Literatur, Dichtung

Georg Büchner (1813-1837), Dramatiker und Dichter

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 21:34

Dichter, Naturwissenschaftler, Mediziner und Revolutionär – das Multitalent Georg Büchner verbrachte die letzten vier Monate seines Lebens in Zürich. 

Georg Büchner
Georg Büchner nach einer Illustration einer französischen Werkausgabe von 1879.

Ende Oktober 1836 schreibt die Mutter, Caroline Büchner, in einem Brief an ihren Sohn: 

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Über seinen neuen Aufenthaltsort schreibt Büchner in seiner Antwort an die Eltern: 

«Was das politische Treiben anlangt, so könnt Ihr ganz ruhig sein. Laßt euch nur nicht durch die Ammenmährchen in unseren Zeitungen stören. Die Schweiz ist eine Republik, und weil die Leute sich gewöhnlich nicht anders zu helfen wissen, als daß sie sagen, jede Republik sei unmöglich, so erzählen sie den guten Deutschen jeden Tag von Anarchie, Mord und Todtschlag. Ihr werdet überrascht sein, wenn ihr mich besucht; schon unterwegs überall freundliche Dörfer mit schönen Häusern, und dann, je mehr Ihr Euch Zürich nähert und gar am See hin, ein durchgreifender Wohlstand; Dörfer und Städtchen haben ein Aussehen, wovon man bei uns keinen Begriff hat. Die Straßen laufen hier nicht voll Soldaten, Accessisten und faulen Staatsdienern, man riskirt nicht von einer adligen Kutsche überfahren zu werden; dafür überall ein gesundes, kräftiges Volk, und um wenig Geld eine einfache, gute, rein republikanische Regierung, die sich durch eine Vermögenssteuer erhält […].» 

Im November 1836 wird Büchner ins Verzeichnis der politischen Flüchtlinge aufgenommen – seine provisorische Aufenthaltsbewilligung gilt aber nur bis Mai 1837. Büchner hält seine Probevorlesung über Schädelnerven und wird in der Folge Privatdozent der Zürcher Hochschule.

Am 18. Dezember 1836 schreibt der Vater Ernst Büchner an seinen Sohn:

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Bis im Januar 1837 vollendet Büchner das Lustspiel «Leonce und Lena» und arbeitet an «Woyzeck».

Am 23. Januar entdeckt Büchner eine Anzeige im «Zürcherischen Wochenblatt»:

«Man wünscht einen oder zwei Herren oder Frauenzimmern ein frohmütiges geheiztes Zimmer sammt Kost, à 3 fl. 20 pr. Woche zu übergeben, ganz nahe an der Stadt in Hottingen No. 158.»

Diese Adresse liegt an der heutigen Wolfbachstrasse 29. Büchner mietet das Zimmer und schreibt an seine Verlobte Wilhelmine «Minna» Jaeglé:

«Das Haus steht nicht weit vom See, vor meinen Fenstern die Wasserfläche und von allen Seiten die Alpen, wie sonnenglänzendes Gewölk.»

Ausserdem bringt Büchner seine Sehnsucht nach der Verlobten zum Ausdruck, wenn er schreibt:

«Du kommst bald? mit dem Jugendmuth ist’s fort, ich bekomme sonst graue Haare, ich muß mich bald wieder an Deiner inneren Glückseligkeit stärken und Deiner göttlichen Unbefangenheit und Deinem lieben Leichtsinn und all Deinen bösen Eigenschaften, böses Mädchen. Adio piccol[a] mia!»

 

 

Minna Jaeglé

Minna Jaeglé (1830)

Am 27. Januar schreibt er an seine Verlobte Minna Jaeglé:

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Friedhof Krautgarten

Franz Hegi, Friedhof Krautgarten (Aquatinta, um 1855)

Georg Büchner wird auf dem nahe der Spiegelgasse gelegenen Friedhof «Krautgarten» beim Bürle-Bau des heutigen Kunsthauses (Link) bestattet. Später wird Büchners Leichnam in die Germaniastrasse umgebettet. Dort am Rigiblick liegt der Freiheitsheld bis heute, bewacht von einer Linde, die anlässlich seines 200. Geburtstags kürzlich gepflanzt wurde. An der Spiegelgasse 12 erinnert heute eine Gedanktafel an den ersten Wohnort Georg Büchners in Zürich. R.K.

Büchners Grabstein

Büchners Grabstein am Rigiblick (Foto: Paebi, © CC BY-SA 3.0)

Büchner Gedenktafel Spiegelgasse 12

Gedenktafel an der Spiegelgasse 12 (Foto: Jochen Teufel)

Ober- und Ordnungsbegriffe

August Adolf Ludwig Follen (1794-1855), Literat und Verleger

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Geboren in Giessen (Hessen) als Sohn eines Landrichters, studierte August Adolf Ludwig Follen an der dortigen Universität und in Heidelberg Philologie, Theologie und Recht. 1814 nahm er als Freiwilliger an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil und engagierte sich in den folgenden Jahren publizistisch in der deutschen Burschenschaftsbewegung. 1819-21 wegen „studentischer Umtriebe“ inhaftiert, floh er 1821 nach Aarau, wo er bis 1827 an der Kantonsschule deutsche Sprache und Literatur unterrichtete und eine der ersten literaturgeschichtlichen Anthologien für höhere Schulen verfasste. Durch Heirat vermögend geworden, lebte er seit 1830 als Literat und Verleger in Zürich. Sein Haus (1835/36-39 im „(Unteren) Sonnenbühl“, 1843-47 im „Sonneck“) wurde Treffpunkt politischer Emigranten und einheimischer Liberaler. Hier trafen sich u.a. Michail Bakunin, Georg Herwegh, August Heinrich Hoffmann von Fallerleben, Ferdinand Freiligrath, Julius Froebel und der junge Gottfried Keller. 1843-45 engagierte sich Follen finanziell in Froebels Verlag „Litterarisches Comptoir“ bis der „Züricher Atheismusstreit“ die beiden entzweite. 1847 erwarb Follen das Schloss Liebenfels im Thurgau, wo er nach der Niederschlagung der Revolution in Deutschland politischen Flüchtlingen Asyl bot. 1855 starb er verarmt in Bern. O.C.

Zürcher Atheismusstreit

Karikatur zum Atheismusstreit. August Follen schwingt die Feder gegen Arnold Ruge. Wochen-Zeitung, 27. Januar 1846.

Julius Froebel (1805-1893), Geograf, Verleger und Nationalist

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 21:30

Geboren in Griesheim (Thüringen) als Sohn eines Pfarrers und Bruder Theodor Froebels, studierte Julius Froebel Geografie und Mineralogie in München, Jena, Weimar und Berlin. 1833 erhielt er auf Empfehlung Alexander von Humboldts in Zürich Lehraufträge an den nach dem liberalen Umsturz 1832 neu gegründeten Bildungsinstitutionen: als Mineraloge an der Universität und als Geograf an der Industrieschule (Vorläufer des MNG Rämibühl).

Julius Froebel 1837
Julius Froebel, Über das Wesen der Bidlung überhaupt und ins Besondere der Volksbildung. Programm der Zürcher Kantonsschule 1837.

1838 heiratete er die Seidenfabrikantentochter Kleopha Zeller. Im „Straussenhandel“ politisch radikalisiert, legte der seit seiner Studienzeit politisch engagierte Froebel 1840 seine Lehrtätigkeiten nieder und gründete mit finanzieller Unterstützung seiner Frau das „Literarische Comptoir“, einen Verlag, der unter anderem Georg Herweghs „Gedichte eines Lebendigen“, frühe Gedichte Gottfried Kellers sowie Schriften Friedrich Engels und Ludwig Feuerbachs publizierte. Nach Kontakten mit dem Büchner-Gefährten Wilhelm Weitling und Michail Bakunin des Kommunismus verdächtigt, mit seinem Freund und Unterstützer August Follen zerstritten und mit dem Verlag finanziell gescheitert, kehrte Froebel 1845 nach Deutschland zurück. 1848/49 trat er während der Revolution publizistisch für die nationale Einigung und die Lösung der sozialen Frage ein, wurde Mitglied der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und kämpfte im Wiener Oktoberaufstand.

Julius Froebel 1848
Titelblatt einer politischen Schrift Julius Froebels zur Revolution von 1848.

Zum Tode verurteilt und begnadigt, wanderte Froebel nach Amerika aus, wo er bis 1857 lebte. Zurück in Deutschland, gründete er 1862 den grossdeutsch orientierten „Deutschen Reformverein“. Nach der Niederlage Wiens im österreichisch-preussischen Krieg unterstützte er in der von ihm seit 1867 herausgegebenen „Süddeutschen Presse“ die Einigungsbestrebungen Bismarcks. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 trat er unter anderem als Konsul in Smyrna und Algier in den Reichsdienst. 1888 zog er sich aus dem politischen Leben zurück und verbrachte die letzten Jahre in Zürich. O.C. 

Juliis Fröbel

 Julius Froebel. Lithographie von Valentin Schertle, 1848.

Georg Herwegh (1817-75), Dichter, Revolutionär und Sozialist

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 20:04

In Stuttgart als Sohn eines Gastwirts geboren, studierte Georg Herwegh Rechtswissenschaften und Theologie in Tübingen, wo er sich auch in der radikal-liberalen Burschenschaftsbewegung engagierte. Seit 1836 als freier Schriftsteller tätig, entzog er sich 1839 der Zwangsrekrutierung zur württembergischen Armee durch Flucht nach Zürich, wo er im Kreis deutscher Emigranten um August Follen gut aufgenommen wurde. Hier erschienen auch die zwei Bände der „Gedichte eines Lebendigen“ (1841/43), die ihn über Nacht berühmt machten. In diesen Jahren schrieb er für Julius Froebels Wochenzeitung „Schweizer Republikaner“ sowie für die von Karl Marx herausgegebene „Rheinische Zeitung“. Auf Reisen lernte er Heinrich Heine, Ludwig Feuerbach und Michail Bakunin kennen. Nach der Heirat mit Emma Siegmund (1817-1904), der Tochter eines Berliner Bankiers, übersiedelte das Paar 1843 nach Paris.

Georg Herwegh

Georg Herwegh 1843 in Zürich, Ölgemälde von Conrad Hitz.

1848 beteiligten sich die beiden am liberal-republikanischen Aufstand im Grossherzogtum Baden. Nach dessen Scheitern flohen sie über die Schweiz zurück nach Paris. Vier Jahre später liessen sie sich wieder in Zürich nieder. Trotz zunehmend prekärer Finanzlage pflegten die Herweghs einen grossbürgerlichen Lebensstil und empfingen in ihrer Wohnung, 1862-66 im „Schanzenberg“, neben Vertretern der deutschen und italienischen Emigration, wie z.B. Richard Wagner, Gottfried Semper und Franz Liszt, Francesco de Sanctis (1817-83) und Felice Orsini (1819-58), auch Gottfried Keller. Nach der Begegnung mit Ferdinand Lassalle 1861, während dessen Besuch in Zürich, wandte sich Herwegh dessen genossenschaftlichem Sozialismus zu. 1863 wurde er zum Schweizer Bevollmächtigen des von Lasalle mitgegründeten „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“, dessen sofort verbotenes „Bundeslied“ er als Hymne auf das revolutionäre Proletariat verfasste.

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Bundeslied des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins"

1866 kehrte er nach Deutschland zurück, wurde noch im gleichen Jahr Ehrenkorrespondent der Ersten Internationale und schloss sich 1869 der von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründeten marxistisch-revolutionären Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an, für deren Blatt Der Volksstaat er fortan schrieb. 1875 starb er bei Baden-Baden und wurde auf eigenen Wunsch in republikanischer Erde in Liestal bestattet. O.C.

Gerhart Hauptmann (1862-1946), Schriftsteller

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:37

Gerhart Hauptmann war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Gerhart Hauptmann

Gerhart Hauptmann, Fotografie von Nicola Perscheid (1914)

Während seines Aufenthalts in Zürich 1888 wohnt Gerhart Hauptmann bei seinem Bruder Carl und dessen Frau an der Freiestrasse 76. Hier begegnet er unter anderem dem Psychiater und Hirnforscher Auguste Forel, Direktor der «grossen Zürcher Irrenanstalt Burghölzli», der ihm ein «unverlierbares Kapital vom Wissen um die menschliche Psyche» mit auf den Weg gibt. Auch den jungen Frank Wedekind trifft Hauptmann hier.

Unter dem Einfluss des strikten Alkoholgegners Forel wandelt sich Hauptmann für eine Zeit lang zum Lebensreformer und Abstinenzler. Diese Thematik ging ein in die Gestalt des Loth in Hauptmanns Drama «Vor Sonnenaufgang», das ihm den Durchbruch als Dramatiker brachte. Der Theaterskandal um dieses naturalistische Stück machte ihn in Berlin und darüber hinaus bekannt.

Hauptmann besucht in Zürich auch das Grab Georg Büchners, um einen Kranz niederzulegen. Als Vertreter der naturalistischen Moderne gab es für Hauptmann keinen Zweifel daran, dass Büchner als Dramatiker seiner Zeit weit voraus war.

Den Entschluss, die berühmten «Weber» zu schreiben, fasst Hauptmann in Zürich. Auslöser dafür war offenbar die Webstuben der Seidenweber, an denen Hauptmann mehrmals auf dem Weg in die psychiatrische Klinik Burghölzli vorbeikam. R.K.

Kantonsschule Rämibühl - Aula

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:30

An Stelle der heutigen Aula Rämibühl hatte sich August Adolf Ludwig Follen mit der Villa „(Unteres) Sonnenbühl“ wohl von Carl Ferdinand von Ehrenberg 1835/36 die erste Villa am Rämi erbauen lassen. Hier und 1843-47 in der Villa „Sonneck“ (heute „Tanneck“) pflegte Follen ein offenes Haus. Damit wurde dieses Gebiet Hottingens zu einem Ort des kulturellen Wirkens und des Austauschs vor allem aus Deutschland zugewanderter Literaten, Künstler, Gelehrter und politischer Aktivisten. 1966 wurde die Villa zusammen mit sieben weiteren Bauten abgerissen, um Platz zu machen für die Kantonsschule Rämibühl. Als Bestandteil des Rämibühl besitzt die Aula eine Sonderstellung sowohl hinsichtlich der einer breiteren Öffentlichkeit dienenden Bestimmung als auch bezüglich ihrer Inszenierung und Gestaltung. Mit der Hauptfront orientiert sie sich nicht auf das Schulareal, sondern nach aussen, von wo sie über den breiten sich platzartig gegen Aula und Mensa hin weitenden Treppenaufgang (Südrampe) erreicht werden kann. Prominent entfaltet sich ihre Eingangsfront in einem Fächer schlanker, frei in den Himmel ragender, nach innen gewölbter Wandscheiben aus Beton, zwischen die Fensterbänder gespannt sind. Zum Instrument der Gestaltung wird die Schalung der Aussenfläche dieser Wandscheiben, in die der Architekt Eduard Neuenschwander Schwartenbretter hatte einlegen lassen, so dass eine vertikal gerippte Oberfläche entstand. Vielleicht mehr noch als die Betonpfeilerfassaden der beiden Schulhäuser hat die Architektur der Eingangspartie der Aula skulpturalen Charakter.

Aula Rämibühl

Aula Rämibühl, Eingangsfront.

Der Theaterbau ist im Kern als Kubus auf quadratischem Grundriss ausgebildet, in den das Kreissegment der Zuschauerränge hineingestossen ist, an das rechts der Bühne die „Lehrerloge“ anschliesst. Geschickt hat Neuenschwander das Gefälle des Geländes genutzt, um unter den ansteigenden Zuschauerrängen ein grosszügiges Foyer zu schaffen, dessen Betondecke sich vom Haupteingang her gegen die unter dem „Parkett“ liegende, vor leicht gekrümmten, weiss gekachelten Wandscheiben eingerichtete Garderobe absenkt. In einer Gegenbewegung führt die parallel zur grossen Aussentreppe ansteigende und sich weitende Innentreppe vom Foyer zum Saaleingang hinauf, dessen Vorplatz durch ein quer zu den lamellenartig wirkenden Unterzügen laufendes Oberlichtband beleuchtet wird. O.C.

Rämibühl Aula
Aula Rämibühl, Saal.

Escher-Häuser, Zeltweg 7-15 / Steinwiesstrasse 3-9

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:27

Bauherr der sogenannten „Escher-Häuser“ war der 1795-1814 in den USA mit Grundstück- und Kolonialwarenhandel reich gewordene Grosskaufmann und Vater Alfred Eschers, Heinrich Escher-Zollikofer (1776-1853). Seine Absicht, nach der Niederlegung des barocken Schanzenrings ein ganzes, einheitlich geplantes, städtisches Quartier an der neuen Anbindung des Hottinger Zeltwegs an die Altstadt anzulegen, stiess auf grossen Widerstand und konnte schliesslich nur in reduzierter Form realisiert werden. Dennoch sind die „Escher-Häuser“ Ausdruck der neuen wirtschaftlichen Dynamik im Kanton Zürich und der Urbanisierung der stadtnahen Bauerngemeinde Hottingen nach der liberalen Revolution 1830.

Escher Häuser

Escher-Häuser, Gebäudezeile am Zeltweg. Zeichnung um 1860.

Die stattliche, klassizistische, durch Risalite und den zentralen Hofdurchgang gegliederte Gebäudezeile am Zeltweg mit den zugehörigen Hinterhäusern errichtete der Architekt Leonhard Zeugheer 1836-40. Der sich über 31 Fensterachsen ersteckende Frontbau war das erste vornehme, als Kapitalanlage errichtete Mietshaus in Zürich.

Escher-Häuser Zeltweg 7-15
Die durch Grösse und zurückhaltende Gliederung wirkenden Vorderhäuser mit den herrschaftlichen Wohnungen. Foto 1962.

Die herrschaftlichen Wohnungen waren mit Wandtäfer, Kachelöfen mit Goldornamentik, Wand- und Deckenmalereien ausgestattet. In das repräsentative Appartement im Mitteltrakt (Nr. 11) zog die Tochter des Bauherrn, die Malerin Clementine Stockar-Escher (1816-86) mit ihrer Familie ein. Am Zeltweg 13 wohnte Richard Wagner 1849-57. Im Haus Nr. 9 lebten die Kinderbuchautorin Johanna Spyri 1886-1901 und der Komponist Paul Burkhard 1935-57. In Nr. 7 logierte der Komponist Rolf Liebermann 1948-50.

Escherhäuser Kachelofen
Klassizistischer Kachelofen in einer der Wohnungen des Vorderhauses. Foto 1989.

In den Hinterhäusern befanden sich die Wohnungen für die Dienstboten – ebenfalls ein Novum im städtischen Umfeld und Zeichen eines erwachenden sozialen Bewusstseins. Die dreiteilige, schlichte Häuserzeile mit Satteldach orientiert sich sowohl in der äusseren Gestalt als auch im Grundriss der für damalige Verhältnisse grosszügig dimensionierten Etagenwohnungen an den Kosthäusern der ländlichen Industriebetriebe des frühen 19. Jahrhunderts. O.C.

Escher-Häuser Steinwiesstrasse 3-9
Die schlicht gehaltenen, klassizistischen Hinterhäuser für das Dienstpersonal. Davor der Hof zwischen den beiden Häuserzeilen. Foto 1937.
Spinnerei Wollishofen Kosthäuser
Zum Vergleich: Pläne der Kosthäuser der Spinnerei Wollishofen, 1872.

Kantonsschule Rämibühl - Park - Riesenmammutbaum

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:43

Der Riesenmammutbaum, dessen ursprüngliches Verbreitungsgebiet die Sierra Nevada Kaliforniens ist, wurde wohl um 1900 gepflanzt. Er erinnert wie die Buchen des „Olymps“ an das Villenquartier am Rämi, das im 19. Jahrhundert auf diesem Areal entstanden ist. Selbst ein Fremdling war er einst Teil des Gartens des „(Kleinen) Freudenbergs“, wo gegen Ende des Ersten Weltkriegs unter anderem Stefan Zweig, Frank Wedekind, Franz Werfel und Gerhart Hauptmann als Teilnehmer der Samstagssitzungen des 1902 aus dem „Lesezirkel Hottingen“ hervorgegangenen „Literarischen Clubs“ verkehrten und Autoren, wie z.B. Hermann Hesse, Robert Walser, Meinrad Inglin, oder Charles Ferdinand Ramuz eingeladen wurden

Kleiner Freudenberg
Gartenfront des "(Kleinen) Freudenberg" mit dem Schatten der Buchen des "Olymp" auf der Südfassade. Aufnahme aus der Richtung des Riesenmammutbaums kurz vor Abbruch der Villa 1966.

Er steht damit auch für den Aufstieg und die Weltläufigkeit des Zürcher Grossbürgertums im Zusammenhang mit der Industrialisierung und der damit einhergehenden internationalen wirtschaftlichen und kulturellen Vernetzung. Städtebaulich ist er Zeuge der Urbanisierung, die die einstige Bauerngemeinde Hottingen nach der liberalen Revolution 1830 und der darauffolgenden Entfestigung der Stadt erfasste. Die Neugestaltung des urbanen Raums und die Entstehung bürgerlicher Wohnquartiere gingen einher mit der Anlage öffentlicher Parks und privater Gärten. In Zürich war der Aufschwung der Gartengestaltung seit Mitte der 1830er Jahre untrennbar mit der Person Theodor Froebels verbunden. Schliesslich ist die Tatsache, dass der Baum heute im Zentrum zwischen den Schulhausbauten steht, auch Ausdruck jener Grundhaltungen, die das Schaffen Eduard Neuenschwanders als Architekt des Rämibühls geprägt haben: Die neuen Gebäude sollten ins bestehende Gelände eingepasst, der Baumbestand der ehemaligen Villengärten geschont und so ergänzt werden, dass in den verschiedenen Parkbereichen neue Lebensräume für Pflanzen, Mensch und Tiere geschaffen, die Schönheit der Natur und die Geschichte des Areals sichtbar und sinnlich erfahrbar gemacht werden. O.C.

Riesenmammutbaum

Riesenmammutbaum, wohl um 1900 gepflanzt.

Beim Riesenmammutbaum handelt es sich um das größte Lebewesen der Erde. Mammutbäume existierten schon vor der Eiszeit und sind somit älter als die Rocky Mountains. Der Ursprung des Baumes liegt in Südkalifornien.

Der Riesenmammutbaum wird mit bis zu 95 Meter nicht so hoch wie sein Verwandter, der Küstenmammutbaum, der bis zu 115 Meter hochwachsen kann. Dafür erreicht der Riesenmammutbaum grössere Stammdurchmesser und wird dadurch deutlich massereicher. Der General Sherman Tree im Squoia National Park in Kalifornien ist mit einem Stammvolumen von 1486,9 Kubikmetern der größte lebende Baum der Erde. Die ältesten Exemplare sind über 2560, vielleicht auch bis zu 3900 Jahre alt.

Der Riesenmammutbaum ist einhäusig. Die männlichen Blüten befinden sich am Ende kurzer Triebe. Die Zapfen stehen einzeln, manchmal auch zu zweit, an langem Stiel und werden vom Wind bestäubt. Die Samen sind nach zwei Jahren ausgereift. Die Zapfen setzen ihr Wachstum aber längere Zeit fort und bleiben dabei grün. Die Samen werden entweder durch normales Austrocknen der reifen Zapfen oder durch starke Hitzeeinwirkung, wie sie bei einem Waldbrand entsteht, frei. Dabei können auch die noch grünen, im Wachstum befindlichen Zapfen, ihre Samenfracht massenhaft entlassen. Das ist vorteilhaft, weil nach Waldbränden besonders gute Keim- und Wachstumsbedingungen herrschen: Der für die Keimung wichtige Mineralboden ist freigelegt und die Lichtbedingungen sind sehr günstig, weil das Unterholz verbrannt ist. Riesenmammutbäume werden ab dem Alter 10 bis 15 Jahre mannbar.

Riesenmammutbaum Zapfen

Zapfen eines Riesenmammutbaums.

Riesenmammutbäume gedeihen gut in verschiedenen Klimazonen, darunter auch in der Schweiz. Für das Gedeihen des Riesenmammutbaumes ist es wichtig, dass in trockenen Sommermonaten ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Sie benötigen aber gut durchlüftete Böden, so dass Staunässe vermieden werden kann. Sie halten Temperaturen von bis zu -20°C aus, darunter können bei jüngeren Exemplaren Frostschäden auftreten.

Im Zürcher Baumkataster sind 56 Mammutbäume in städtischen Anlagen registriert. Zusätzlich gibt es eine unbekannte Zahl weiterer Mammutbäume auf nicht städtischen Grundstücken. Sie sind typische Modebäume des ausgehenden 19. Jahrhunderts und wurden als weitgehend winterharte Parkbäume angebaut. Die ersten Exemplare wurden 1853 nach Europa eingeführt. Damals entstand unter wohlhabenden Bürgern und Industriellen ein eigentlicher Wettbewerb, wer über die nötigen Beziehungen verfügte, um an Mammutbaum-Sämlinge heranzukommen. Wo ein Mammutbaum steht, kann davon ausgegangen werden, dass sich an seinem Standort früher eine herrschaftliche Villa mit entsprechendem Umschwung befand. T.B.

Lesezirkel Hottingen

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:34

Der Lesezirkel Hottingen wurde am 4. November 1882 durch die Hottinger Turnvereinskollegen Wilfired Treichler und Hans Bodmer im Wirtshaus zur Sonnegg gegründet. Er wollte «belehrende Unterhaltung», «Kenntnis der Tagesliteratur» und «Studium des politischen, sozialen, wissenschaftlichen und künstlerischen Lebens der Gegenwart» für «weite Kreise der Bevölkerung unentgeltlich zugänglich» machen. Mit den «Abenden für Literatur und Kunst» mauserte sich der Quartierverein ab 1886 zu einem Sammelpunkt der Weltliteratur. Die Liste der Vortragenden ist eindrücklich, was im kulturellen Leben Europas Rang und Namen hatte, las im Lesezirkel Hottingen. Unter anderen lasen Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Gerhart Hauptmann, Hermann Hesse, Rudolf Alexander Schröder, Karl Kraus, Ernst Zahn und Thomas Mann.

Der Lesezirkel verfügte über eine eigene Bibliothek, welche zeitweise sogar intensiver benutzt wird als die der Museumsgesellschaft. Elias Canetti wurde von seiner Mutter des Öfteren in den Lesezirkel geschickt, um die neuesten Bücher auszuleihen. Anfangs war die Bibliothek im Schulhaus Hottingen untergebracht, später gelangte sie dann über mehrere Stationen ins "Thaleck" am Zeltweg 27.

Innerhalb des Zirkels schliessen sich einige Mitglieder mit besonderem Interesse für Literatur zusammen und gründen 1902 den "Literarischen Club". Zentrales Anliegen des Literarischen Clubs ist es, junge Schriftsteller zu unterstützen und ihnen eine Plattform zur Verfügung zu stellen. Die Leitung der NZZ-Kulturredaktion (Fritz Marti, Hans Trog und Eduard Korrodi), die Literaturprofessoren Robert Faesi und Walter Muschg, der Verleger Walther Meier und später auch Max Frisch und Emil Staiger stehen dem Club vor. 1933 wird der Literarische Club zur eigenständigen Institution, die bis heute besteht.

Einladung Münchnerfest 1911

Lithographierte Einladung des Lesezirkels Hottingen zum Münchner Fest 1911 in der Tonhalle Zürich, Entwurf der Vorderseite von Burkhard Mangold.

Während rund 50 Jahren war der als Verein organisierte Lesezirkel Hottingen ein prägendes Element im Kulturleben der Stadt Zürich. Der Zirkel veranstaltete auch spektakuläre Dichterfeste und Maskenbälle, ab 1895 immer öfter in der Tonhalle. Bis zum Ersten Weltkrieg hatte er grossen Einfluss auf das literarische und gesellschaftliche Leben Zürichs. Anfangs des Zweiten Weltkriegs wurde er wegen finanzieller Schwierigkeiten liquidiert. R.K.