Gottfried Semper (1803-79), Architekt und Publizist
In Altona (Hamburg) in einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie geboren, studierte Gottfried Semper in Göttingen, München und Paris. Durch Beobachtungen auf seiner Grand Tour durch Italien und Griechenland 1830-34 konnte er den Streit um die Frage, ob antike Architektur und Skulptur einfarbig oder bunt gewesen seien, zugunsten der Polychromie entscheiden.
1834-49 wirkte er als Architekturprofessor an der Akademie in Dresden, wo er unter anderem mit dem Bau des Hoftheaters (1836-41) Aufsehen erregte. Nach der Niederschlagung der Revolution 1849 floh Semper nach London. Richard Wagner, der Dresden 1849 ebenfalls verlassen musste und nach Zürich emigrierte, empfahl Semper mit Erfolg als Professor für das 1854 neu gegründete Eidgenössische Polytechnikum (seit 1905 ETH). Während seiner Zürcher Jahre 1855-71 baute Semper unter anderem den Kern das Hauptgebäudes der ETH (1859-64, mit Johann Kaspar Wolff), die Eidgenössische Sternwarte (1861-64), das Wohn- und Geschäftshaus Fierz (1865-67) sowie das Stadthaus in Winterthur (1865-69, durch einen Anbau 1932-34 stark beeinträchtigt).
Auch nicht realisierte Projekte hinterliessen Spuren, wie etwa der Entwurf für den Bahnhof der NOB in Zürich 1861. Durch seine Lehrtätigkeit prägte er eine ganze Generation von Zürcher Architekten (ca. 220 Schüler), die im Stil der Semper‘schen Neurenaissance weiterbauten.
Von grossem Einfluss waren auch seine Schriften, so das 1860-63 erschienene Hauptwerk „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, oder praktische Ästhetik“, auf das später die niederländische Bewegung „de Stijl“ direkten Bezug nahm. 1871-76 wirkte Semper bei der Erweiterung der kaiserlichen Hofburg in Wien (Neue Burg, Hofmuseen und Burgtheater) mit. In den letzten Lebensjahren konzentrierte er sich auf die Fertigstellung der Oper in Dresden (heute „Semper-Oper“), nachdem das von ihm errichtete Hoftheater 1869 abgebrannt war. O.C.