten Platz zuführenden Verkehrsachsen sollten als Teil des geplanten City-Rings massiv verbreitert und teilweise in den Untergrund verlegt werden. Trotz vehementer Unterstützung durch Sigfried Giedion, den Promotor des Neuen Bauens, wurde das mit umfangreichen Abbrüchen und Strassenbauten verbundene auf 86 Millionen Franken veranschlagte Projekt 1970 aufgegebenen.
Den Kunsthauserweiterungsbau hat Chipperfield städtebaulich und gestalterisch sorgfältig in die Umgebung integriert: Die von der Alten Kantonsschule durch den Erweiterungsbau zum Altbau des Kunsthauses verlaufende Achse ist in dessen gegen den Heimplatz und den Kunstgarten offener Eingangshalle erlebbar.
Die lichthofartige Halle mit Treppen und Galerien nimmt das Motiv des Lichthofs und der Halle der beiden anderen Bauten auf und variiert sie. Die vom Kunstgarten hinabführende Treppe in der Eingangshalle spielt mit dem Motiv der grossen Freitreppe vor der Alten Kantonschule.
Der Heimplatz wird zum allseitig umbauten, durch die breiten einmündenden Strassen doch offenen, rechteckigen Platzraum, dessen Randbauten materiell und formal aufeinander Bezug nehmen. Die klassisch-kubische Form des Neubaus und dessen Fassadenstruktur mit Rippenraster, horizontal durchlaufenden, die Geschosse trennenden Simsen und Attika nehmen Bezug auf den klassizistischen Kubus mit Lisenen- und Fensterraster der Alten Kantonsschule, auf die kubisch-kristalline Form von Karl Mosers Sammlungsbau und die toskanische Säulenarchitektur seines Ausstellungstrakts sowie auf den aus gerippten Betonplatten und Bandfenstern gefügten, schwebenden klassisch-modernen Container des „Bührle-Baus“. Die Fassaden aller Bauten am Platz sind mit feinkörnigen Naturstein- oder Betonplatten verkleidet. Trotz seines gewaltigen Volumens wirkt der Neubau Dank der grossen Freiflächen im Norden und Süden und der grossen, unregelmässig hinter dem Rippenraster angebrachten Fensterflächen nicht erdrückend. O.C
In Meilen als Sohn eines Landwirts und Bezirksrichters geboren, gründete Johann Heinrich Fierz nach einer kaufmännischen Lehre in der Bauwollfabrik Hürlimann in Richterswil 1843 zusammen mit Heinrich Hüni ein eigenes Unternehmen. Seit 1845 verheiratet mit Anna Katharina Locher, der Tochter eines Stickerei-Industriellen, führte er ab 1850 einen selbständigen Handelsbetrieb für Baumwolle in Fluntern, wo er sich 1865-67 von Gottfried Semper ein repräsentatives Wohn- und Geschäftshaus erbauen liess. Als Grosskaufmann war er bestens vernetzt, pflegte Kontakte zu Salomon Volkart in Winterthur wie auch zu Alfred Escher und etablierte sich als eigentlicher Wirtschaftsführer der Nordostschweiz. Politisch liberal, war er 1855-74 Nationalrat und 1858-68 Mitglied des Zürcher Grossen Rats. 1856 gründete er zusammen mit Alfred Escher die Schweizerische Kreditanstalt, deren Direktor er 1857-59 war, mit dem Ziel die eigenständige Finanzierung der Industrialisierung und des Eisenbahnbaus zu gewährleisten.
Er engagierte sich 1857 bei der Gründung der Schweizerischen Exportgesellschaft, initiierte 1873 die Kaufmännische Gesellschaft in Zürich, die spätere Zürcher Handelskammer und setzte sich seit 1874 – wenn auch vergeblich – für die Gründung einer Handelshochschule ein. Handelsberater des Bundesrats, 1863 internationaler Handelskommissär der Schweiz in Paris, vertrat er 1869 die Schweiz bei der Einweihung des Suezkanals.
Johann Heinrich Fierz. Druck, Orell Füssli, Zürich.
Als sozial denkender Unternehmer förderte Fierz die Einrichtung von Schulen für Unterbemittelte, die Gewährung von Lehrlingsstipendien und den Bau der ältesten Arbeitersiedlung Zürichs. 1873-79 liess er in Aussersihl durch den von ihm mit Unterstützung von Zürcher Grossunternehmen gegründeten, gemeinnützigen Aktienbauverein 58 zum Verkauf bestimmte, kostengünstige Giebelhäuser in fünf Zeilen und eine Kinderkrippe errichten, deren Anlage sich als Gegenentwurf zu den Mietskasernen an der „cité ouvrière“ in Mühlhausen und der Rieter-Siedlung in Winterthur orientierte. O.C.