Exotismus

Chiodera & Tschudy (1878-1908), Architektengemeinschaft

Submitted by ottavio.clavuot on Fri, 01/28/2022 - 05:20

Alfred Chiodera (1850-1916), in Mailand als Sohn eines Kaufmanns geboren, besuchte nach der Übersiedelung der Familie in die Schweiz das Gymnasium in St. Gallen. 1868-72 studierte er am Polytechnikum in Stuttgart Architektur. Danach unternahm er 1873/4 eine Studienreise nach Italien, wo er sich bei Giuseppe Mengoni (1829-77), dem Erbauer der Galleria Vittorio Emanuele in Mailand, mit der italienischen Neurenaissance und Eisen-Glas-Konstruktionen vertraut machte. 1875 liess er sich in Zürich nieder, wo er im Büro des Semper-Schülers Heinrich Ernst (1846-1916) Theophil Tschudy (1849-1911) kennenlernte. Dieser hatte als Sohn eines Mühlenbesitzers im aargauischen Mumpf nach dem Besuch der Kantonsschule in Aarau 1867-70 am Polytechnikum (heute ETH) bei Gottfried Semper studiert und anschliessend in Davos sowie 1872/73 in Budapest gearbeitet. 1878 gründeten Chiodera und Tschudy eine eigene Firma, die sie bis 1908 gemeinsam führten. Chiodera, der mit Maler Arnold Böcklin (1827-1901) befreundet war, selbst auch malte und leidenschaftlich an der Entwicklung eines Luftschiffs tüftelte, war im Unternehmen hauptsächlich für das Künstlerische zuständig, während sich Tschudy mehr mit den technischen Fragen beschäftigte.

Villa Patumbah
Die Gartenfront der Villa „Patumbah“ wirkt mit ihrer bunten Mischung von Formen, Farben und Materialien fast wie ein historistisches Musterbuch und erhält dadurch den vom Bauherrn gewünschten exotischen Charakter.

In den 30 Jahren gemeinsamen Wirkens machten Chiodera & Tschudy den Stilwandel vom Historismus zum Jugendstil mit. In ihren Bauten kombinierten sie zum Teil sehr originell verschiedene Stilformen und die unterschiedlichsten Materialien: Naturstein, Ziegel, Verputz, Keramik, Eisen, Glas und Holz.

Das breite Spektrum ihrer Bauten umfasst neben Villen, wie der für den auf Sumatra reich gewordenen Tabakpflanzer Karl Grob-Zundel gestalteten Villa Patumbah an der Zollikerstrasse 128 (1883-85) oder Chioderas eigenes neubarockes Schlösschen an der Rämistrasse 50 (1896/97), auch Wohn- und Geschäftshäuser, wie jene am Bleicherweg 37-47, sowie Restaurant-, Hotel- und Theaterbauten, wie den Wohn- und Theaterkomplex „Zum Pfauen“, das Katholische Gesellenhaus oder das Palace-Hotel in St. Moritz (1892-96), Ausstellungsbauten, wie den Keramikpavillon an der Zürcher Landesausstellung 1883, und Sakralbauten, wie die Synagoge an der Nüschelerstrasse 36 (1884). O.C.

Bleicherweg 37-47
Hinter dem grossen Fenster des Dachaufbaus der vom Jugendstil geprägten Wohn- und Geschäftshäuser am Bleicherweg hat Alfred Chiodera sein Atelier eingerichtet.
Synagoge Löwenstrasse
Die Synagoge ist wie damals üblich zur Vergegenwärtigung der Ursprünge des Judentums im Orient im sogenannt maurischen Stil errichtet worden.

Kantonsschule Rämibühl - Park - Riesenmammutbaum

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:43

Der Riesenmammutbaum, dessen ursprüngliches Verbreitungsgebiet die Sierra Nevada Kaliforniens ist, wurde wohl um 1900 gepflanzt. Er erinnert wie die Buchen des „Olymps“ an das Villenquartier am Rämi, das im 19. Jahrhundert auf diesem Areal entstanden ist. Selbst ein Fremdling war er einst Teil des Gartens des „(Kleinen) Freudenbergs“, wo gegen Ende des Ersten Weltkriegs unter anderem Stefan Zweig, Frank Wedekind, Franz Werfel und Gerhart Hauptmann als Teilnehmer der Samstagssitzungen des 1902 aus dem „Lesezirkel Hottingen“ hervorgegangenen „Literarischen Clubs“ verkehrten und Autoren, wie z.B. Hermann Hesse, Robert Walser, Meinrad Inglin, oder Charles Ferdinand Ramuz eingeladen wurden

Kleiner Freudenberg
Gartenfront des "(Kleinen) Freudenberg" mit dem Schatten der Buchen des "Olymp" auf der Südfassade. Aufnahme aus der Richtung des Riesenmammutbaums kurz vor Abbruch der Villa 1966.

Er steht damit auch für den Aufstieg und die Weltläufigkeit des Zürcher Grossbürgertums im Zusammenhang mit der Industrialisierung und der damit einhergehenden internationalen wirtschaftlichen und kulturellen Vernetzung. Städtebaulich ist er Zeuge der Urbanisierung, die die einstige Bauerngemeinde Hottingen nach der liberalen Revolution 1830 und der darauffolgenden Entfestigung der Stadt erfasste. Die Neugestaltung des urbanen Raums und die Entstehung bürgerlicher Wohnquartiere gingen einher mit der Anlage öffentlicher Parks und privater Gärten. In Zürich war der Aufschwung der Gartengestaltung seit Mitte der 1830er Jahre untrennbar mit der Person Theodor Froebels verbunden. Schliesslich ist die Tatsache, dass der Baum heute im Zentrum zwischen den Schulhausbauten steht, auch Ausdruck jener Grundhaltungen, die das Schaffen Eduard Neuenschwanders als Architekt des Rämibühls geprägt haben: Die neuen Gebäude sollten ins bestehende Gelände eingepasst, der Baumbestand der ehemaligen Villengärten geschont und so ergänzt werden, dass in den verschiedenen Parkbereichen neue Lebensräume für Pflanzen, Mensch und Tiere geschaffen, die Schönheit der Natur und die Geschichte des Areals sichtbar und sinnlich erfahrbar gemacht werden. O.C.

Riesenmammutbaum

Riesenmammutbaum, wohl um 1900 gepflanzt.

Beim Riesenmammutbaum handelt es sich um das größte Lebewesen der Erde. Mammutbäume existierten schon vor der Eiszeit und sind somit älter als die Rocky Mountains. Der Ursprung des Baumes liegt in Südkalifornien.

Der Riesenmammutbaum wird mit bis zu 95 Meter nicht so hoch wie sein Verwandter, der Küstenmammutbaum, der bis zu 115 Meter hochwachsen kann. Dafür erreicht der Riesenmammutbaum grössere Stammdurchmesser und wird dadurch deutlich massereicher. Der General Sherman Tree im Squoia National Park in Kalifornien ist mit einem Stammvolumen von 1486,9 Kubikmetern der größte lebende Baum der Erde. Die ältesten Exemplare sind über 2560, vielleicht auch bis zu 3900 Jahre alt.

Der Riesenmammutbaum ist einhäusig. Die männlichen Blüten befinden sich am Ende kurzer Triebe. Die Zapfen stehen einzeln, manchmal auch zu zweit, an langem Stiel und werden vom Wind bestäubt. Die Samen sind nach zwei Jahren ausgereift. Die Zapfen setzen ihr Wachstum aber längere Zeit fort und bleiben dabei grün. Die Samen werden entweder durch normales Austrocknen der reifen Zapfen oder durch starke Hitzeeinwirkung, wie sie bei einem Waldbrand entsteht, frei. Dabei können auch die noch grünen, im Wachstum befindlichen Zapfen, ihre Samenfracht massenhaft entlassen. Das ist vorteilhaft, weil nach Waldbränden besonders gute Keim- und Wachstumsbedingungen herrschen: Der für die Keimung wichtige Mineralboden ist freigelegt und die Lichtbedingungen sind sehr günstig, weil das Unterholz verbrannt ist. Riesenmammutbäume werden ab dem Alter 10 bis 15 Jahre mannbar.

Riesenmammutbaum Zapfen

Zapfen eines Riesenmammutbaums.

Riesenmammutbäume gedeihen gut in verschiedenen Klimazonen, darunter auch in der Schweiz. Für das Gedeihen des Riesenmammutbaumes ist es wichtig, dass in trockenen Sommermonaten ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Sie benötigen aber gut durchlüftete Böden, so dass Staunässe vermieden werden kann. Sie halten Temperaturen von bis zu -20°C aus, darunter können bei jüngeren Exemplaren Frostschäden auftreten.

Im Zürcher Baumkataster sind 56 Mammutbäume in städtischen Anlagen registriert. Zusätzlich gibt es eine unbekannte Zahl weiterer Mammutbäume auf nicht städtischen Grundstücken. Sie sind typische Modebäume des ausgehenden 19. Jahrhunderts und wurden als weitgehend winterharte Parkbäume angebaut. Die ersten Exemplare wurden 1853 nach Europa eingeführt. Damals entstand unter wohlhabenden Bürgern und Industriellen ein eigentlicher Wettbewerb, wer über die nötigen Beziehungen verfügte, um an Mammutbaum-Sämlinge heranzukommen. Wo ein Mammutbaum steht, kann davon ausgegangen werden, dass sich an seinem Standort früher eine herrschaftliche Villa mit entsprechendem Umschwung befand. T.B.