Eduard Neuenschwander (1924-2013), Architekt
In Zürich in ein grossbürgerliches, künstlerisch inspirierendes Milieu hinein geboren, verbrachte Eduard Neuenschwander während der Gymnasialzeit einen Grossteil seiner Freizeit damit, Kleinlebewesen und deren Lebensräume zu beobachten und zu zeichnen. Diese leidenschaftliche Beziehung zur Natur wurde auch für sein späteres architektonisches Schaffen prägend.
Durch den Klassenkameraden und Freund Andres Giedion wurde er zu einem häufigen Gast in dessen Elternhaus. Der Kunsthistoriker und Promotor des Neuen Bauens Sigfried Giedion und dessen Frau Carola Giedion-Welcker empfingen in ihrem Haus im Doldertal Künstler der Avantgarde, wie Hans Arp, Constantin Brancusi, Alberto Giacometti, Aldo van Eyck, Alfred Roth, Henry van de Velde oder Le Corbusier. Als Eduard Neuenschwander 1945 das Architekturstudium an der ETH aufnahm, wandte er sich bald gegen die gegenüber der progressiven Vorkriegsmoderne skeptische bis ablehnende Haltung der Professoren. Nach dem Studienabschluss erhielt er auf Empfehlung Giedions zusammen mit seinem Studienkollegen Rudolf Brennenstuhl (1925-2013) die Möglichkeit, 1949-52 im Atelier Alvar Aaltos in Helsinki zu arbeiten – eine für sein künftiges Verständnis des architektonischen Gestaltungsprozesses entscheidende Begegnung. Zurück in Zürich gründeten er und Brennenstuhl 1953 ein eigenes Architekturbüro, das sie bis 1962 gemeinsam führten. Neben der Projektierung von Einzelbauten beschäftigte er sich mit Fragen der Raum- und Siedlungsplanung, der Baustandardisierung und des Fertighausbaus. Mitte der 1950er Jahre initiierten Eduard Neuenschwander und die befreundeten Künstler Gottfried Honegger und Karl Schmid das Projekt einer einheitlich gestalteten Modell- und Künstlersiedlung in Gockhausen am Nordhang des Zürichbergs. Zwar blieb das Vorhaben Fragment, doch verwirklichten Architekten und Künstler in den folgenden fünfundzwanzig Jahren individuell Atelier- und Wohnhäuser in Gockhausen, darunter auch Neuenschwander selbst.
War bereits im eigenen Wohnhaus Im Binzen 1964-69 und in der Kantonsschule Rämibühl die Verbindung von Natur und Architektur ein zentrales Thema, so wurde seit Mitte der 1970er Jahre angesichts von Verstädterung und Umweltzerstörung die naturnahe Gestaltung von Aussenräumen zum vorherrschenden Anliegen in Neuenschwanders Schaffen. Er verstand Umwelt vom architektonischen Innenraum bis zur Grosslandschaft als ein dynamisches Netzwerk von Biotopen. Dieses Netzwerk als funktionierendes, gleichzeitig offenes Ganzes durch zerstörerische und aufbauende Interventionen anzulegen, betrachtete er als seine Aufgabe. Im Westteil des Parks der Universität Irchel setzte er diese Vision 1978-86 exemplarisch um. Wie Naturräume verdanken auch historische Bauten ihre Gestalt einem evolutionären Prozess – auch sie gehören zum Netzwerk der Lebensräume. Seit Mitte der 1950er Jahre hat sich Neuenschwander immer wieder um die Erhaltung, Renovierung und zeitgemässe Adaption historischer Bauten bemüht. In seinem Spätwerk wurde ihm dies zum intensiv verfolgten Anliegen. O.C.