Moderne, Neues Bauen, Funktionalismus

Eduard Neuenschwander (1924-2013), Architekt

Submitted by ottavio.clavuot on Thu, 07/08/2021 - 12:54

In Zürich in ein grossbürgerliches, künstlerisch inspirierendes Milieu hinein geboren, verbrachte Eduard Neuenschwander während der Gymnasialzeit einen Grossteil seiner Freizeit damit, Kleinlebewesen und deren Lebensräume zu beobachten und zu zeichnen. Diese leidenschaftliche Beziehung zur Natur wurde auch für sein späteres architektonisches Schaffen prägend.

Neuenschwander Farbstiftzeichnung
„Schwärmerraupe auf Labkraut“, Farbstiftzeichung von Eduard Neuenschwander, 1948.

Durch den Klassenkameraden und Freund Andres Giedion wurde er zu einem häufigen Gast in dessen Elternhaus. Der Kunsthistoriker und Promotor des Neuen Bauens Sigfried Giedion und dessen Frau Carola Giedion-Welcker empfingen in ihrem Haus im Doldertal Künstler der Avantgarde, wie Hans Arp, Constantin Brancusi, Alberto Giacometti, Aldo van Eyck, Alfred Roth, Henry van de Velde oder Le Corbusier. Als Eduard Neuenschwander 1945 das Architekturstudium an der ETH aufnahm, wandte er sich bald gegen die gegenüber der progressiven Vorkriegsmoderne skeptische bis ablehnende Haltung der Professoren. Nach dem Studienabschluss erhielt er auf Empfehlung Giedions zusammen mit seinem Studienkollegen Rudolf Brennenstuhl (1925-2013) die Möglichkeit, 1949-52 im Atelier Alvar Aaltos in Helsinki zu arbeiten – eine für sein künftiges Verständnis des architektonischen Gestaltungsprozesses entscheidende Begegnung. Zurück in Zürich gründeten er und Brennenstuhl 1953 ein eigenes Architekturbüro, das sie bis 1962 gemeinsam führten. Neben der Projektierung von Einzelbauten beschäftigte er sich mit Fragen der Raum- und Siedlungsplanung, der Baustandardisierung und des Fertighausbaus. Mitte der 1950er Jahre initiierten Eduard Neuenschwander und die befreundeten Künstler Gottfried Honegger und Karl Schmid das Projekt einer einheitlich gestalteten Modell- und Künstlersiedlung in Gockhausen am Nordhang des Zürichbergs. Zwar blieb das Vorhaben Fragment, doch verwirklichten Architekten und Künstler in den folgenden fünfundzwanzig Jahren individuell Atelier- und Wohnhäuser in Gockhausen, darunter auch Neuenschwander selbst.

Neuenschwander Im Binzen
Neuenschwander am Schreibtisch in dem von ihm entworfenen Wohnhaus Im Binzen in Gockhausen, um 1970.

War bereits im eigenen Wohnhaus Im Binzen 1964-69 und in der Kantonsschule Rämibühl die Verbindung von Natur und Architektur ein zentrales Thema, so wurde seit Mitte der 1970er Jahre angesichts von Verstädterung und Umweltzerstörung die naturnahe Gestaltung von Aussenräumen zum vorherrschenden Anliegen in Neuenschwanders Schaffen. Er verstand Umwelt vom architektonischen Innenraum bis zur Grosslandschaft als ein dynamisches Netzwerk von Biotopen. Dieses Netzwerk als funktionierendes, gleichzeitig offenes Ganzes durch zerstörerische und aufbauende Interventionen anzulegen, betrachtete er als seine Aufgabe. Im Westteil des Parks der Universität Irchel setzte er diese Vision 1978-86 exemplarisch um. Wie Naturräume verdanken auch historische Bauten ihre Gestalt einem evolutionären Prozess – auch sie gehören zum Netzwerk der Lebensräume. Seit Mitte der 1950er Jahre hat sich Neuenschwander immer wieder um die Erhaltung, Renovierung und zeitgemässe Adaption historischer Bauten bemüht. In seinem Spätwerk wurde ihm dies zum intensiv verfolgten Anliegen. O.C.

Gockhausen, Einfamilienhaus Atelier 16
Wasserbecken, baubestandener Sitzplatz und Gartenfront des 1980-81 von Neuenschwander erbauten Einfamilienhauses Atelier 16 in Gockhausen.

Schweizerische Landesausstellung 1939 und Geistige Landesverteidigung (Enge / Zürichhorn)

Submitted by ottavio.clavuot on Thu, 07/08/2021 - 02:18

Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, der den Bundesstaat einer inneren Zerreissprobe ausgesetzt, die international stark vernetzte Schweizer Wirtschaft massiv getroffen und den sozialen Frieden schwer erschüttert hatte, führten zur Rückbesinnung auf nationale Werte und Interessen. In den 1920er Jahren forcierten die von der russischen Revolution und vom italienischen Faschismus ausgehende Bedrohung zusammen mit den neuen Möglichkeiten von Radio und Film zur Verbreitung totalitärer Ideologien das Bestreben, die Unabhängigkeit und den demokratischen Rechtsstaat auch in Friedenszeiten mit politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mitteln zu verteidigen. Mit der Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland 1933 intensivierten Schweizer Politiker, Intellektuelle und Medienschaffende ihre Bemühungen um die Stärkung der kulturellen Grundwerte der Eidgenossenschaft und um einen inneren Schulterschluss über alle Klassen- und Parteigrenzen hinweg. Bundesrat Philipp Etter formulierte in der Botschaft vom 9. Dezember 1938 die Idee der Geistigen Landesverteidigung offiziell: Als Willensnation gründet die Schweiz auf der Bereitschaft der Bürger, für die gemeinsamen Werte der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie und des Föderalismus mit ihrem Leben einzustehen. Diese geistigen Werte und die nationale Schicksalsgemeinschaft, die sich im Gotthardmassiv als Symbol der Einheit und Vielfalt, der Freiheit und Wehrhaftigkeit providentiell verkörpern, gilt es neu ins Bewusstsein zu rufen.

Audio file
Aus der Botschaft des Bundesrats vom 9.12.1938

Das Konzept war so offen und allgemein, dass sich mit Ausnahme der Frontisten und eines Teils der Kommunisten alle politischen Strömungen damit identifizieren konnten. Im gleichen Jahr entstanden auch ikonische Inszenierungen der Geistigen Landesverteidigung, wie z.B. der von Hermann Haller und Leopold Lindtberg gedrehte Film „Füsilier Wipf“ oder die Aufführungen des „Götz von Berlichingen“ und des „Wilhelm Tell“ am Zürcher Schauspielhaus mit Heinrich Gretler in den Titelrollen. Mit dem Beginn des Kalten Krieges Ende der 1940er Jahre erfuhr die Geistige Landesverteidigung bis in die ausgehenden 1960er Jahre eine Wiederbelebung.

Plakat Füsilier Wipf

Bereits 1925 wurde die Idee einer Landesausstellung in Zürich lanciert, doch erst 1935 beschloss der Bundesrat deren Unterstützung. Seit der Bundesstaatsgründung 1848 dienten die Landesausstellungen der Inszenierung der nationalen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Erstmals 1914 wurde eine Landesausstellung zur Demonstration des Willens zur bewaffneten Neutralität instrumentalisiert. Ganz im Dienst der Geistigen Landesverteidigung stand die Zürcher Landesausstellung 1939. Der 1936 zum Direktor der „Landi“ bestellte Architekt Armin Meili konzipierte eine thematisch geordnete Schau, die das Bild einer wehrhaften, innovativen, modernen, bodenständig in ihren regionalen und bäuerlichen Traditionen verwurzelten Schweiz vermitteln sollte. Auf dem linken Seeufer wurde die Schweiz als Industrie-, Wissenschafts-, Technik-, Tourismus- und Modenation präsentiert.

Halle des Strassenverkehrs von Architekt L.M. Boedecker, Zürich. Aufnahme: Michael Wolgensinger 1939
Halle des Strassenverkehrs von Architekt L.M. Boedecker, Zürich.

Neben Themen wie Energieversorgung, Städtebau und Verkehr standen vor allem „Heimat und Volk“ im Zentrum. Der von Fahnen überdachte „Höhenweg“ durchzog auf 700 Metern als Rückgrat und sakrale Selbstvergewisserung der Eidgenossenschaft das Ausstellungsgelände. Er erschloss Pavillons zu Geschichte und Werten der Schweiz, so auch zur „Wehrbereitschaft“, die durch eine monumentale Soldatenskulptur des Bildhauers Hans Brandenberger verkörpert wurde.

Landesausstellung 1939 Wehrbereitschaft
Plastik "Wehrbereitschaft" von Hans Brandenberger. Ein Original-Bronzeabguss steht heute vor dem Bundesbriefarchiv in Schwyz, eine Nachbildung bei den Turnhallen an der Rämistrasse 80.

Die „Landi“ sollte nicht nur durch Belehrung, sondern auch als kollektives Erlebnis zur Gemeinschaftsbildung beitragen. Das Vergnügen durfte daher nicht zu kurz kommen. Dieses garantierte u.a. der „Schifflibach“, der sich grosser Beliebtheit erfreute.

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„Schifflibach“ und „Schifflibach-Lied“. Das war die Landi, SRF 18.6.1989.

Ausstellungsgelände, Pavillons, Skulpturen, Wandbilder und Ausstellungsgut waren als szenografische Einheit konzipiert. Als Chefarchitekt der Landesausstellung setzte Hans Hofmann (1897-1957), ein Schüler Karl Mosers, konsequent auf eine funktionalistische Holz-Leichtbauweise in Kombination mit neuen Materialien, wie Aluminium, und mit experimentellen Formen.

Landesausstellung 1939 Aluminiumpavillon
Aluminium-Pavillon von Architekt Jos. Schütz, Zürich. Aluminium wurde in seiner Schlichtheit und Abnutzungsresistenz als typisches schweizerisches Material propagiert.
Landesausstellung 1939 Betonbogen
Betonparabel von Hans Leuzinger (Architekt) und Robert Maillart (Ingenieur) mit Pferdebändiger von Alfons Maag.

Die gemässigte architektonische Moderne der „Landi“ hob sich damit deutlich von den wuchtigen Prestigebauten der totalitären Diktaturen ab und galt fortan als schweizerische Form der Moderne. Durch eine Luftseilbahn über den See war das Gelände in der Enge mit dem der traditionellen, bäuerlichen Schweiz gewidmeten Teil der „Landi“ am rechten Seeufer verbunden. Inspiriert von der Natur- und Heimatschutzbewegung verklärte im „Dörfli“ am Zürichhorn ein Potpourri ländlicher Bauten in verschiedenen Regionalstilen das vormoderne Leben und zelebrierte mit Trachtenschau und -fest die nationale kulturelle Eigenständigkeit.

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„Dörfli“ und „Dörfli-Lied“. Das war die Landi, SRF 18.6.1989.

Die von Anfang Mai bis Ende Oktober 1939 dauernde Landesausstellung wurde durch Kriegsausbruch und Mobilmachung am 1. September endgültig zum nationalen Wallfahrtsort. Schliesslich verzeichnete sie 10 Millionen Besucher. 40‘000 Artikel und 15‘000 Bilder in der Schweizer Presse, Plakate und Postkarten, Briefmarken und Broschüren feierten das Ereignis, so dass die „Landi“ auf lange Zeit tief im kollektiven Gedächtnis verankert blieb. O.C.

Landi-Prospekt 1939
"Landi-Dörfli" am Zürichhorn. Landesausstellungsprospekt 1939.

Kantonsschule Rämibühl - Aula

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 19:30

An Stelle der heutigen Aula Rämibühl hatte sich August Adolf Ludwig Follen mit der Villa „(Unteres) Sonnenbühl“ wohl von Carl Ferdinand von Ehrenberg 1835/36 die erste Villa am Rämi erbauen lassen. Hier und 1843-47 in der Villa „Sonneck“ (heute „Tanneck“) pflegte Follen ein offenes Haus. Damit wurde dieses Gebiet Hottingens zu einem Ort des kulturellen Wirkens und des Austauschs vor allem aus Deutschland zugewanderter Literaten, Künstler, Gelehrter und politischer Aktivisten. 1966 wurde die Villa zusammen mit sieben weiteren Bauten abgerissen, um Platz zu machen für die Kantonsschule Rämibühl. Als Bestandteil des Rämibühl besitzt die Aula eine Sonderstellung sowohl hinsichtlich der einer breiteren Öffentlichkeit dienenden Bestimmung als auch bezüglich ihrer Inszenierung und Gestaltung. Mit der Hauptfront orientiert sie sich nicht auf das Schulareal, sondern nach aussen, von wo sie über den breiten sich platzartig gegen Aula und Mensa hin weitenden Treppenaufgang (Südrampe) erreicht werden kann. Prominent entfaltet sich ihre Eingangsfront in einem Fächer schlanker, frei in den Himmel ragender, nach innen gewölbter Wandscheiben aus Beton, zwischen die Fensterbänder gespannt sind. Zum Instrument der Gestaltung wird die Schalung der Aussenfläche dieser Wandscheiben, in die der Architekt Eduard Neuenschwander Schwartenbretter hatte einlegen lassen, so dass eine vertikal gerippte Oberfläche entstand. Vielleicht mehr noch als die Betonpfeilerfassaden der beiden Schulhäuser hat die Architektur der Eingangspartie der Aula skulpturalen Charakter.

Aula Rämibühl

Aula Rämibühl, Eingangsfront.

Der Theaterbau ist im Kern als Kubus auf quadratischem Grundriss ausgebildet, in den das Kreissegment der Zuschauerränge hineingestossen ist, an das rechts der Bühne die „Lehrerloge“ anschliesst. Geschickt hat Neuenschwander das Gefälle des Geländes genutzt, um unter den ansteigenden Zuschauerrängen ein grosszügiges Foyer zu schaffen, dessen Betondecke sich vom Haupteingang her gegen die unter dem „Parkett“ liegende, vor leicht gekrümmten, weiss gekachelten Wandscheiben eingerichtete Garderobe absenkt. In einer Gegenbewegung führt die parallel zur grossen Aussentreppe ansteigende und sich weitende Innentreppe vom Foyer zum Saaleingang hinauf, dessen Vorplatz durch ein quer zu den lamellenartig wirkenden Unterzügen laufendes Oberlichtband beleuchtet wird. O.C.

Rämibühl Aula
Aula Rämibühl, Saal.

Kantonsschule Rämibühl - Schulhäuser (MNG, LG/RG)

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:20

Die parkseitigen Fassaden der beiden Schulhäuser konzipierte Eduard Neuenschwander als Wald mächtiger, in freiem Rhythmus vor- und zurückspringender Betonpfeiler, die durch den filigran wirkenden Aluminiumraster der Fensterquadrate und die durchlaufende, vorkragende Brüstung der Pflanztröge der Dachterrasse verbunden sind. Belebt wird der Fensterraster durch die die Geschossböden markierenden Bänder und die im höheren Eingangsgeschoss und im untersten Geschoss zurückgenommene Fensterfront. Die zurückversetzten Dachaufbauten sind nur teilweise sichtbar und haben keinen entscheidenden Einfluss auf das Erscheinungsbild der 102m und 146m langen Fassaden. Umso wichtiger ist die von Neuenschwander arrangierte Geländemodulierung vor der Fassade. Indem er den Fuss der Gebäude hinter einer Geländewelle verschwinden lässt, reduziert er optisch die Höhe des Baus und lässt ihn förmlich aus dem Boden wachsen.

Rämibühl LGRG

Pfeilerwald und Fensterraster der Südfassade des Schulgebäudes von LG/RG.

Während sich die talseitigen Fassaden von MNG und LG/RG – wie Neuenschwander es 1988 ausdrückte – „durch die bestehenden Landschaftsbestände winden“, sind die strassenseitigen, parallel zur Freiestrasse angeordneten Gebäudeteile einer rechtwinkligen Ordnung verpflichtet, in die auch die Turnanlage einbezogen ist. Auf dieser Seite bestimmen die Mauer- und Glasbausteinflächen der grossen, gestaffelten Kuben neben Partien mit Pfeilern und Fensterraster das Erscheinungsbild.

Schulgebäude von LG/RG

Kubische Formen der Nordfassade des Schulgebäudes von LG/RG.

Die unterschiedliche Fassadengestaltung resultiert nicht nur aus dem Bezug zur Umgebung, sondern korrespondiert auch mit der Funktion der Räume im Innern. Die von Neuenschwander verwendete Skelettbautechnik gewährleistet die vom Wettbewerbsprogramm geforderte Flexibilität der Grundrisse. Über Betonunterzüge sind die Fassadenpfeiler mit Pfeilerreihen verbunden, die in Zimmertiefe den Fassaden folgen und die ihrerseits untereinander mit einem Betonträger verbunden sind. Die Flurzone, wo der frei gestaltete und der orthogonal geordnete Bereich aufeinandertreffen, wird von einer Betonplatte überspannt, deren Last in den breiteren Zonen durch einzelne, frei im Raum stehende, scheibenartig ausgebildete Betonstützen zusätzlich aufgefangen wird. Dadurch, dass der Beton roh belassen ist, ist das tragende Gerüst des Baus sichtbar. Aus Beton sind auch die zum Flurbereich hin offenen Treppenhäuser. Auf der rauen Oberfläche der vor Ort geschalten und gegossenen Elemente zeichnen sich Holzstruktur und unterschiedliche Schalungsrichtungen ab.

1. Obergeschoss des MNG

Korridor im 1. Obergeschoss des MNG – Nahtstelle zwischen frei gestaltetem und orthogonal geordnetem Bereich.

In der Einbettung der Bauten in die umgebende Natur und im freien Umgang mit organischen und orthogonalen Formen zeigt sich der prägende Einfluss von Neuenschwanders Lehrer Alvar Aalto: Mit dem 1947-49 realisierten Studentenheim des MIT in Cambridge (USA) am Ufer des Charles River hat Aalto wohl Neuenschwanders Rämibühl-Entwurf inspiriert. Symbolisch nimmt die nach Süden zum Fluss orientierte, dreifach abgewinkelte, sanft ondulierende Front mit den Studentenzimmern Bezug auf den Strom. Die nördliche, kantig wirkende Fassade mit Studentenzimmern gegen Osten und Diensträumen gegen Westen folgt dem Verlauf der Südfassade nur bedingt. Dadurch öffnen sich in der dazwischen liegenden Korridorzone Aufenthaltsbereiche. O.C.

Aalto MIT Werk 1950
Abbildungen aus einem Artikel in der Architekturzeitschrift Werk aus dem Jahr 1950 (Bd. 37,4).

Kantonsschule Rämibühl - Mensa

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:16

Am Bau der in den Hügel hineingeschobenen Mensa werden Formelemente der Schulhäuser aufgenommen und variiert. Da deren unteres Geschoss in eine Geländemulde eingebettet ist, ist von der Mensa nur die grosszügig verglaste, durch schlanke, vorspringende Betonwandscheiben in grossen Abständen regelmässig gegliederte Front der Esssäle sichtbar. Als gegen die Glasfront sich neigendes Vordach ist die Brüstung der Betonpflanztröge ausgebildet.

Rämibühl Aula Mensa

Hauptfront der Mensa – Mittel- und Verbindungsstück der Fassadenbogens zwischen Aula und LG/RG, 1970.

Der leicht wirkende Bau lässt vergessen, dass er als Substruktion des Vorplatzes von LG und RG dient. Ebenso wenig wird die sich nach Südosten öffnende, westlich von den Buchen des „Olymp“ und der malerischen Gruppe exotischer Koniferen gerahmte Terrasse vor den beiden Gymnasien als Dach der Mensa erfahren. Einzig die vier aus dem Boden wachsenden, teilweise von Betonbänken umgebenen, ursprünglich überkuppelten Kegelstümpfe der Oberlichter des Esssaals erinnern daran.

Mensa

Mensadach mit Oberlichtern des Esssaals als Vorplatz von LG/RG.   

Die tiefe, durch scheibenartig ausgebildete Stützen und Träger in vier Schiffe gegliederte Halle der Mensa ist von aussen und innen nur über Treppen beziehungsweise Rampen erreichbar, die auf das Niveau des Esssaals hinabführen. Hinter der mächtigen Fensterfront erstreckt sich der Essbereich der Schülerinnen und Schüler und, davon räumlich abgetrennt, der Essraum für die Lehrerschaft. Nahtlos geht der Essbereich in die dunklere, durch Oberlichter beleuchtete Verkehrszone zwischen den Eingängen über, hinter der die ganz auf Kunstlicht angewiesenen Theken für die Essensausgabe, die Wendeltreppe und der Warenlift ins Untergeschoss liegen. Die grossen Wandflächen der Zugänge zur Mensa und des Esssaals liess Eduard Neuenschwander von Karl Schmid durch geometrisch-ornamentale Wandmalereien, Eisenplastiken und Holzreliefs gestalten. Die mit grosser Sensibilität für das harmonische Zusammenspiel von Linie, Fläche und Farbe sowie mit hoher handwerklich technischer Präzision ausgeführten Werke schaffen mit ihren verspielten Formen und Farben eine heitere Atmosphäre.

Eßsaal

Esssaal mit den Theken zur Essensausgabe im Hintergrund. 

Betrieben wird die Mensa seit ihrer Eröffnung 1970 vom Zürcher Frauenverein. Dieser war 1894 als „Frauenverein für Mässigkeit und Volkswohl“ zur Bekämpfung des verbreiteten Alkoholismus, zur Besserstellung der Frau in den gastgewerblichen Berufen und zur Verbesserung des Volkswohls allgemein gegründet worden. Erste Präsidentin war Nanny Huber-Werdmüller (1844-1911), treibende Kraft und erste Geschäftsleiterin Susanna Orelli-Rinderknecht (1845-1939). O.C.

Kantonsschule Rämibühl - Naturwissenschaftstrakt

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:10

In Kontrast zur östlich vorgelagerten Aula hat Eduard Neuenschwander den Naturwissenschaftstrakt – einen Laborbau mit Flachdach – als reinen Zweckbau konzipiert. Die Fassaden des langgestreckten, talseitig drei-, bergseitig zweigeschossigen, gestuften Blocks sind bestimmt durch die Abfolge gleichförmiger beigebraun verputzter Mauer- und Fensterbänder. Hangabwärts leicht versetzt ist im Westen der Kubus mit den Physikhörsälen in den Biologie- und Chemietrakt hineingeschoben. Betreten wird das Gebäude durch einen quer angeordneten Treppentrakt.

Eingang zum Naturwissenschaftstrakt

Eingang zum Naturwissenschaftstrakt zwischen Labor- und Hörsaalbau.

Von der zentralen, durch schmale Fensterbänder erhellten Halle des Physikgebäudes her sind die doppelgeschossigen Hörsäle für die Schülerschaft zugänglich. Der vom Gang aus einsehbare Sammlungsraum unter der Halle, die unter die Tribüne der Hörsäle geschobenen Vorbereitungszimmer und die Hörsaaleingänge der Lehrerschaft befinden sich im unteren Geschoss.

Physikhörsaal

Erschliessungshalle der Physikhörsäle.

Im Biologie- und Chemietrakt werden die aussenliegenden Unterrichts- und Praktikumsräume sowie die fensterlosen, innen liegenden Nebenräume durch niedrige Flure mit integrierten Schaukästen, Aquarien und Terrarien erschlossen. O.C.

Korridor im Biologietrakt mit Schaukästen

Korridor im Biologietrakt mit Schaukästen, Aquarien und Terrarien.

Kantonsschule Rämibühl - Turnhallen

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 18:07

Von den drei aneinander gereihten Turnhallen lässt Eduard Neuenschwander nur die ungegliederten, im Sockelbereich der Längsseiten leicht geböschten Betonmauern der oberen Hallenhälfte mit den kappenartig aufgesetzten, Aluminium verkleideten Dreieckprofilen der Oberlichtbänder aus dem Boden ragen.

Rämibühl Turnhalle
Betonwanne der Turnhallen mit shedartigen Oberlichtern.

Die ins Erdreich gesenkten Betonwannen der Turnhallen erhalten Licht einzig durch die seitlich und in der Mitte von grossen Oberlichtbändern durchbrochene, auf Stahlträgern ruhende Decke. Zwischen den Garderoben im Untergeschoss des MNG und den Hallen verläuft der unterirdische Erschliessungskorridor. Grosszügige Fenster geben den Blick in die Hallen frei und sorgen zugleich für Licht im Gang. Ihnen gegenüber befinden sich in der anderen Hallenwand die Tore zu den Materialräumen. Wandmalereien Karl Schmids schmücken die Verbindungskorridore zur Tiefgarage. O.C.

Turnhalle

Turnhalle.

Ober- und Ordnungsbegriffe

Kunsthaus, „Bührle-Bau“, Heimplatz

Submitted by admin on Sun, 06/06/2021 - 17:54

Bereits 1938 propagierte Hans Hofmann, der Chefarchitekt der Landesausstellung 1939, im Zusammenhang mit Erweiterungsplänen des Kunsthauses in Anlehnung an Vorschläge Karl Mosers die Idee einer „Kunstinsel“ am Heimplatz, der geschlossen umbaut und für Fussgänger reserviert werden sollte. Der endgültige Verzicht auf Pläne zum Teilabbruch des Quartiers zwischen Zähringerplatz und Hirschengraben und zur Verlängerung der Kantonsschulstrasse in Richtung Altstadt machten 1942 zusammen mit der Finanzierung durch den umstrittenen Grossindustriellen und Kunstsammler Emil Georg Bührle den Weg frei für die Planung der Kunsthauserweiterung auf dem Areal des Krautgartenfriedhofs, wo Georg Büchner 1837 beerdigt worden war, und des Hauses „Zum liegenden Hirschli“, wohl Johann Heinrich Pestalozzis Geburtshaus. Heftige Kontroversen um die städtebauliche Situation zwischen Altstadt und Heimplatz, aber auch Finanz- und Materialknappheit in den ersten Nachkriegsjahren verzögerten die Realisierung des 1944 siegreichen Wettbewerbsprojekts der Brüder Hans und Kurt Pfister.

Luftaufnahme Kunsthaus
Luftaufnahme des Altbaus und des „Bührlebaus“.

Während der zehn Jahre bis zur Ausführung erfuhr der als frei bespielbare Ausstellungshalle konzipierte Neubau eine umfassende Überarbeitung.

Kunsthaus Zürich
Stützenfreier Ausstellungssaal im Obergeschoss anlässlich der Ausstellung "Amerikanische Kunst 1948-1968" 1969.

Im Geist der klassischen Moderne wurde er schliesslich 1954-58 als durchlässiger Riegel errichtetet: Der an Le Corbusiers Pilotis-Bauten erinnernde, aufgestelzte Balken des stützenfreien Oberlichtsaals (70 x 18 x 5 m) über der Fussgängerpassage zur Altstadt zwischen dem transparenten Restaurant und dem Vortragssaal begrenzt den Vorplatz vor dem Kunsthaus, ohne ihn gegen die Altstadt abzuschliessen. An Karl Mosers Kunsthaus ist er über eine Treppenrampe und verglaste Verbindungsgänge angebunden, die einen Kunsthof umschliessen. Durch sein grosses, raumgreifendes Volumen, seine streng kubische Form und die mit senkrecht gerillten Betonplatten verkleideten, an den Längsseiten durch ein vertikal gegliedertes  Fensterband Ein- und Ausblick gewährenden Fassaden verbindet er heute den südlichen Kunsthaus-Komplex mit dem Erweiterungsbau nördlich des Platzes. O.C.

Kunsthaus "Bührle-Bau"
Platzfront des „Bührle-Baus“. Postkarte um 1960.